aus : ?, 1890
itsy. Römische Herrschaft In Westeuropa.
Non Emil Hübner. Berlin, Wilhelm Hertz.
1890.
Nicht ein systematisches Gesammtwerk über
die Römerherrschaft in Westeuropa, sondern eine
Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen (deren
größerer Theil zuerst in dieser Zeischr'ift erschie
nen) gibt uns der Verfasser in die Hand. Her
vorgegangen aus langjährigen und tiefeingehen
den Studien, wenden sie sich doch „nicht nur an
die kleine Zahl der Mitforscher, sondern an den
weiten Kreis von Lesern, welche in der ge«
schichtlichen Erkenntniß ... die Grundlage aller
höhern Bildung sehen".
Dieser weitere Kreis wird mit besonderem
Genuß die Schilderungen der Landschaften lesen.
Hübner besitzt in hohem Maße die Gabe, mit
wenigen Blicken das Charakteristische einer
Gegend zu fassen und das Erfaßte mit wenigen
Worten so darzustellen, daß unsre Phantasie
Farben und Formen sieht. Der Aufsatz über
die Balearen z. B. ist Jedem, d:r das Mittel
meer mit seinen blauen Wogen und seinen
Strandfelsen befahren will, als Reiselektüre an-
zurathen und weckt dem Daheimbleibenden
Sehnsucht nach dem Schönsten, was Europa,
vielleicht die Erde, aufweist!
Bewundernswerth ist ferner die Gabe des
Verfassers, aus ein paar Fragmenten der Ueber---
lieferung: Mauerstücken oder Thonscherbew —
das verlorene Ganze zu reconstruiren. Und»
dieser Neubau geschieht jedesmal mit sorg
fältiger Berücksichtigung der Gegenwart und
ihrer Zustände. Es fehlt da nicht an den lehr
reichsten Vergleichungen, den interessantesten.
Gegenüberstellungen.
Wir sehen die Grenzwälle Britanniens und
Germaniens, die Stadtmauern zu Tarragona
und Citania sich erheben; wir hören von reli
giösen Gebräuchen und vom Kriegsdienst, von
spanischem Bergwerksbetrieb und von der Rhein-
schisffahrt im guten alten Mainz. Auf die ver
schiedensten politischen und socialen Verhältnisse
innerhalb der romanisirten Communen fallen.
Schlaglichter; ebenso auf die strategischen Einzel
heiten der Feldzüge in Britannien.
Daß Hübner's Buch für den Laien eine
leichte Lectüre sein wird, kann man nicht be
haupten; aber es ist vielleicht recht geeignet,,
einer größeren Anzahl von Lesern deutlich zu
machen, wie man aus den unscheinbarsten Ur
kunden geschichtliches Edelmetall schmilzt. Und
es ist möglicher Weise ganz nützliche wenn auch!
Nichthistoriker davon eine Ahnung bekommen.
Man hört in unseren Alterthümer-Sammllungeu
ein wenig oft den wohlfeilen Spott über das-.
Aufspeichern der .ollen Pötte".