Full text: Rezensionen von Herman Grimm in der Deutschen Rundschau (1881-1890)

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
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5- Das Ciuheitsgymnaiium als psycho- 
logisches Problem behandelt, zugleich 
eine Üöfiirtg der UeberbürdunzSfrage auf psycho 
logischer Grundlage. Von L. Vieweger- 
Danzig. Sannier's Conrmiss.-Verl. 1887. 
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ö4int ist ^itt Versuch, das Englische als / / 
KfrnnW« erste^ernsprache statt detz Lateinischen I tr' ff 
zu empfehlen. ist Die genauere ' > 
Durchführung dieses Vorschlages, auf dessen An- 
nahme der Vers. große Hoffnungen setzt. 
Es wird auch dem außenstehenden Publicum 
nichts übrig bleiben, als sich mit diesen Fragen 
zu beschäftigen. Eine umfangreiche unv wichtige 
Literatur behandelt sie bereits, unv unsere Schrift 
IT- ^ ist/geeignet, auch den Laien in die Dinge 
einzuführen, über die gesiritte t wird. Herr Vie 
weger spricht sich ruhig, verständig und verständ 
lich aus und theilt nebenbei Vieles mit. das der 
Neuhereinblickende irgenvwohec zum ersten Male 
erfahren muß. 
Unserer Meinung nach müssen diese Debatten 
bei Weite,n mehr noch Umfassen als bisher hrr 
■ wenn Resultate von bleibendem W -rthe 
erzielt werden sollen. Bisher nämlich, soweit 
wenigstens als wir die betreffende Literatur über 
blicken, ist immer, oder me st, nur von den 
Schülern die Rede gewesen. Man wird sich aber 
dazu bequemen müssen, in Betracht zu ziehen, 
wie denn die Lebrer beschaffen seien. Da; heißt, 
was der zum Lehrer auf der Universität erzogene 
und examinirre, junge Mann- einestheils ans der 
Universität denn eigentlich empfangen habe und 
anderntheils, was ihm im Examen denn eigent- 
lich abgefragt ivorden sei. Hierüber wirsen 
Selbstbekenntnisse von Lehrern vielleicht sehr be- 
merkenswerthe Themata iür weitere Verhand 
lungen abliefern. Könnte z. B. nicht einmal fest 
gestellt werden, wieviel Studenten, die in die 
feinste Kritik eines Autors. gleichviel, welcher 
Nation und welches Zeitalters, eingeführt werden, 
die Schriften dieses Autors, deren Anatomie sie 
lernen, vorher kannten und auch später kennen 
lernten? Und, als Fortsetzung dieser Frage, 
wie viele zukünftige Lehrer der Jugend. die die 
stilistischen Fehler eines Autors genau kennen. 
/über dessen geistige .Schönheiten Auskunft zu 
geben wüßten? Und • dergleichen mehr. 
/ Margucrite. Schauspiel in fünf Aufzügen 
von Franz Koppel-Ellfeld. Dresden u. 
Leipzig. .E. Pierson's Verlag. 1887. 
Dieses Stück, das den Titel Comedie lar 
moyante mit Recht führen würde, ist, wie das 
Inhaltsverzeichnis besagt, in Dresden bereits 
aufgeführt worden. Mir wissen nicht, mit wel 
chem Erfolge, meinen uns aber zu erinnern, daß 
eS auch von Berliner Theaterzetteln einmal an- 
' st^etgt worden ist. Auch für diesen Fall haben 
wir keine Kunde» welchen .Eindruck dos 
-Berliner isublicum gemacht hat. Unserer Mei 
nung neck ist das Stück ans das Hlsaß briccknct, 
und daß es in Straßburg, bei guter Besetzung 
und flottem Spiet, ntcht Eindruck machen würoe 
(oder gemacht hätte), Dieß zu vernehmen, würde 
uns seltsam erscheinen. Mit großem Geschick, 
ja, mit Kunst, und zwar-sind,rter Kunst , sind 
Charaktere und Scenen zusammengefügt. Offen 
bar hat der Verfasser sich der ge|teUteit Ausgabe 
mit Ernst unterzogen und, ehe es zu der scharf 
zugeschnittenen, überall auf den'Ausgang der 
Dinge hindrängenden Scenenreihe gelangte, Vieles 
abgeschnitten unv Manches zugesetzt. 
Möchte der Dichter, der dem Rec. persönlich 
völlig unbekannt ist, Folgendes vielleicht beherzigen 
wollen. 
