Full text: Zeitungsausschnitt über Hermann Scherer

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 23 
aus : Erstes Beiblatt zur Nationalzeitung 
Nr.3^7, 1900,Jun.7, S.2 
Lokales. 
.tl dem bereits gemeldeten tödtlichen Absturz des 
Studenten Hermann Scherer aus Berlin, der am Psingst- 
sonntM M Kaisergebirge (Tirol) verunglückt ist, erhalten wir 
solMde Zuschrift: 
Theilnehmenden Freunden 
uae ich tiefbewegt zur Nachricht, dah mein Mündel und 
enkiud Hermann Scherer, Sohn des unvergeßlichen Wil- 
m Scherer, plötzlich ans diesern Leben abberufen worden ist. 
erste Mittag empfing ich folgendes Telegramm der Mutter: 
„Hermann abgestürzt. Todt. Mie (Marie, die Tochter) 
und ich heute angekommen. Mein Schwager mir treu zur 
Seite. Beerdigung hier morgen an schönem Platz." 
Hermann hatte als Schüler des Joachimsthalschen Gym 
nasiums fein Maturitätsexamen eben bestanden rutd sich nach 
München begeben, um dort zunächst fein Jahr abzudienen. Seine 
Studien wollte er der englischen Sprache zuwenden. Er war 
ein kräftiger, hoher, blonder Jüngling und hat feiner Mutter, 
die er, wie seine Schwester, zärtlich liebte, nie Kummer gemacht. 
Nach München wandte er sich ztterst, weil dort der Bruder seines 
seligen Vaters als angesehener Maler lebt. Dort auch liegt 
feine Großmutter begraben, eine vorzügliche Frau, von allen 
freunden Wilhelms verehrt, dem sie bis zu dessen Verheirathung 
Per das Hauswesen verwaltete. 
Liebe und Verehrung vieler Freunde werden Hermanns 
Mutter auch jetzt den schweren Schlag überwinden helfen. 
Berlin, den 6. Juni 1900. Herman Grimm. 
Näheres über den Unglücksfall wird den „Münch. N. N." 
aus Kuffstein gemeldet: Am Pfingstsonntag wanderte eine aus 
vier Studenten der Münchener Universität bestehende Gesellschaft 
tn das Kaiserthal, um am Treffauer Kaiser ihre Kräfte zu 
erproben. Einer der Theilnehmer der Gesellschaft war Hermann 
Scherer. Von Bärnstatt aus wurde der Anstieg begonnen, di" 
Wanderung ging über das Tuxeck zum Treffauer Kaiser empor, 
den Rückweg beschloß man, über die Nordwand zum Hinterbarnbad 
zu nehmen. Waren die Verhältniffe bei Beginn des Anstieges auch 
sehr günstige, so bot beim Abstieg die große noch lagernde Schnee- 
maffe immer größere Hindernisse, die zur Bewältigung einen be 
deutenderen Zeitaufwand erforderten, als man ursprünglich erwartet 
hatte. So kam es, daß die Nacht bereits angebrochen war, als dte 
Gesellschaft zum letzten Absatz kam, der zum oberen Scharliuger 
Boden abfällt. Es war halb 9 Uhr geworden, als sich Herr 
Scherer trotz der Warnung seiner Gefährten anschickte, eine 
steile Schneerinne fitzend niederzufahren. Wenige Augenblicke 
später war daS Unglück geschehen. Der Unglückliche ver 
mochte die Richtung nicht einzuhalten, wurde seitlich abgedrängt, 
glitt über den Felsen und stürzte über die Schroffen ^ des 
Absatzes hinab. Sein Tod erfolgte augenblicklich, die spätere 
Untersuchung ergab, außer einigen Verletzungen an den Knieen, 
vier tödtliche Verletzungen an der Schädelbecke. Die Gefährten des 
Verunglückten befanden fich in der schwierigsten Situation, die 
hereingebrochene Nacht zwang sie, bis znm grauenden Morgen des 
Pfingstmontags an der Unglücksstätte auszuharren. Um 5 Uhr 
Morgens kamen sie im Hinterbärnbad an, wo sofort die nöthigen 
Vorkehrungen zur Bergung der Leiche getroffen wurden. In kurzer 
Frist brach eine Gesellschaft nach der Unglücksstätte auf, von wo 
sie die Leiche unter großen Schwierigkeiten zu Thal in daS Hinter- 
bärnbad brachten. 1
	        

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