© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
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ihn nicht zu. Haus, er hat über Kräfte viel zu thun.
Könnten Sie dann wegen dem Rbzug der 100 fl
nicht schriftlich einkommen. Kann ich Ihnen etwas
besorgen so geschiehts von Kerzen gern?
Ts scheint mir unklug daß der Heid'') nach Rme-
rica gezogen ist er ist zu alt um dort sein Geschäft
°) Töpfer 0 annes Heid; hatte Grimms treue Hausmagd
Marie geheiratet. 1815 hatte ihn L. Grimm gezeichnet und
radiert. (Radierung in der heimatfammlung.)
mit Kraft anzufangen, er hätte so ordentlich leben
u. in seinem Geschäft fleisig seyn sollen wie unser
Gläschen, Meinen Gruß an letzteres. In 14 Tagen
fängt der neue Landtag wieder an, man wird dann
sehn wie es gehn wird. Man sagt die Landstände
würden nicht nachgeben, die Regierung wird es aber
noch weniger thun, wir wollen es abwarten u. vorerst
das Veste hoffen. (28. Rpril 1833).
(Fortsetzung folgt)
Der woyttäter Salmünsters
von ED. praefent
Was mein für andere
chlüchterns unvergessener Wohltäter ist der
Yy Bäckermeister I. I. Weitzel, der 1831 vom
fernen Rmsterdam aus seine Vaterstadt mit
reichen Gaben bedachte „zu aller wohl für Zeit und
Ewigkeit"; die Stabt 5 teinau hat lange davor
schon ihren volksfreund gehabt, den edlen Rmtmann
Kaspar Rudolf von Welsberg, kein Lohn
der Stadt, aber nun in ihrer Erde ruhend, der 1614
„nicht aus Ruhm oder Ghrgeizigkeit, sondern aus
lauter christlicher milder Bewegung" sein vermögen
den „Rrmen, Elenden und Notdürftigen" hinterließ —
und nun ist auch der Stadt Salmünster ein Kind
der Heimat zum Segen geworden. Dort unten im
Kinzigtale wächst eben die neue Volksschule, Heim
stätte für eines Volkes bestes Gut, in die höhe, ein
Bau, der den Namen eines Salmünsterers im Städt
chen und darüber hinaus von Geschlecht zu Geschlecht
fortleben lassen wird. Dankbar, freudig und stolz
nennt ihn das Städtchen und getreue, neidlose Nach
barn mit ihm: Heinrich Harnischs ege r. Der
großdenkende Helfer verdient es, daß wir den Hut
vor ihm ziehen und der weiteren Heimat von seinem
Leben und helfen erzählen.
Heinrich harnischseger wurde am 10. Iuli
1855 in Salmünster geboren. Sein Vater war
der Gerber und Landwirt Konstantin harnischseger,'
die Mutter hieß Thristina, geb. Rdrian. Die Familie
(Heinrich hatte noch zwei ältere Geschwister Iohann
und Maria) bewohnte das Häuslein Nr. 143- Heinrich
verlebte seine Iugendzeit wie alle anderen Buben im
Städtchen auch: er mußte daheim tüchtig mit an
packen, ging in die Volksschule im Rathaus, und da
seine Heimat alles hat, was ein Bubenherz erfreut,
Turm und Mauer, Wasser, wiese, Wald und — Gbst-
bäume, so fand sich auch noch ein wenig Zeit, diese
ländlichen Herrlichkeiten auszunutzen. Unter seinen
Lehrern waren Grdensleute des heiligen Franziskus,'
in ihrem freundlichen Kloster verlebte der Knabe
schöne Ferientage, und das ganze klösterliche Leben
in Gotteshaus, Garten und Feld hatte es ihm so
angetan, daß er, dreizehnjährig aus der Schule ent
lassen, lange den geheimen Wunsch in sich trug,
ein Mönch zu werden.
Tin Schneider, der im Oberstock des Gerberhauses
zur Miete saß, suchte ihn für den Schneidertisch zu
gewinnen,' aber da war es ein Pater, der lächelnd
abriet und dem starken Iungen dafür das kräftigere
Schlosserhandwerk empfahl.