Das Problem, das er behandelt, ist ein tief 
greifendes. Um Mcht ’frwyWf lo zu lösen, daß 
das dieser Lösung gewidmete Kunstwerk p***üjJ) 
ainflriiim»» denen fRtft, die in 
gleichen Gefühlsvcrwirrungen befangen sind, zu 
einem Codex der Gesetze werde, welche hier Wn 
Punschen, dnn Bcttrtlande und denW d«r^L»efe 
htr iBrtnl ilfniii Ti>iiii)i>ii sn'lififltu ■Tp'iliiiiiiiwi 
L,zmübsv« als ftglu' -Enlsch«li den Ausschlag 
geben, bedarf eS einer anderen Auffassung dieser 
Fragen. Der flüchtige Eindruck eines ÄbendS 
im Theater bringt nichts Entscheidendes YM 
mit sich, wenn es eben nur ein flüchtiger Co- 
mödicneindruck gewesen ist. sollte Herr Koppel 
die Dinge, um die eS sich hier handelt, poetisch 
verklären, so bedurfte es dazu tief angelegter 
Charaktere, in denen der Zuschaut sich selbst 
wiederfindet: Menschen, nicht bloß Bühnenfiguren 
(wenn auch liebenswürdige unv interessante). 
Welchen Horizont würde Schiller um sich ge 
zogen haben, wenn er die Dinge, die hier so 
leicht und charmant- sich abspielen, im vollen 
Umfange dessen, was sie in der Menschenbrust 
zu erregen befähigt sind, darzustellen unternommen 
hätte! ■! Nun, wir muthen dem Dichter der 
Marguerue nicht gleich das Schwerste zu, aber 
er gestehe ein , ob Mm) Bericht | 1 z. "ÖJ über die 
Gefühle seiner Heldin, als sie, ohne zu wissen 
wie, zur Göttin des Elsaßes in Paris erhöht 
(und erniedrigt) wurde. Mnng sngu» > Und tu 
fisfj Ns i u ni fiissisl lh! !>l>'lik!sch siiisjgsführt- 
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I -M. schiz^xg Mädchen, zu dieser Schaustellung 
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verführt, wird mitten im Triumphe sich bewußt, 
zu was eigentlich sie hier mißbraucht worden 
sei. In den Rahmen unseres Lustspieles konnte 
dergleichen -natürlich nicht hineingebracht werden; 
aber,- ganz abgesehen von Koppet's Marguerite, 
welch -eine Scene! Welch eine Aufgabe für eme 
Schauspielerin,-.diesen Gegensatz der Gefühle dar 
zustellen ! - Den 7 Ucbergäug befriedigter, halb 
kindisch) mädchenhafter Eitelkeit zum Erwachen 
der wahren'Natur)- die sich im Aufschrei des zu 
sich selbst kommenden -Baterlandsgesühles kuUd 
giebt! Tas.wäre-Än^MM^koMmSchlusse 
der Dichter- schrerben dürste:-'„Marguerite bucht. 
-- [T-Aw 
bewußtlos zusammen." Eine Ohnmacht, aus 
der die betreffende Schauspielerin durch Beifalls 
stürme sicherlich wieder aufgeweckt werden würde. 
Der Verfasser entschuldige diese Abschweifung. 
Wir gestatten sie unS, »veil der Gedanke natür 
lich ist, ob in unseren ernsten Zeiten vaterländische 
Dinge nicht doch vielleicht noch ergreifender ge 
faßt werden könnten, als sie sich in diesem gut 
geschriebenen und von warmem Pulsschlage des 
Lebens erfüllten Schauspiele darbieten. 
yQ. Sammlung ausgewählter Biogra 
phien Basari's. Zum Gebrauche bei Vor 
lesungen. Herausgegeben von Carl Frey. 
Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. > 884— 1887. 
I. Vita dt Donato, Scultore Fiorentinoy 
scritta da Giorgio Vasari. 1884. ' " 
II. Le Vite di Michelangelo Buona^otji// 
scritte da Giorgio Vasari e da Ascanto' 
Condivi con aggiunte e note. 1887. 
III. Vita di Lorenzo Ghiberti, Scultore 
Fiorentinoj( scritta da Giorgio Vasari con i 
Comrnentarj' di Lorenzo Ghiberti e cou 
aggiunte e note. 1886. 
IV. Le Vite di Filippo Bmneüeschi, Scul 
tore 6 Architetto Fiorentino, scritte dt 
Giorgio Vasari e da Anoniiuo Autore con 
aggiunte, documenti e notj. 1887. 
