© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z4
A
aus : Deutsche Nationalzeitung aus Braunschweig und
Hannover, Nr. 168, 1839,Jul.18,S.1-2
Deutschland. - ^ J
Hannöver, 16. Juli. Di- hiesig? Zeitung enthalt
folgend? P r o c la m a lt o n : eine von dem Magistrate
hiesiger Rrstdenzsiadt unter dem 15. v. M. an die deut
sche Bundesversammlung gerichtete Vorstellung betreffend.
Ernst August, von Gottes Gnaden König von Han»
nover, königlicher Prinz von Großbritannien und Ir
land, Herzog von Cumberland, Herzog zn Braun»
schweig und Lüneburg rc. rc.
Der allgemeine Magistrat der hiesigen Nesivenzstadt
hat unter dem 15. v. M. mit einer bereits zurückgewirfe-
nen Vorstellung an bie' deutsche Bundesversammlung, be
treffend die Aufrechterhaltung des vormaligen Staats-
grundgeletzes sich gewandt, .deren Inhalt wörtlich lauter,
wie folgt:
„Der ehrerbietigst unterzeichnete allgemeine Magi
strat der königlichen Residenzstadt zählt sich zu denjenigen
(Korporationen des Landes, welche daS königl. Patent vom
1. Novemler 1837 für einen, die theuersten Rechte des
Landes und der einzelnen Corporationen, einseitig und
rechtswidrig, verletzenden Act der königl. Machtvollkom
menheit erhalten, und als solchen von jeher betrachtet
haben. Einer werteren rechtlichen Ausführung dieser An
sicht, die der hohen Bundesversammlung in so vielfachen
Eingaben bereits vorliegt, mag der allgemeine Magistrat
sich billig enthalten.
Genug, daß er sich stets für die Gültigkeit der, durch
das Staatsgrundgrsetz von 1833 begründeten landstandi-
schrn Verfassung ausgesprochen, von dieser Ansicht
nie abgewichen, und seine deskallsigen Protestatic-
nrn seiner Zeit an.'die Protocolle der versammelten
Stände zweiter Kammer niedergelegt, auch cS, aus «den
diesem Grunde, verschmähet hat, an den ständischen Vrr>
j Handlungen neuerer Zeit durch einen städtischen Deputir-
i ten Theil zu nehmen.
j Diese Gesinnung de6 allgemeinen Magistrate- liegt
dem Cadinrtte .Sr. Maj. wie dem ganzen Lande so offen
kundig vor, daß auch Niemand einen Zweifel darüber zu
hegen vermöchte.
' Mit solchem Verfahren durfte der allgemeine Magi
strat glauben, den gerechten Anforderungen drS tiefge-
kränkten Landes und der eigenen Stadt vorläufig genügt
zu haben. Dieses ernste und nachhaltige, wenn gleich in
seiner äußeren Wirksamkeit nur passive Verhalten schien
für den Moment den obwaltenden Verhältnissen zu ent
sprechen, und der allgemeine Magistrat fand eine Genug
thuung darin, positivere Schritte vermeiden zu können,
weil rS ihm schmerzlich, ja peinlich war, gegen einzelne
Rrgentenhandiungen Sr. Maj. direct aufzutreten und
Beschwerde zu führen. Seine Unterkhanenpflickt ecken
nend und die Eigenthümlichkeit seiner Stellung zum
Lande, als Obrigkeit der Residenzstadt beherzigend, mußte
er es dem allgemeinen Interesse angemessen erachten, durch
möglichste Bewahrung der gesetzlichen Ordnung, dem gan
zen Lande das Beispiel ruhiger Besonnenheit und eines
bescheidenen und gemäßigten Widerstandes zu geben.
Diese Gesinnungen sind auch noch gegenwärtig
und unverändert die des allgemeinen Magistrats, und
wenn er, dem Vorgänge anderer Städte und Corpora»
tionen folgend, sich erst jetzt unmittelbar an die hohe
Bundesversammlung wendet; so können ihn vazu nur
die dringendsten und bekla.enswerlhestrn Veranlassungen
vermögen.
