Literarische Notizen.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
der Phototypie eines Briefes Rauch's und
mehrerer Stockätzungen. Berlin, F. Fontane.
1590.
Der erste Band, 162 Nummern enthaltend,
umfaßt die Briefe von 1829—1840. Man ver
steht unter Briefwechsel im höheren Sinne den
Austausch von Ideen und inneren Erlebnissen,
so daß gegenseitige Förderung und Wachsthum
der beiden Correspondenten durch- und aneinander
hervortritt. Aber auch Jahr auf Jahr dauernde,
abwechselnd gegebene Mittheilung der äußeren
Schicksale unter Bezeugung herzlicher Theilnahme
kann Briefwechsel benannt werden. Briefwechsel
dieser Art sind besonders erfreulich, wenn sie
die rein menschlichen Seiten von Männern ent
hüllen, die man bisher nur aus bedeutenden
Werken gekannt hat und deren bürgerliche und
häusliche Existenz uns nun freundlich entgegen
tritt. Mittheilung bis auf das geringste schrift
liche Zeichen, sowie Wiedergabe eigenthümlicher
Orthographie sind wohl geeignet, den Werth
derartiger gedruckter Correspondenzen für den
Historiker von Fach zu erhöhen. Das breitere
Publicum, dem heute von vielen Seiten viel
geboten wird, dürfte hin und wieder den Eingriff
auswählender Hand als willkommen empfinden.
Sollte ein derartiges Bedenken dem vor
liegenden Briefwechsel gegenüber ausgesprochen
werden, so frage man sich aber, ob nicht gerade
hier nothwendig war, jedes Blatt mitzutheilen.
Durch die Gewißheit, es sei nichts ausgelassen
worden, empfängt der Eindruck, den dieses Buch
hinterläßt, erst seine Bestätigung. Der Eindruck,
daß aus dem Verkehr der beiden bedeutendsten
Bildhauer der neuern Zeit eine Reinheit der
Gesinnung, ein Adel der Lebensanschauung, eine
Bescheidenheit sich und der Welt gegenüber uns
anweht, die etwas in hohem Grade menschlich
Wohlthuendes haben. Das pietätvolle Verhältniß
des Schülers zum Meister, dem er eine un
wandelbare Dankbarkeit widmet, des Meisters
zum Schiller, an dessen Emporkommen er Fretide
hat, tritt uns in voller Klarheit hier entgegen.
Die beiden großen Künstler haben keine Ge
heimnisse voreinander, die sie trennten. Rietschel's
freundlicher, milder, dankbarer Sinn, den wir
ja längst kennen, findet hier einen letzten Zu-
achs an Beweisstücken: Rauch's Wesen aber,
as sonst etwas Kaltes, der Hingebung Ent
behrendes hat, zeigt sich hier in natürlicher Güte.
ß/(f. Ter Porträtmaler Johann Kupetzky.
Sein Leben und seine Werke von Alexander
Nyari. Mit zwei Porträts. Wien, Pest,
Leipzig, A. Hartleben's Verlag. 1889.
Kupetzky ist einer der geschicktesten und ge
suchtesten Maler seiner Zeit gewesen, dessen
Gemälde uns heute noch erfreuen, wo wir ihnen
begegnen. Er entfaltete sein Talent zuerst in
Rom, wohin er nach mannigfachen, seltsamen
Schicksalen gelangte, erlebte in Wien dann, wo
er in die höchsten Kreise gelangte, eine Blüthe
zeit, die ein plötzliches wiederum seltsames Ende
nahm, und zog sich dann nach Nürnberg, wo
er gestorben ist. Unter der Herrschaft eines nach
Selbständigkeit verlangenden, rauh angelegten
Charakters, von Gemüth dagegen zart und
empfindlich, nimmt er in seinen 'persönlichen
j Erlebnissen unsere menschliche Theilnahme in
Anspruch. Er hatte eine schöne coquette Frau,
die ihm Kummer machte, und einen talentvollen,
schönen und liebenswürdigen Sohn, der ihm
im siebzehnten Jahre starb. Kupetzky genoß bis
zu seinem Tode hohen Ansehens, war mit Be
stellungen reich versehen und hinterließ ein be
deutendes Vermögen.
Alexander Nyari ist dem Meister als treuer
Historiker überall nachgegangen und hat sichtend
und sammelnd eine Biographie zusammengestellt,
für die von ihm ohne Zweifel Alles verwerthet
worden ist, was an Nachrichten und Actenstücken
aufzutreiben war. Ein Verzeichniß der Werke
beschließt die Arbeit. Was darin ausfällt, ist die
große Anzahl von Selbstbildern des Meisters, der
sich in den verschiedensten Attitüden und Klei
dungen dargestellt hat. Auch in Berlin besitzen wir
eins dieser Selbstbildnisse. Beigegeben sind dem
Buche ein höchst charakteristisches Porträt des
Fürsten Franz Rücöczy II. und eines des jungen
frühverstorbenen Kupetzky, der wie sein Vater
Johann hieß. Beide Werke lassen erkennen,
daß Kupetzky als Porträtmaler die Mittel seiner
Kunst beherrschte. Rucoczy's Bildniß zeigt
einen Mann, dessen Züge von der ungeheuren
Energie, die ihn beherrscht, wie durchmodellirt
sind. Die ungarische Geschichte der Tage, wo
österreichischer und türkischer Einfluß aus dem
Boden dieses Königreichs im Kampfe lagen,
besitzt in diesen: Porträt eine Illustration, die
jene gewaltsamen Zeiten überzeugend darstellt.
Gern hätten wir als dritte Reproduction noch
das Porträt Peter's des Großen gesehen, den
der Künstler in Karlsbad malte und zu dem er
in ein persönliches VerlMtniß trat, das seine
wie des Czaren Eigenthümlichkeit in scharfer
Beleuchtung zeigt. Die Partie, wo davon er
zählt wird, ist die interessanteste des Buches,
das zugleich einen guten Ueberblick des künst
lerischen Treibens in Ron: und Wien enthält,
zu den Zeitei: wo Kupetzky dort thätig war.
/. Lorenz von Westenrieder. Von A ug u st
Kluckhohn. Bamberg, Buchner'sche Verlags
buchhandlung. 1890.
Das vorliegende 12. Bändchen der „Baye
rischen Bibliothek" ist einem der vorzüglichsten
Männer gewidmet, welche der bayerische Stamm
hervorgebracht hat. Lorenz Westenrieder (geb.
1748, gest. 1829) steht als Geschichtschreiber
unmittelbar neben Aventinus, und als Volks-
schriftsteller hat er so Treffliches geleistet, daß
F. Roth sagen durfte: Bayern besitze an seinen
Werken einen Schatz, wie kaum ein anderes
deutsches Land einen auszuweisen habe, einen
Schatz, welcher ganz dem Lande angehörig, aus
der Zeit an sie gerichtet sei, aber nicht darauf
eingeschränkt, sondern geltend für eine lange
Zukunft, voll Lehre, Warnung, Rath, Aufmun
terung, Befestigung, Erhebung. Es ist ein
schlichtes, arbeitsvolles, schmerzenreiches, aber
gesegnetes Dasein, welches Professor Kluckhohn
vor uns entrollt. Westenrieder war Priester,
einige Jahre Lehrer der Dichtkunst am Gym
nasium München, Mitglied der 1789 gestifteten
Akademie der Wissenschaften, endlich Domcapi-
tular: immer und überall aber war er ein