© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
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auf wie starken Widerwillen in einer deutschen Volksver
tretung der Versuch stößt, auf einem Umwege ein politisches
Ziel zu erreichen, an das auf dem graden Wege
nickt zu gelangen war. Auch der direkte Antrag
auf Abänderung der Verfassung im Sinne der
Einführung zweijähriger Etatsperioden wäre heute mit
Von Berlin nach Danzig.
Daniel Chodowiecki's Künstlerfahrt im Jahr 1773.
(Berlin, Amsler u. Ruthardt, 1882.)
Wir verdanken der Photographie, mit dem intimsten
Schaffen der Künstler bekannt zu werden. Die Handzeichnungen
sind die eigentlichen Personalakten der Künstler. Was mühsame
und kostbare Facsimiles früher niemals völlig geleistet haben,
bringt der Photograph mit den heutigen Mitteln leicht und
billig zu Wege. Für eine halbe Lire ä Blatt kauft man in
Italien Nachbildungen der höchsten Mersterwerke. In Deutsch
land wurde bisher gezögert, auf diese Preise einzugehen, aber
es scheint, als foUtcu auch bei uns die hohen Preise end
lich aufgegeben werden: für dreißig Mark werden jetzt 108
Lichtdrucke von Zeichnungen Chodowiecki's angeboten, sammt
Mappe und Karton und Titel und Vorrede, und dem Publikum
damit wirklich fast ein Geschenk gemacht, während trotzdem
zugleich, wie wir hoffen, der Verleger nicht ohne Vortheil
bleibt. Die kgl. Akademie der Künste in Berlin bewahrte
Chodowiecki's Blätter, auf denen er, als Illustrationen eines
französisch geführten Reise - Journals, die Abenteuer
erzählt, die er auf einer 1773 von Berlin aus nach
seiner Vaterstadt Danzig unternommenen Reise gehabt hat.
Zu Pferde machte er sich den 3. Juni auf. Das erste Blatt
zeigt den betrübten Abschied von den Seinigen, das zweite
wie er mit einem Pferde nach FreienwaHe transportirenden
Reitknechte, dem er sich angeschlossen hat, über die vater
ländische Ebene dahinreitet, das dritte wie er bei Freien
walde auf einer Fähre über die Oder gesetzt wird (ein, wenn
auch einfaches, doch reizendes Landfchäftchen); das vierte wie
er in Pyritz sein Pferd beschlagen läßt, während ein preußi
scher Hauptmann ihm zuredet, den Gaul, den er herunter
macht, gegen einen für seine Zwecke geeigneteren einzutauschen,
und so weiter: es ist ein Genuß eigenthümlicher Art, die mit
zarter Feder und ricktig treffender Sicherheit gezeichneten
Blätter eines nach dem andern umzulegen. Die bürgerliche Ruhe
der längstvergangenen Jahre kommt uns wie ein sanfter
Athem daraus entgegen. Wir sehen, wie bescheiden, kahl und
still es dantals hier zu Lande noch zuging. Wir erleben die
Dinge mit, wünschen sie wahrhaftig nicht zurück, aber em
pfinden das Wohlthuende lebhaft, das in ihnen lag, fast als
beneideten wir diese Vergangenheit um manches, was sie in
sieh schloß, und scheiden von dem letzten Blatte mit dein
Gefühl, etwas kennen gelernt zu haben, das als ein treuer
und liebenswürdiger Spiegel seiner Zeit betrachtet werden
dürfe. Denn das Beschränkte, Kleine dieser Erlebnisse und
ytivt|u
und Hob recht zu antworten, für die heutige Sitzung MN
so vollständiger zur Fortsetzung dieser Fehde ausgerüstet
worden: er hatte das Hobrecht'sche Votum selbst vor sich
liegen und bot, allerdings in nicht geradezu bindender
Weise, die Vorlesung desselben an. Die Wort
führer der entschiedenen Opposition, die Herren Hänel und
der Art ihrer Darstellung entspricht durchaus dem Durch
schnittscharakter des deutschen Lebens von vor 100 Jahren.
Chodowiecki führt uns ein in das vom großen Friedrich
geschaffene und regierte Preußen; die Gestalten, denen wir
da begegnen, lassen einen Theil des damaligen Publikums
vor uns vorüberziehen, und was die vorliegenden Zeichnungen,
von denen vorzugsweise diesmal die Rede ist, innerhalb ihres
beschränkten Horizontes nicht leisten, gewähren die auf viele
Hunderte sich belaufenden anderweitigen Blätter des Künstlers,
in denen er kleine Ausschnitte des Fridericianischen Daseins
stets gleich lebendig und gleich unbefangen kopirt hat. Diese
Figuren treten uns vor die Augen wie die unzähligen
Haupt- und NebenakteurS einer ganz Preußen umfassenden
bürgerlichen Sittenkomödie. Alle, selbst die Vornehmsten,
haben etwas Schlichtes, Einfaches, bürgerlich Gemäßigtes.