Heinrich harnischseger kam nach Orb zu einem
Schlossermeister in die Lehre. Elm deutlichsten ist ihm
übrig hat, das ist der eigentliche Lebensertrag. 5lnders
aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben, wie er bei
der samstäglichen Heimkehr nach Salmünster stets
einen zunftgemäßen Lehrjungenhunger mitbrachte,
denn das Sonntagspaket reichte, obwohl es die Mut
ter gefüllt hatte, jedesmal nur für die halbe Woche
aus. Noch ehe die 3 Iahre Lehrzeit herum waren,
reiste er mit dem Zeugnis in der Tasche nach Fulda.
Dort arbeitete er in der Lisenbahn-Reparaturwerk-
stätte und danach als Geselle bei einem Schlosser
in der Stadt. 1872 wanderten sechs junge Salmün-
sterer nach den vereinigten Staaten aus,' der unter
nehmungslustige und arbeitsfreudige Geselle schloß
sich ihnen an. Das Geld zur Ueberfahrt hatte er mit
Mühe und Not zusammen gebracht.
Rm 9. Rpril 1872 ging er in Tastle Gardens New
pork an Land. Lin Vetter M. habig nahm ihn in
seine Bäckerei auf und verschaffte ihm bald Rrbeit
in der Singer-Nähmaschinenfabrik' im herbst wurde
er wegen schlechten Geschäftsganges mit andern ent
lassen, fand aber als Werkzeugmacher wieder Be
schäftigung. Seine Beharrlichkeit wurde im fremden
Lande gleich hart auf die probe gestellt,' eine Geld
krise machte die Rrbeitsverhältnisse so unsicher, daß
er kurz hintereinander noch dreimal die Rrbeits-
stätte zu wechseln gezwungen war, in Brooklyn auck
einmal als Kellner sich das tägliche Brot verdienen
mußte, ehe er einen sichern Platz fand. Ls war die
Singer-Tompany, die inzwischen nach Elizabethsport
N. I. übergesiedelt war, in deren Dienst er 8 Iahre
lang blieb. Lr hatte als Werkzeugmacher einen Wo
chenlohn von 12 Dollars. In dieser Zeit baute er die
erste automatische Schraubenmaschine. Seine Erfah
rungen nahmen zu, er vervollkommnete seine Sprach-
Kenntnisse, turnte im verein „vorwärts" und besuchte
die Klasse für technische Wissenschaften, die ein deut
scher Freund eröffnet hatte.
Lin Malariafieber brachte ihn für einige Zeit, wie
er sich bezeichnend ausgedrückt hat, „in schlechte Ver
fassung". RIs ihn 1881 Freunde nach Milwaukee
riefen, hatte er doppelte Ursache zu folgen: der Rrzt
hatte ihm geraten, nach dem Westen zu gehen, und
sein neuer Posten als Meister in der Fabrik der
whitehill Lompany war eine Verbesserung. 1884
ergab sich eine Gelegenheit zu einem eigenen Unter
nehmen. Lin Modellschreiner Rlonzo pawling aus
Thicago hatte in Milwaukee eine Fabrik gegründet
und suchte einen Teilhaber. Henry harnischseger,
damals 29 Iahre alt, nahm sein Rnerbieten an,
und sie gründeten zusammen eine Gesellschaft „paw
ling und Harnischseger" am 1. Dezember 1884- Rm
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9. Dezember (!) hatten sie auf gepachtetem Boden
schon ein neues einstöckiges Gebäude aus Eisenschienen
und Brettern errichtet (26 mal 50 Fuß) und bezogen
es während eines gewaltigen Schneesturmes. Ieden
Morgen mußten sie ihre kleine Dampfmaschine auf
tauen,' die eisigen Werkzeuge hafteten ihnen an den
Fingern, mittags wenn der einzige Ofen richtig im
Gang war, begann alles Eisen zu schwitzen und zu
rosten,' das flache Vach ihrer Notfabrik mußte nach
jedem Schneefall und Sturm abgeschaufelt werden,
damit es nicht einbrach — die beiden jungen Männer
kannten nichts anderes als ihre Rrbeit und be
zwangen alle widerstände. Der sparsame Deutsche
schaffte für seine ersparten 2 500 Dollars Maschinen
werkzeuge an. Ihre ersten Hilfsmittel, Fräs-, Hobel-,
Heinrich eiarmschseger
Bohrmaschine und zwei Drehbänke, liebten sie wie
Kameraden und waren stolz auf sie. Sie bauten und
reparierten Strickmaschinen, Dampfklappenventile,
Wasserpumpen, Sägespindeln, Wellen, Riemenscheiben,
Stempelpressen usw. Line^ Feilhaumaschine war ihr
erster größerer Ruftrag. Zunächst beschäftigten sie 9
Rrbeiter, dann errichteten sie eine eigene Gießerei
und stockten ihre Fabrik auf. Die Rusträge mehrten
sich,' der versand dehnte sich mit der Zeit bis nach
Europa aus,' lohnende Verbindungen wurden einge
gangen,' patente erworben, Verbesserungen, neue
Verfahren und eigene Erfindungen verwertet,' mit
großzügiger kaufmännischer Umsicht und Ueber
sicht verband sich der vom Handwerk her im Blute
gebliebene Stolz, Oualitätsware zu liefern — Ge
winn und Ruf waren gleich wichtig, wurden nicht
vom Glücksfall erwartet, sondern selbst errungen.