Die zweit« Kammer der durch das königliche Patent
vom Januar 1838 berufenen Ständeversammlung schien
Anfang« nicht vollständig werden zu wollen; gegenwärtig
ist es jedoch dem (Kabinette Sr. Maj. endlich gelungen, >
die zur Fassung von Beschlüssen erforderliche Anzahl vons
Personen — aber auch kaum einige mehr — in zweiter
Kammer zu versammeln. Fast alle frühere Depulirke die
ser Cammer, welche der Opposition angehörten, sind
so weit sie nicht schon selbst auf ihren Sitz in einer nicht
gesetzlichen Kammer verzichtet hatten, durch eine Verfü»
gung excludirl, welche als «in« gesetzmäßige nicht ange'e
hen werden kann, da kein Gesetz vorschreibt, daß nur
solche Personen zu ständischen Deputirlen gewählt^ wer
den können, welche diejenige Verfassung, in Gemäßheit
deren die Stände berufen worden, als gültig anerkennen.
Auf welche Weise außerdem durch wahre moralische Ge
walt, durch Verheißungen aller Art, durch Drohungen,
durch erweckte Sorge für die eigene Existenz und die Fa
milien der Wählenden, auf die Wahlen eingrwirkt, ist wol
len wir nicht erwähnen, obwohl dieß Alles landeskundig
ist. Man hat aber — und das dürfen wie als eine fer
nere, klar vorliegende Rechtsverletzung hervorheben —
sogar Wahlen der Minorität — bei denen die Majorität
der Wählenden di- Wahl ablehnte — für gültig an
erkannt. man 'hat sämmtliche Deputirte ohne Weiteres
beeidiget, ihnen ohne vorgängig« Prüfung ihrer Voll
machten, sofort ein Stimmrecht eingeräumt, ihre M>k-
stände durch Vorenthallung oder mangelhafte Vorlegung
d-c Legitimationen und Wahlprotocolle gezwungen, solche
Individuen zuzulassen, und somit eine Versammlung con-
stituict, deren Mitglieder — betrachten sie sich mit un
befangener Besonnenheit — sich selbst wohl nur für pas
sive Instrumente eines fremden Willens halten, und die
eigene Nichtigkeit entweder mitleidig belächeln, oder von tief
ster Wehmuth sich durchdrungen fühlen können. Auf solche
Weise ist Alles verleugnet, und mit Füßen getreten, was
Recht, was Gesetz, was Observanz — s.lbst nach derjenigen
Verfassung, auf welche die Regierung Sr. Maj. sich stützt —
biher geheiligt! und als unerläßliche Vorschrift sanctio-
nirt hatten. So nur hat es gelingen können, eine Ver
sammlung zu ergänzen, die des Namens einer ständischen
Repräsentation unwürdig, alS solche jedes Vertrauens le
dig und bloß, aller öffentlichen Achtung entbehrend, vom
Lande nicht anerkannt wird, und sich dennoch ermächtigt
hält, Beschlüsse zu fassen, dir das Land binden sollen.
Einer solchen Vereinigung von Personen kann Nie
mand, dem die Ehr- und das Recht deS Landes am Her
zen liegt, der eS wohl meint und aufrichtig mit seinem
Vaterland« und seinem Könige, irgend ein Recht oder
auch nur den Schatten einer Befugniß zugestehen, über
die lhkueesten Interessen des Vaterlandes zu verhandeln,
oder mit dem (Kabinette Sr. Maj. etwas für die Ge
sammtheit des Volkes Verbindliches und Gültiges zu ver
einbaren. —
Jphttt daS Cabinet Seiner Majestät den Corporatio-
nen des Landes und den Städten den freien Willen un
gehindert gelassen, sie in der unumwundenen und frei
müthigen Aeußerung ihrer wahren Gesinnung nickt be
schränkt, und durch Mittel jeder Art nicht verlockt und
bestrickt, nun und nimmer würde das Land Deputirte in
genügender Zahl gesandt haben, der Widerstand deS gan
zen Landes würde offenbar vorUegen, und jedes Mittel
verschwunden sei", der hohen Bundesversammlung ge
genüber, dir durchaus unbegründete Behauptung aufzu
stellen, es sei die Verfassung — oder richtiger — das
Reglement von 1819 in anerkannter Wirksamkeit, und
in friedlicher Einigkeit beriethen König und Stände die
Angelegenheiten des Landes.
Diesem irrigen, auswärts mit so großer Dreistigkeit
verbreiteten Vorgeben, und allen solchen, aus dem Zu
sammentreten der jetzt versammelten zweiten Kammer ge
zogenen Folgerungen entgegen zu treten, der Wirksam
keit jener, dcn Charakter einer verfassungsmäßigen Stän-
drversammlung völlig entbehrrndenKammer zu widerspre-
chcn, ist der Zweck der gegenwärtigen ehrerbietigsten
Eingabe.