Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Kunstgeschichte, -ausstellungen und -sammlungen

Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 29 
aus 
: Nationalzeitung - Morgenausgabe,Nr.230 
1898,Apr.8, S. 1 
. rurk» Schiller-Archiv zu Weimar. 
Grimms an die Großherzogin Sophie 
von Sachsen 
(geb. 8. April 1824. gest. 23. März 1897). 
Durchlauchtigste Frau Großherzogin, 
Gnädigste Frau, 
Seine königliche Hoheit der Großherzog ermuntert mich, 
schriftlich zu wiederholen, was ich über das Goethe-Schiller- 
Archiv mündlich sagen durfte. Ick habe es vor einigen Wochen 
gesehen, als ich auf einen Tag in Weimar war. Der Eintretende 
empfindet sofort, welch' ernsten Zwecken das Haus geweiht ist, 
und jeder Schritt erhöht dieses Gefühl. Die beiden 
Männer, die in so reiner Machtfülle ihre Zeit beherrschten, 
haben hier den Palast empfangen, den Deutschland ihnen 
schuldete und den Euere königliche Hoheit aus eigner 
Entschließung erbaut haben. Deutsche Fürsten und Fürstinnen 
sind es gewesen, denen die beiden Männer im Leben 
für die glückliche Wendung ihrer irdischen Schicksale in hohem 
Maße verpflichtet waren, eilte deutsche Fürstin hat nun das 
Letzte für sie gethan. Ich sehe im Geiste diese Räume von 
Arbeitenden erfüllt, wie auch von Solchen, die nnr ein Gefühl 
der Ehrfurcht sie betreten läßt. Diese werden dantt auch die 
Inschrift verlangen, die dem Hause uoch fehlt und die ich hier 
nicht im Voraus anzusprechen habe. 
Das Goethe-Schillerarchiv erhebt sich wie eine Citadelle 
über die Stadt. Mag Weimar auch noch so breit einmal das 
Thal ausfüllen, immer wird dieser Bau die Häuser überragen. 
Immer werden Stille und Einsamkeit, die die Beschützerinnen 
geistiger Arbeit sind, hier walten. Die vornehme Einfachheit, 
die im Inneren überall mehr empfunden wird, als 
daß sie sichtbar hervorträte, wird iminer dieselbe bleiben: 
Pracht würde sich abnutzen, das einfache Weiß der 
Wände und der Einrichtung dagegen läßt sich in ursprüng- 
Ucker Frische stets erhalten. Ich denke mir Goethe diese 
Treppen emporsteigend, oder Schiller aus diesen Fenstern in die 
Bäume herabsehend: eilt wie freundliches Gefühl der Befrie 
digung würde sie erfüllt haben, wenn ihre Phantasie diese 
Wohnräume ihrer Schriften als etwas Zukünftiges ihnen vor 
gespiegelt hätte. 
Ich halte ein, um diese Zeilen nicht zu einem prosaischen 
Gedichte von unendlichen Reihen werden zu lassen. Deltn wer 
von Goethe und Schiller spricht, würde von allen steiftigen' 
Gütern sprechen müssen, die Deutschland theuer sind. Was ich 
hier geben will, sind nur die Gefühle eines Einzelnen, der das 
von Eurer königlichen Hoheit erbaute Haus zum ersten Male 
betrat, durchschritt und die Vortheile überdachte, die es als ein 
Institut ganz neuer Art für uns haben kaun. 
Hainstein, den 17. September 1896. 
Herman Grimm. 
Der Brief Herman Griinms ist aus der Hand der ver 
ewigten Frau Großherzogin in das Goethe- und Schiller-Arckiv 
gelangt. Sie war dankbar, wenn sie für ihr nationales Wirken 
das Einverständuiß der Besten fand. Hier war ihr ausgesprochen, 
was sie in der Stille mit sich selbst besprochen haben mochte. In 
den letzten Märztagen, als zur Erinnerung an die Begründerin 
eine Ausstellung der auf jenes Wirken bezüglichen Urkunden ver 
anstaltet war, haben Viele diese Seiten mit innerlicher Zustim 
mung, mit Rührung gelesen und ihre eigenen Empfindungen 
und Eindrücke darin wiedergefunden. So ward es mir ein 
Anliegen, sie jetzt wiederum zu einem Gedächtnihtage einem 
weiteren Kreise zugänglich zu machen. Die Verehrer der edlen 
Fürstin werden es Herman Grimm Dank wissen, daß er seine 
Zustimmung dazu nicht versagt hat. 
Weimar, 6. April 1898. 
B. Suphan.
	        
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