Full text: Rezensionen von Herman Grimm in der Deutschen Rundschau (1881-1890)

Literarische Notizen. 
317 
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G 
der Phototypie eines Briefes Rauch's und 
mehrerer Stockätzungen. Berlin, F. Fontane. 
1590. 
Der erste Band, 162 Nummern enthaltend, 
umfaßt die Briefe von 1829—1840. Man ver 
steht unter Briefwechsel im höheren Sinne den 
Austausch von Ideen und inneren Erlebnissen, 
so daß gegenseitige Förderung und Wachsthum 
der beiden Correspondenten durch- und aneinander 
hervortritt. Aber auch Jahr auf Jahr dauernde, 
abwechselnd gegebene Mittheilung der äußeren 
Schicksale unter Bezeugung herzlicher Theilnahme 
kann Briefwechsel benannt werden. Briefwechsel 
dieser Art sind besonders erfreulich, wenn sie 
die rein menschlichen Seiten von Männern ent 
hüllen, die man bisher nur aus bedeutenden 
Werken gekannt hat und deren bürgerliche und 
häusliche Existenz uns nun freundlich entgegen 
tritt. Mittheilung bis auf das geringste schrift 
liche Zeichen, sowie Wiedergabe eigenthümlicher 
Orthographie sind wohl geeignet, den Werth 
derartiger gedruckter Correspondenzen für den 
Historiker von Fach zu erhöhen. Das breitere 
Publicum, dem heute von vielen Seiten viel 
geboten wird, dürfte hin und wieder den Eingriff 
auswählender Hand als willkommen empfinden. 
Sollte ein derartiges Bedenken dem vor 
liegenden Briefwechsel gegenüber ausgesprochen 
werden, so frage man sich aber, ob nicht gerade 
hier nothwendig war, jedes Blatt mitzutheilen. 
Durch die Gewißheit, es sei nichts ausgelassen 
worden, empfängt der Eindruck, den dieses Buch 
hinterläßt, erst seine Bestätigung. Der Eindruck, 
daß aus dem Verkehr der beiden bedeutendsten 
Bildhauer der neuern Zeit eine Reinheit der 
Gesinnung, ein Adel der Lebensanschauung, eine 
Bescheidenheit sich und der Welt gegenüber uns 
anweht, die etwas in hohem Grade menschlich 
Wohlthuendes haben. Das pietätvolle Verhältniß 
des Schülers zum Meister, dem er eine un 
wandelbare Dankbarkeit widmet, des Meisters 
zum Schiller, an dessen Emporkommen er Fretide 
hat, tritt uns in voller Klarheit hier entgegen. 
Die beiden großen Künstler haben keine Ge 
heimnisse voreinander, die sie trennten. Rietschel's 
freundlicher, milder, dankbarer Sinn, den wir 
ja längst kennen, findet hier einen letzten Zu- 
achs an Beweisstücken: Rauch's Wesen aber, 
as sonst etwas Kaltes, der Hingebung Ent 
behrendes hat, zeigt sich hier in natürlicher Güte. 
ß/(f. Ter Porträtmaler Johann Kupetzky. 
Sein Leben und seine Werke von Alexander 
Nyari. Mit zwei Porträts. Wien, Pest, 
Leipzig, A. Hartleben's Verlag. 1889. 
Kupetzky ist einer der geschicktesten und ge 
suchtesten Maler seiner Zeit gewesen, dessen 
Gemälde uns heute noch erfreuen, wo wir ihnen 
begegnen. Er entfaltete sein Talent zuerst in 
Rom, wohin er nach mannigfachen, seltsamen 
Schicksalen gelangte, erlebte in Wien dann, wo 
er in die höchsten Kreise gelangte, eine Blüthe 
zeit, die ein plötzliches wiederum seltsames Ende 
nahm, und zog sich dann nach Nürnberg, wo 
er gestorben ist. Unter der Herrschaft eines nach 
Selbständigkeit verlangenden, rauh angelegten 
Charakters, von Gemüth dagegen zart und 
empfindlich, nimmt er in seinen 'persönlichen 
j Erlebnissen unsere menschliche Theilnahme in 
Anspruch. Er hatte eine schöne coquette Frau, 
die ihm Kummer machte, und einen talentvollen, 
schönen und liebenswürdigen Sohn, der ihm 
im siebzehnten Jahre starb. Kupetzky genoß bis 
zu seinem Tode hohen Ansehens, war mit Be 
stellungen reich versehen und hinterließ ein be 
deutendes Vermögen. 