Beim Studium der Neueren Kunstgeschichte 
sind zwei Wege einzuichlagcu: entweder inan hat 
die Absitzt, sich für die Bcamtenlaufbahn an 
öffentlichen Sammlungen (zvivie iiiu lut hcihrn.lt 
Smtükmdük ansznv-lven, ovcr man nimmt Knnst- 
hiftorie als eine ver verschiedenen Wissenschaften, 
die dem H storiker im Allgemeinen unentbehrlich 
sind. Der zukünftige Mnseumsvcamw wird gut 
thun, recht früh bei einer öffentlichen Sammlung 
oder bei einem unterrichteten Kunsthändler prak 
tisch arbeitend einzutreten; ver angehende Histo 
riker dagegen wird sich im Besuche von Vor 
lesungen, welche Professoren der Neueren Kunst 
geschichte auf Universitäten halten, dessen, waS 
auf dem Bereiche der speciellen Kunsthistorie 
mündlich minheilbar ist, zu bemächtigen haben. 
Natürlich wird auch der einstige Museums 
beamte fiimii An saf.iin fü'iiiiflfiriiifTm gut thun, 
jteinei kunsthistorische Vorlesungen zu hören, und 
auch der reine Kunsthistoriker den praktischen 
(technischen) Umgang mit Kunstwerken stets zu 
erstreben haben, - immer aber ist der Unterschied 
beider Ausbildungen streng im Auge zu behalten, 
und zwar deshalb nm so mehr, sie beide 
oft zum Schaden derer verwirrt werden, welche, 
indem sie einseitig die eine oder anlere zu ge 
winnen trachten, sich für beide gleichmäßig aus 
gerüstet wähnen. 
Bei den auf Universitäten der Neueren Kunst 
geschichte gtwidsnclen Vorlesungen spielt die Vor 
bereitung zur Lectüre der Schriftsteller, welche 
über das Leben der Künstler und ihre Werke 
berichten, eine bedeutende Kelle. In ihr wird 
dann zu dem bei Mettrpt sMpterigkren Studium 
in den Archiven übergegangen, wo die auf Kunst 
werke und Künstler d'ezügltchen Urkunden zu 
suchen, zu lesen und abzuschreiben sind. ES wäre 
unbillig, vom-Museumsbeamten zu verlangen, 
sich auf diesem Gebiete/zu Hause zu fühlen oder 
gar Ausgaben 7 solcher Stücke nach Philologischer 
Methode zu machen^'-- ' 
Der Heransgeber der vier Bücher, welche 
wir hier anzeigen^ gehört/als Professor der 
Neueren Knnstgeschtchte an der Berliner Uni- 
versitätf zu den reinen Kunsthistorikern und hat 
seine Lehrthätigkeit diesem Zweige des Geschichts 
studiums pLMlV lllA besonderer Betonung 
zugewandt, weil, worin wir ihm beistimmen, die 
ans den Universitäten zu haltenden kunstgeschicht 
lichen Vorlesungen im Gegensatze zu oen an 
anderen Instituten Ätl '^utienUeil^ mit Recht mehr 
populär zu haltenden Vorträgen, sich ptU Ms 
scharf innerhalb der ihnen durch den 
Begriff der Sache gesteckten Grenzen zu halten 
haben. Auszugehen ist hier nicht von der Be 
trachtung des Jrtnefrmt Kunstwerkes, sondern 
vom Inbegriffe der Neueren Geschichte und vom 
Quellenstudium. Erst wenn dafür eine feste 
Grundlage geschaffen, kann zur Anschauung! der 
Werke förtgeichritten wcrven, einem Theil de« 
öffentlichen Unterrichte-, der einem zahlreicheren 
Auditorium gegenüber sehr schwierig, ja fast un 
möglich ist. Denn man kann pkk^höchstens ein 
Dutzend Schüler vor ein Gemälde oder einen 
Stich so stellen, daß die Erklärung in wirklich 
fruhtbarer Weife jedem von ihnen zu Gute 
körn netz, und es ist etwas anderes, fünfzig oder ^ 
hundert Zuhörer kunsthistorisch/zü amüsiren, fivrr Lg- (TTl 
sie hkMWs so zu unterrichten, daß sie in Betreff ' ^ l 
des Gelernten zur Rechenschaft gezogen (examinirt) 
werden können. 
Weiteres über die Einrichtung dieser Edi 
tionen ist in der Deutschen Litteraturzeitung^ 
"Bi» mitgetheilt worden^das hier Ausge 
sprochene wurdesalS dem engeren Kreise der Ge 
lehrten bekannt, dort fortgelassen. Die Leser der 
Deutschen Rundschau haben auS dem Grunde 
sein ßWWWW» Interesse an diesen Büchern, als 
mancher von ihnen stkk LiW |üuj dürfte, auS 
eignen Kräften in die Lectüre der älteren ita 
lienischen Kunsthistoriker einzudringen. Auch für 
stille Studenten dieser Art sind die vorliegenden 
Ausgaben eingerichtet. Sie werden hier und da 
in um so höherem Grade willkommen sein/ als 
Ghiberti, BrunellesÄ und Donatello die Haüpt- 
vertretcr des Quattrocento sind, für das man 
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