Full text: Rezensionen von Herman Grimm in der Deutschen Rundschau (1881-1890)

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
Deutsche Rundschau. 
Hamburg thätig und hat als solcher, wie eben 
daselbst zu finden ist, schöne Erfolge erzielt. Sein 
Publicum, welches Stadt und Umgegend liefern 
und das „in stets unberechenbarer Mischung die 
wohlausgerüstcte und darum anspruchsvolle 
Hörerschaft bildet," wird in dem Buche wahr 
scheinlich das gern wiederfinden, was es bereits 
mündlich empfangen hatte. Ebenfalls in der 
Vorrede begegen wir der Klage: „Au der spröden 
Schulsprache der Fachmänner scheitert nur zu 
ofr der kuustfreundliche Sinn des Laien". Dem 
vorliegenden Buche wird wohl keiner seiner Leser 
diesen Borwurf machen. 
,u. v. Kunst und Gewerbe. Zeitschrift zur 
Förderung deutscher Kunst-Industrie. Heraus 
gegeben vom Bayrischen Gewerbemuseum zu 
Nürnberg. Red. von Dr. I. Stockb aner. 
Zwanzigster Jahrgang. Nürnberg, Verlags 
anstalt des Bayr. Gewerbemuseums. 1886. 
Die Aufgabe, welche diese Zeitschrift sich 
stellt, ist bekannt; wir registriren deshalb nur, 
daß auch dieser Jahrgang sie in vorzüglicher 
Weise löst. Die Auswahl des Mitgetheilten ist 
eine sorgfältige, die Darstellung solide, der 
Nutzen einleuchtend. Sei bei so entschiedener An 
erkennung doch erlaubt, Folgendes zu bemerken: 
S. 355 lesen wir: „Was nun die Menge der 
Production betrifft, so ist in der in Rede stehen 
den Periode wieder eine ganz entschiedene Hebung 
der Fabrication zu verzeichnen, während bezüglich 
des Stils und Geschmacks der Erzeugnisse nicht 
das Gleiche behauptet werden kann: weder durch 
Reinheit der Zeichnung, noch durch Harmonie 
des Colorits, am allerwenigsten aber durch Ver 
ständniß der decorativen Seite der Aufgabe 
zeichnen sich dieselben aus." Wenn statt dessen 
gesagt worden wäre: „Während dieser Periode 
steigt zwar die Fabrication, in Zeichnung, Co- 
lorit und Verständniß des eigentlich Decora 
tiven zeigt sich jedoch kein Fortschritt", so wür 
den diese 20 Worte ebensoviel enthalten als 
jene 60. 
C>. Erinnerungen an Gustav Nachtigal. 
Bon Dorothea Berlin. Mit einem 
Porträt Gustav Nachtigal's. Berlin, Gebrüder 
Paetcl. 1887. 
Man hat einen Theil dieser Erinnerungen 
bereits in der „Rundschau" mit Vergnügen ge 
lesen. Die Dame, der wir sie verdanken^ ist die 
Gattin des Jugend- und Universitätsfreundes, 
der vor Allen Nachtigal nahe gestanden hat. 
Frau Berlin kannte Nachtigal bereits aus den 
Erzählungen ihres Mannes; sie lernte ihn per 
sönlich kennen, als er im Jahre >868 von fei 
nem ersten Aufenthalt in Tunis nach Europa 
zurückkehrte und sie stand seitdem in ununter 
brochener Correspondcnz mit ihm. Dieses reiche 
Material, in der vorliegenden Buchausgabe noch 
vervollständigt durch Bkittheilungen und Briefe 
Nachtigal's au feine Mutter und Schwester, hat 
Frau Berlin mit feinem Verständniß benutzt, 
um uns ein ebenso treues als anziehendes Bild 
des unvergeßlichen Mannes zu geben, dessen 
allzu frühen Verlust die Wissenschaft und seine 
Freunde niemals aufhören werden zu beklagen. 