Alexander Nyari ist dem Meister als treuer 
Historiker überall nachgegangen und hat sichtend 
und sammelnd eine Biographie zusammengestellt, 
für die von ihm ohne Zweifel Alles verwerthet 
worden ist, was an Nachrichten und Actenstücken 
aufzutreiben war. Ein Verzeichniß der Werke 
beschließt die Arbeit. Was darin ausfällt, ist die 
große Anzahl von Selbstbildern des Meisters, der 
sich in den verschiedensten Attitüden und Klei 
dungen dargestellt hat. Auch in Berlin besitzen wir 
eins dieser Selbstbildnisse. Beigegeben sind dem 
Buche ein höchst charakteristisches Porträt des 
Fürsten Franz Rücöczy II. und eines des jungen 
frühverstorbenen Kupetzky, der wie sein Vater 
Johann hieß. Beide Werke lassen erkennen, 
daß Kupetzky als Porträtmaler die Mittel seiner 
Kunst beherrschte. Rucoczy's Bildniß zeigt 
einen Mann, dessen Züge von der ungeheuren 
Energie, die ihn beherrscht, wie durchmodellirt 
sind. Die ungarische Geschichte der Tage, wo 
österreichischer und türkischer Einfluß aus dem 
Boden dieses Königreichs im Kampfe lagen, 
besitzt in diesen: Porträt eine Illustration, die 
jene gewaltsamen Zeiten überzeugend darstellt. 
Gern hätten wir als dritte Reproduction noch 
das Porträt Peter's des Großen gesehen, den 
der Künstler in Karlsbad malte und zu dem er 
in ein persönliches VerlMtniß trat, das seine 
wie des Czaren Eigenthümlichkeit in scharfer 
Beleuchtung zeigt. Die Partie, wo davon er 
zählt wird, ist die interessanteste des Buches, 
das zugleich einen guten Ueberblick des künst 
lerischen Treibens in Ron: und Wien enthält, 
zu den Zeitei: wo Kupetzky dort thätig war. 
/. Lorenz von Westenrieder. Von A ug u st 
Kluckhohn. Bamberg, Buchner'sche Verlags 
buchhandlung. 1890. 
Das vorliegende 12. Bändchen der „Baye 
rischen Bibliothek" ist einem der vorzüglichsten 
Männer gewidmet, welche der bayerische Stamm 
hervorgebracht hat. Lorenz Westenrieder (geb. 
1748, gest. 1829) steht als Geschichtschreiber 
unmittelbar neben Aventinus, und als Volks- 
schriftsteller hat er so Treffliches geleistet, daß 
F. Roth sagen durfte: Bayern besitze an seinen 
Werken einen Schatz, wie kaum ein anderes 
deutsches Land einen auszuweisen habe, einen 
Schatz, welcher ganz dem Lande angehörig, aus 
der Zeit an sie gerichtet sei, aber nicht darauf 
eingeschränkt, sondern geltend für eine lange 
Zukunft, voll Lehre, Warnung, Rath, Aufmun 
terung, Befestigung, Erhebung. Es ist ein 
schlichtes, arbeitsvolles, schmerzenreiches, aber 
gesegnetes Dasein, welches Professor Kluckhohn 
vor uns entrollt. Westenrieder war Priester, 
einige Jahre Lehrer der Dichtkunst am Gym 
nasium München, Mitglied der 1789 gestifteten 
Akademie der Wissenschaften, endlich Domcapi- 
tular: immer und überall aber war er ein
	        
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