Full text: Zeitungsausschnitte über Wilhelm Grimm

aus : Volkszeitung , Berlin, 
Nr. 297 1859, l)ez. 21, 3. 1 
— Das Begräbniß Wilhelm Grimm'S fand beute morgen 
9 Uhr von der Wohnung deS Brüderpaares ln der Links 
straße äuS statt. In seinem Studirzimmer, mitten unter sei 
nen Büchern, war der mit Kränzen und Blumen geschmückte 
schlichte Eichensarg aufgestellt. Die Vertreter der Wissenschaft 
und Knust, unter andern Boeckh, Enke, Treudelenburg, Pertz, 
Lepsins, Stahl, Beseler, Haupt, Johannes Schulze, Olfers 
bildeten nächst den Angehörigen den Haupttheil 
der Trauer - Versammlung. Auch der Kultusminister v. Beth- 
manu-Hollweg mit mehreren seiner Räthe war erschienen. 
Von den einst so viel genannten Göttinger Sieben umstanden 
nur Jakob Grimm und Gervinus, bcc als Gast in unsern 
Mauern weilt, den Sarg deS dahingeschiedenen Genossen. 
Der Probst Ör. Nitzsch hielt die Leichenrede in würdiger 
Weise; er gedachte nicht nur der brüderlichen Liebe, der Ver 
dienste um die Wissenschaft, sondern auch der Liebe 
zum Vaterlande, die den Verklärten nicht nur zum 
hingehendsten Erforschen der theuren Muttersprache, son 
dern auch zu Werken, »denn Leiden sind auch Werke" 
für das Vaterland geführt habe. Der Leichenzug be 
wegte sich demnächst, gefolgt von dem Staatswagen des 
Prinz«Regenten und einer langen Reihe von Privatwagen 
nach dem unweit Schöneberg belegenen Kirchhof der Matthäi- 
gemeiude. Zu unserem Bedauern bemerkten wir in dem Ge 
folge weder eine Vertretung der Studentenschaft noch der 
Stadt Berlin. Das Wirken eines jeden Mannes ächter 
Wissenschaft ist ein Wirken für das gefammte Volk und billig 
! fordern wir daher Achtung und Ehrerbietung vor derselben, 
j wo immer sich dazu die Gelegenheit bietet. DaS Wirken der 
| Brüder Grimm aber ist außerdem so unmittelbar ein- 
> greifend in das Volks- und Familienleben gewesen, 
! daß wir es nur beklagen können, wenn sich die 
| offiziellen Vertreter desselben von solcher Anerkennung 
ausschließen. — An schöner, erhöhter Stelle, von wo der 
; Blick hinüberschweifen kann auftunsere Stadt, ward der Sarg 
! eingesenkt. Der Prediger Snethlage sprach die Einsegnungs 
worte; das schöne, von den greisen Locken und eisiger Winter 
luft umspielte Haupt Jakob Grimm'S blickte noch einmal auf 
die theueren Reste des geliebten Bruders, und still und ernst 
' zerstreute sich die Versammlung.
	        

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