Man kaun sich nichts Liebenswürdigeres denken, 
als die Briefe Nachtigal's, deren wir eine ganze 
Reihe hier und ans seinen wichtigsten Lebens- 
.. X.. 
mm 
Momenten erhalten — in all seiner Natürlich 
keit, mit seinem ganzen Humor tritt er uns aus 
denselben entgegen, aber auch mit dem tiefen 
Ernst und der bewunderungswürdigen Energie, 
welche ihn in der Einsamkeit und den tausendfachen 
Gefahren der Wüste sieben Jahre lange aufrecht 
erhalten haben. Die wissenschaftliche Biographie 
des kühnen und erfolgreichen Entdeckers ist noch 
zu schreiben; aber seine menschliche Erscheinung, 
sein Herz und sein Charakter konnten nicht liebe 
voller dargestellt werden: so wie sein Portrait 
ihn uns zeigt, lebt er in diesen Blättern. 
<?. Geschichte von Hessen. Vom Tod Land 
graf Philipp's des jKroßmüthigen an, rc. Unter 
Zugrundelegung der Geschichte von Hessen von 
Dr. Christian Röth. Bearbeitet und bis 
zum Ende des Kurfürstenthums im Jahre 1886 
fortgesetzt von Carl von S t a m f o r d. 
Kassel. A. Freyschmidt. >886. 
Herr von Stamford, früher hessischer, dann 
seit der Annexion preußischer Offizier, zog sich, 
nachdem er den Krieg von 1870—71 in rühm 
licher Weise mitgemacht, in das Privatleben zu 
rück, um sich der heimathlichen Geschichtsforschung 
zu widmen, welche ihm (bisher namentlich in der 
»Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte 
und Landeskunde") manchen schätzbaren Beitrag 
verdankt. Auf Grund solch' umfassender Studien 
und gründlicher Kenntnisse ist die vorliegende 
Bearbeitung von Röth's „Geschichte von Hessen" 
erwachsen, welche jedoch durch Umfang und In 
halt das Recht aus eine gewisse Selbständigkeit 
erheben darf und ohne Zweifel durch wissenschaft 
lichere Behandlung das bedeutendere von den 
beiden Werken ist. Auch die größere Vollständig 
keit hat es vor jenem voraus: es führt bis zu 
jenem Zeitpunkt, von welchen: der Verfasser sagt: 
„beendigt, nicht vollendet liegt die Geschichte 
Hessens vor uns". Wer hört nicht den Ton 
der Wehmuth ans diesen Worten heraus, und 
wer würde ihn nicht natürlich finden? iDiit der 
dem Herzen des Kurhessen eigenen Zähigkeit und 
Treue hängt der Verfasser alt der Vergangenheit 
seines Vaterlandes, aber er wird darum nicht 
ungerecht; er sucht nichts zu beschönigen, und 
noch viel weniger stellt er sich auf den unfrucht 
baren Standpunkt der Renitenz. Er will vor 
Allem Historiker sein, und er verleugnet auch da 
die Würde desselben nicht, wo die Ereignisse noch 
so nahe stehen, daß —f wie er selbst eingesteht — 
das persönliche Empfinden sie, wenn auch uoch 
so leise, färben muß. Allein cs ist ein männliches 
Empfinden, von Gehässigkeit so frei wie vor 
Liebedienerei; ein Empfinden, mit welchem wi 
sympathisiren und welches, weit entfernt, de 
Werth seiner Darstellung zu verringern, ih: 
vielmehr für den Historiker, der nach ihm komme 
wird, erhöht. _ 
ye. Die Waldenser und die deutschen 
Bibelüberscver. Nebst Beiträgen zur Ge 
schichte der Reformation. Von Dr. Ludwig 
Keller, kgl. Staatsarchivar. Leipzig, S. 
Hirzel. 1886. 
Dr. Ludwig Keller hast im Jahr 1885 ein 
Buch: „Die Reformation und die älteren Reform 
parteien" erscheinen lassen, in welchen: er den 
Nachweis zu führen suchte, 7>aß es seit vielen 
Jahrhunderten in der Christenheit neben der 
—
	        
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