aus : Deutsche Litteraturzeitung, Nr. 17
1894, Apr.28, S. 521-522
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
Emil Hausjeffecht, Amerikanisches Bildungs-
wesen^XWissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht
dej^£weiten städtischen Realschule (Höheren Bürger-
Schule) zu Berlin. Ostern 1894. Programm Nr. II7.
Berlin, R. Gacrtner (H. Heyfelder), 1894. 30 S. 4°.
DerYerf. hat 1890 und 1893 die Vereinigten
Staaten durchzogen ‘in gemächlicher Folge’ und
‘beobachtend’. Was er auf den hier gebotenen
nur 30 Seiten mittheilt, erscheint als sehr lesens
wert!]. Ohne dem Leser eine eigene Meinung aufzu
drängen, lässt er uns empfinden, dass seine Be
obachtungen dem gesunden Menschenverstände
entsprangen, den wir als maassgebend anerkennen.
Ihm imponirt die Unbefangenheit und die Energie,
mit der die Amerikaner an die Bewältigung der
ihnen zuwachsenden volkserzieherischen Aufgaben
herantreten. Sie kennen die uns in so beschämen
der Weise immer öfter entgegentretende Frage
nicht, ob man dies und jenes denn nicht für das
Examen nicht zu wissen brauche, sondern sie
wollen sich aneignen was für das Leben zu
wissen nöthig sei. Amerikanische junge Leute,
die zum Weiterstudiren zu uns herüberkommen,
hegen einen gewissen reinen Eifer, eine Freude
am Zulernen, eine Ehrfurcht vor Wissen und
Wissenschaft, die — ich mag den Satz nicht
ausschreiben. Der in unsere heutige Jugend
eingeflossene Geist, als ob Kritik und Wissen
identisch seien, hat etwas Vergiftendes. Die Freude
an den Dingen ist das allein früchtetreibende
Element. Herr Professor Hausknecht betont mit
besonderer Wärme das allen amerikanischen Schul
gelehrten gegönnte »freie siebente Jahr«. Sicher
lich wäre diese wiederkehrende Zeit der Freiheit
für eigene Studien etwas, das wir von Amerika
herübernehmen könnten.
Berlin. H. Grimm.