Die stärfften Affekte halten sich in den Grenzen mit der
Muttermilch eingesogener A.istandsregeln, an deren Gültigkeit
wie an die der Religion selber geglaubt wurde. Gesittung,
Ruhe, Zufriedenheit, Wohlanständigkeit, Begnügsamkeit sind
die Gipfel des moralischen Gebirges, das der Einzelne zu er
klimmen trachtet, und mit dem Kultus der Gegenwart, dem
diese Anschauung entsprang war eine so beträchtliche Un-
bekümmertlfeit in Betreff der Vergangenheit und eine so
sichere Hoffnung auf günstige Fortgestaltung der Zukunft ver
bunden, daß man diese beiden Elemente in Gedanken ruhig
aus sich beruhen ließ. Die eigene Zeit, die als die best
mögliche galt, war der Kultur der Gebildeten geweiht.
In ihr sich wohlzufühlen, das Geschäft, bei dem sie alle ein
ander friedfertig in die Hände arbeiteten. Man sehe das
kleine Bild, wie Chodowiecki, nach langem Ritte ermüdet,
Abends in einer Dorfschenke eingetroffen, endlich, eine Streu
unter sich und den Kopf auf seinemMautelsacke, eingeschlafen
ist. Da, in der Nacht, erscheinen zwei Herren in der Gast
stube, welche drei bis vier musizirende Kerls bei sich haben.
Unbekümmert um den Schläfer lassen sie aufspielen und be
ginnen beim Scheine eines einzigen Talglichtes gravitätisch
ein Mennet zu tanzen. Das Bildchen könnte als Motto des
Jahrhunderts gekommen werden, in dem es entstanden ist.
Dies führt mich nun etwas weiter.
Zu der von Friedrich Wilhelm IV. unternommenen Her
ausgabe der WerkeFriedrich des Großen waren ihrer Zeit von
Adolf Menzel eine Reihe von Illustrationen gezeichnet wor
den, die zu dem Besten gehören, was diesem unerschöpflichen
Künstler verdankt wird. Nur wenig Exemplare, die wiederum
in die Hände nur Weniger gelangten, sind von den nach diesen
als dieser sich nam>^vor sem-^, h it r .
Monopol erklärt ha. Le Der diesmalige Vorgang ist , &
noch auffallender, weil beim Mangel jedes erkennbarer- wreder
Interest es an einer solchen Berufung auf vertrau!^ °
Handlungen, zugleich jede Provokation seitens £
Hobrecht fehlte; er hatte, bis Herr Scholz am Siriversitä^^^
Zeichnungen ausgeführten vorzüglichen Holzschnitteiblatt^ ^
bekannt gewesen: endlich nun ist die Erlaubniß erll'^^x>
den, von den im königl. Museum lagernden Stören rwue
Abzüge machen zu dürfen, und heute ist Jeder im Stande,
mit geringen Mitteln den gesammten Darstellungsschatz zu
erwerben. Auch versetzt uns Menzel in das preußische Dasein,
wie cs unter Friedrich dem Großen sich gestaltete. Durch
eine wie andere Thüre aber treten wir Per ein und wie
anders muthet es uns an.
Vergleichen wir, was aus den Händen vaterländischer
Künstler zur Jllustrirung Friedrichs und seiner Zeit geschehen
sei, so sehen wir mit des Königs Tode die künstlerische
Darstellung seiner Thaten stocken und bald abschließen. Noch
Carstens hat die Schlacht von Roßbach im Sinne der klassi
schen Bataiüentablenus gezeichnet: ins neue Jahr
hundert hinein aber erstrecken sich derartige Versuche nicht
mehr. Den König selber im Denkmal so darzustellen, wie
Ranch's Statue ihn bietet, wäre vor den Tagen Friedrich
Wilhelm's IV. Niemanden in den Sinn gekommen. Zielens
Statue und die des alten Dessauers standen viele Jahre als
einsame Merkwürdigkeiten da und erweckten keine Nachfolge.
Menzel selbst hatte in seinen, in den dreißiger Jahren erschie
nenen, von ihm selbst lithographirten Darstellungen aus der
vaterländischen Geschichte noch nicht den rechten Ton ge
troffen. Erst in den Illustrationen zu Kugler's Geschichte
Friedrich's zeigt er die Hand, die von da ab nicht müde
geworden ist, ihre Gaben zu spenden. Menzel ist es ge
wesen, der Friedrichs Jahrhundert und den großen König
mitten drin künstlerisch frisch geschaffen hat. Heute sind uns,
deren Augen an Menzels Auffassung sich völlig gewöhnt
haben, die Ereignisse der glorreichen Kriege des vorigen Jahr
hunderts im Kostüme der Zeit so geläufig, als hätten wir
diese Truppen selber noch so marschiren sehen. Was oben
in den Schlöffern bis niedrigsten Bürgerhäusern herab vor
ging, schließt sich in überzeugender Lebendigkeit dieser Dar
stellung der kriegerischen Ereignisse an: wir sühlen uns, unab
hängig bereits von Menzel's einzelnen Arbeiten, die uns in
Fleisch und Blut übergegangen sind, mit der Phantasie so
durchaus en pays de connaissance dem Zeitalter Friedrichs
gegenüber, daß an der realen Kenntniß seines gesammten
Inhalts nichts zu fehlen scheint. Wir wissen ja, wie sorg
fältig Menzel studirt, in welchem Maße echte Ueberbleibsel
jeder Art ihm zu Gebote standen. Wir nehmen, was er uns
vor die Augen bringt, als sei es ein Spiegelbild der ver
gangenen Tage selber.