© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
/r
aus : Nationalzeitung, 1892, Mrz
Daß Goethe-Schiller-Tlrchiv zu Weimar.
^.'ure Vereinigung von Berliner Persönlichkeiten bat sich
z» einer „Litteratnrarchiv - Gesellschaft in Berlin" , znsammen-
gethan und deren Satzungen mitgetheilt. Man beabsichtigt die
Sichcrstelluim «nd wissenschaftliche Verwerthung dessen, was
Schriftsteller an Manuskripten hinterlassen haben. Ein
zelne Blätter oder ganze Massen dieser Papiere sollen erworben
uub ??'^"glich gemacht werden. Die Mittel sollen aus den
rsl ü? n £ el L Mitglieder fließen. Ein glücklicher Gedanke, zu
dessen Durchführung gewiß Viele die Hand reichen werden.
3ch zumal vermag die Bedeutung dieses Vorhabens zu
beurthetlen. ^ Nach dem Tode Jacob Grunm's ließen meine Ge
schwister mit mir den eichenen Schrank anfertigen, der als
unser Geschenks von der K. Landesbibliothek angenommen
wurde und der in ihr seinen Platz gefunden hat, um nach dem
Tode des letzten von uns Dreien mit jetnem Inhalte der
Bibli
stebens
?n den beinahe dreißig Jahren seines Be-
der „Grimm-Schrank" historische Existenz erworben.
Viele Briefe sind der in ihm geborgenen literarischen Schätze
wegen empfangen worden und auf keinen einzigen darunter
ist abschlägige Antwort erfolgt. Es wäre unmöglich gewesen,
diese Papiere, hätten wir sie in unserer Privatwohnung auf-
bewahren wollen, so in den Dienst des Publikums zu stellen,
als von der K. Bibliothek aus geschehen durfte.
Welch ein Vortheil nun, die Nachlässe anderer Gelehrten aus
stellen zu können, Papiere zu retten, die ohne die Fürsorge derer,
die ihren Werth erkennen, verzettelt vielleicht ihrem Untergang
entgegengingen. Die Verlegenheit ist groß bei Todesfällen, wo
der wissenschaftliche Hausstand des Gelehrten plötzlich aufgelöst
wird, paffende Unterkunft für ihn zu finden. Wieviel mag in
Kisten verpackt noch herumstehen, dessen die nächste Generation
bereits sich nicht mehr erinnern wird und daö heute noch ge
rettet werden kann.
So betrachtet ist das von der Berliner Gesellschaft Ge
wollte ein Natürliches, Nothwendiges, von den Verhältnissen
Gegebenes. Auch erscheinen die kurz und bündig zur Er
reichung ihres Zweckes in wenigen Paragraphen enthaltenen
Vorschläge rationell. Dennoch ist, was mir hier zu einigen Be
merkungen die Feder in die Hand giebt, wob! der Rede werth.
Es bezieht sich aus eine Wendung der ersten Nummer des ersten
Paragraphen, der in zwei Worten eine Unklarheit enthält, die
nachträglicher Erläuterung bedarf. Die betreffende Stelle lautet:
„Die Lilteraturarchiv-Gcsellschaft hat den Zweck: 1) Hand
schriften und Briefe deutscher Schriftsteller entweder als^ Eigen
thum zu erwerben oder als Deposita der Eigentbümer in Ver-
Wahrung zu nehmen, um sie der allgemeinen Benutzung zn-j
gänglich zu machen. Es soll damit eine Sammelstelle für die
deutsche Litteratur in ihrem weitesten Umfange eröffnet werden."
In ihrem weitesten Umfange also.
Bekannt ist ein in Weimar unter dem Namen Goethe-
Scbiller-Arcl'iv bestehendes Institut. Bekannt ist auch, wie cs
entstanden ist. Meine Absicht ist nicht, der Grohberzogin
Sophie von Sachsen, welche mit der Stiftung dieses Archives
ttird mit der damit zusammenhängenden Goethe-Ausgabe für
die deutsche Literatrir mehr gethan hat, als sich mit bloßen
Worten verdanken läßt. hier einen nachträglichen Tribut von
Lobeserhebungen darzubringen. Schon deshalb nicht, weil wir
Deutschen so zu unseren Fürsten und Fürstinnen stehen, daß, wenn
Seitens derselben in Dingen geistigen Werthes Beweise großartiger
Gesinnung gegeben werden, wir diese nicht behandeln, als seien
es unerwartete, ungeheures Staturen erregende Bethäti
gungen. Doch alles Geschehende hat ein gewisses historisches
'Durchschnittsmaß. Wenn spätere Geschichtsschreiber das zu er
wähnen haben werden, was von der Großherzogin Sophie von
Sachsen gethan worden ist und heute noch gethan wird, so
werden sie dessen als einer außerordentlichen Leistung zu ge
denken haben. Es handelt sich hier nicht allein um dargebotene
Geldmittel, sondern um den zielbewußten, energischen, sich Jahre
lang gleichbleibenden Willen einer Frau, deren Geburtöstätte
nicht einmal in Deutschland lag.
Daö in Weimar gegründete Goethe-Schiller-Archiv beruht