© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 17
Clemens Brentano und Ferdinand Freiligrath.
Von
ilhelm Büchner.
it der Ausarbeitung einer
auf der Mittheilung umfas
senden brieflichen Materia
les beruhenden Biographie
Ferdinand Freiligrath's be
schäftigt, erhielt ich von der
Wittwe des Dichters, welche mir zu diesem
Zwecke Freiligrath's hinterlassene Papiere
anvertraute, auch einen höchst merkwürdi
gen Brief Clemens Brentano's; derselbe ist
in der That so eigenthümlich, daß er auch
gelöst aus dem Rahmen einer Biographie
Mittheilung verdient und Interesse erweckt.
Im Frühling 1838 hatte Freiligrath
die erste Sammlung seiner Gedichte er
scheinen lassen. Schon vorher waren
einzelne derselben, Meteoren gleich an
glänzender blitzartiger Wirkung, hier und
dort, im Berliner Musenalmanach, im
Morgenblatt, in verschollenen Wochen
blättern und Taschenbüchern, erschienen;
jetzt ging dieser duftende, farbenglühende
Strauß von Poesie, völlig eigenartig,
durch die darin sich aussprechende elemen
tare Dichterkraft unwiderstehlich wirksam,
in die Welt hinaus und gab dem bis da
hin nur Einzelnen bekannten Dichter ur
plötzlich eine ganz Deutschland umfassende
Berühmtheit. Der kaufmännische Beruf,
zu dem er durch die Verhältnisse hinge
führt worden, genügte ihm längst nicht
mehr; er fand in der rauschenden Begeiste
rung, welche ihm nach dem Erscheinen
seiner Gedichte entgegenkam, in dem un
erwartet glänzenden finanziellen Erträg
nisse dieser ersten größeren Veröffentlichung
die Aufforderung, fortan die kaufmännische
Laufbahn zu verlassen und zu versuchen,
ob es ihm gelinge, als freier Mann ledig
lich durch den Ertrag seiner Dichtcrthätig-
keit sich eine Existenz zu begründen. Aller
dings ein gewagtes Unternehmen für einen
Dichter, dessen ausschließlich lyrische oder
lyrisch-epische Richtung einer Massenpro-
duction geradeaus widersprach, der im
Drama, im Roman bisher sich nicht ver
sucht hatte und auf seine einzige novelli
stische Jugendarbeit mit Achselzucken her
absah, einen Dichter, dessen Freiheitssinn
zugleich einer jeden journalistischen Tage
löhnerei durchaus unfähig war. Indeß
Freiligrath wagte es; er fand auch sieben
Jahre später die Kraft, den ausschließ
lichen Dienst der Musen wieder zu ver
lassen und in das Fahrwasser kaufmänni
scher Erwerbsthätigkeit zurückzulenken.
Zunächst freilich gab er im Frühling
1839 die Commisstelle, welche er ans
zwei Jahre in Barmen übernommen, auf;
er durchwanderte mit seinem Freunde, .dem
Maler Schlickum, sein westfälisches Hei-
mathland, Studien für das beabsichtigte
Werk über das malerische und romantische
Westfalen zu machen; er zog dann als
fröhlicher Wandersmann mit leichtem Ge
päck rheinanf, sich irgendwo ein behagliches
Fleckchen zu suchen, wo er arbeiten und
dichten könnte. Er fand es in dem an-
muthigen Unkel; wenn er zum Fenster
hinausschaute, sah er zur Rechten rheinab
den Drachenfels und den Rolandsbogen,
zur Linken Remagen, über dem gerade
danials die schöne Apollinariskirche er
stand; gegenüber jenseits des mächtigen