Ein zäher Kampf war es — Gold lag auch damals
in Rmerika nicht auf der Straße — mit stählerner
Energie wurden Krisen und Unglücksfälle (u. a.
eine Feuersbrunst 1903) überwunden. Iahr für Iahr
wuchs die Rnlage — und heute, nach 46 Iahren, er
hebt sich in Milwaukee mit Werkhallen, Ver
suchsräumen, Lagerhäusern, Schreibstuben, Zeichen-
Lfeimat GOOHOOEHStzEHOOEEEOWtzSOE-H Leite 169
säten, Kantinen usw. die modern eingerichtete Riesen
fabrik der h. harnischseger T o r p o r a t i o n,
in der elektrische Laufkrane, Bagger, Drainagemaschi
nen und andere Ungeheuer an Kraft, Kompliziertheit
und Präzision erbaut werden. 2 500 Rrbeitern und
Eingestellten, also bald doppelt soviel Menschen wie in
Salmünster wohnen, gibt sie Brot,' ihre Erzeugnisse
gehen in alle Welt.
Das ist gewiß eine besondere Laufbahn! Bewunde
rungswürdiger als di; straffe Zielstrebigkeit dieses rast
losen Rrbeiters, der heute mit 75 Iahren tagtäglich
noch im Präsidentenbüro der Gesellschaft zu finden
ist, als dieser einzigartige Erfolg eines Mannes aus
dem Volke ist es, daß er sein herz von Rrbeit und
Maschinen nicht verschlingen ließ. Der größte Ertrag
Maria Vsarnischfeger ged. Kauwerh
seines Lebens ist die Menschenliebe. In der In
flationszeit dachte er an die Rrmen seiner Vaterstadt,'
alle Weihnachten beschert er ihnen. Kranken Kindern
ermöglicht er den Rufenthalt im Sodener Kinder
heim, das St. Iosefs-Krankenhaus unterstützt er fort
laufend. Der katholischen Kirche hat er eine dem
Krieg zum Opfer gefallene Glocke durch eine neue
ersetzen lassen; tüchtige junge Männer aus dem Kin
zigtale stellt er in sein Werk ein. Seine Frau, eine
stille Fürsorgerin, sieht mit ihm den Gewinn ihres
Lebens darin, daß es ihr möglich geworden ist, die
Gelegenheiten zur Liebe in besonderem Maße zu be
nutzen. Ihr verdankt das Krankenhaus in Salmün
ster Operationstisch und Röntgenapparat.
Die letzte große Stiftung Heinrich Harnischfegers
von 50000 Dollars bestimmte er für den Bau einer
Volksschule in der Vaterstadt. Vas war eine Freude
in Salmünster, als die Nachricht ankam! Einen Nach
klang davon erlebte ich noch, als man dem Ehren
bürger zu Ehren im geschmückten Rathaussälchen
eine abendliche Feier hielt. Heinrich harnischseger
saß neben seinem Bruder und seinen alten Schulkame
raden,' eine aufrechte, breite Gestalt mit weißem
haar. Line Maschine hat ihn der halben Sehkraft