Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
ßyjf. l; lut in, ha vie et son oeuvre par
Felix Ri bey re. Lettre - preface d’Ale
xandre Dumas Fils, etc. Paris, Pion. 1884.
Der eigentliche Name des „Caricaturisten"
Cham war Amsdee Pointe de Noe. Als Comte
de Noe war er der Sohn eines Pair von Frank
reich, dessen Familie bis ins 13. Jahrhundert
zurückgeht und mit dem er als guter Sohn im
besten' Einvernehmen stand; als Cham gehörte
er zu denen, die ein Vierteljahrhundert lang den
Pariser Witz dirigiren halfen.
Die Aufgabe eines richtigen Biographen wird
unter allen Umständen die sein, seinen Helden
auf eine Anzahl allgemein verständlicher Eigen
schaften zu reduciren und diese dann mit viel
Detail recht anschaulich zu machen. Mr. Felix
Ribeyre gehörte zu Chams Kameradschaft und
sah in ihm vor allen Dingen den liebenswür
digen, gutmüthigen Freund, der alle Welt liebte,
den alle Welt liebte und den, als er starb, alle
Welt betrauerte. In diesem Sinne ist das Buch
mit etwa 3 bis 4 Mal soviel Worten geschrieben,
als nöthig waren, und würde nichts enthalten,
dessen man sich nach der Leetüre noch erinnerte,
hätte Alexander Dumas (der Jüngere natürlicher
weise) nicht in Gestalt einer Vorrede einen Brief
dazu geschrieben, der uns Cham interessanter und
zugleich lebendiger erscheinen läßt als das Buch
selber. Cham hatte gelegentlich eine Person ins
Haus genoinmen, die er nach langem Zusammen
leben zur legitimen Comtesse de Noe machte und
die sich nach seinem Tode selber den Tod ge
geben hat. Von dieser Frau handelt Dumas'
Brief. Niemand wird ihn lesen ohne in gewissem
Sinne erschüttert zu sein, wie man sich stets
fühlen wird, wo ein Stück Menschendasein in ab
soluter Wahrheit und Nacktheit uns entgegentritt.
Offenbar wäre über die Kräfte des Vers.
gegangen, das in seinem Buche zu geben, dessen
es bedurft hätte, um Cham's historische Stellung
zu präcisiren. Er besitzt eine. Die Caricaturen-
Zeichnung der Franzosen hat ihre Geschichte, inner
halb deren Cham ein bedeutendes Element ge
wesen ist. Da er mit seinen englischen College»
in Verbindung getreten war und sogar für Eng
land gearbeitet hatte, so war gerade er geeignet,
die Unterschiede in der Auffassung des Lächer
lichen hier und dort zu markiren. Außerdem
hätte der Inhalt dessen, was speciell er für
lächerlich hielt und womit gerade er zum Lachen
reizte, in Kategorien gebracht und gezeigt werden
können, wo der Franzose zu lachen wünscht und
wie er sich von den dazu angestellten Werkzeugen
dazu bringen läßt.
Cham war eine der Existenzen, die nur in
den ganz großen Städten emporkommen, ihre
Aufgabe ist, „den Tag dem Tage zu zeigen",
und ihre vornehmste Qualität die Unerschöpf-
lichkeit. Eine gute Caricatur muß wie ein tüch
tiger Rippenstoß treffen, ohne zu beleidigen, ein
Caricaturist muß von Allen gefürchtet, von Nie
mand aber gehaßt werden, sein Charakter muß
so sein, daß Jeder die innerste Ueberzeugung em
pfängt, mit einem liebenswürdigen harmlosen
Menschen in ihm zu thun zu haben. So läßt
Ribeyre den armen Cham erscheinen, arm, weil
er von Ansang an den Keim der Brustkrankheit
in sich trug, der er den 6. September 1879 er
legen ist. Das Buch schließt, wenn nicht mit
einem Aufrufe, so doch mit der Andeutung, ihm
ein Denkmal zu errichten.