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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z4
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Donnerstag, 12. Januar.!
Abonnemeu': für Berlin Viertels. 3^7^
iir da- Deutsche Reich und ganz Oesterreich 3
Inserate die Petitzeile 2* G.
M 19.
1871. — 24. Jahrgang.
♦ -^^Älngeu nehme« die Postanstalten des
In. und.Auslandes an, in Berlin die Expedition,
w ^ SranzSstsche Straße 51.
,'W^D-dmchÄstK-VB-?^ TmWcS
Summe um 6000 Thalervermindert Kitte -weite «sfimmJ . i" a ^ Ä ? 0In, l, tlcS wlrthschaftlicheu Betriebe» «riielt
v-n,63.650 »mffl im Etatdee EtaattminWriu«- Ä Annahme, sondem ein Vorschuß auf
gestrichen worden. Dieser Abstrich ist bewirkt worden w?il dtsckr„vmi^?Ä^eoder KapttalSverwendung, welche perio-
! L_.dazu Jtfeitctt *ü? bTsbÄt' °-LeLt°"^?"E-n Erhaltung de» BetriebSm-Ll-»
^uno zur oeren De- neunans yeran. Itsezrpuy, o wc»r
^«"^in^»«irNnetennauie ND eriieur, w-rv «.«. «vt/ty»* ;>»»»,» un- uu^tiuuun |iuy a»»»>»»v»,r»Zuveistcht eine» unverwundete Gefangene steten in .— —-
lSlSt ÖÖ flu8 & bem ac ettefp? neuen Schulraih und kem Wohl- so vorstchtigen Mannes i^akürM^n großem Gewicht, fettiger Verlust nicht sehr bedeutend.
MArenLarrest seiner ultramontanen Parteigänger neue und man durfte ihr um so mehr Zutrauen schenken, als an Der Verlust deS Generals v. Werder im Gefechte
«rast zu schöpfen, um die schweren Bürden seines hohen die veranschlagte Höhe der Einnaymejn keine Forderung von von VillerSexel betrug 13 Offiziere und etwas über
AmtrS in frommer Ergebenheit fortzutragen. Mehrausgaben stch knüpfte, sondern die Ausgaben so zuge- 200 Mann. von PodbielSki.
zu |u;ppjen, um vit iwwiwi
AmtrS in frommer Ergebenheit fortzutragen.
Eine Vorrede vo« G. G. GervinuS.
/ II.
Zn früheren Zeiten hatte man gut prophezeien. Die
Dinge entwickelten sich so langsam, daß der Prophet selten
den Zeitpunkt erlebte, wo eS sich entschied, ob er Recht hatte
oder nicht. Auch waren die Propheten damals noch so klug,
die Perioden lange zu greifen. Wenn Napoleon I. 1819
mit Aplomb behauptete, in fünfzig Jahren werde Europa
republikanisch oder kosackisch s-in, so brachte er durch die
Länge der gewählten Frist wenigstens seine eigene Person
in Sicherheit vor dem Vorwurfe deS Falsch -Prophezeien».
Heute ist die Frist verstrichen. Die Wahrsagung hat stch
als falsch erwiesen. Aber der Prophet ist schon lange nicht
«ehr unter den Lebenden. .....
In gegenwärtiger Zeit eilen die Dinge mit der Ge
schwindigkeit deS Dampfes vorwärts, und das Prophezeien
ist ein mißlichrr Beruf geworden. Oft hat daS prophetische
Wort kaum den Zaun ler Zähne verlaffen, so eilen auch
schon die Ereignlffe hinter ihm drein, um ihm ein gründ
liches Dementi zu ertheilen. ES ist daher heut zu Tage
einem Gelehrten, welcher seinen Ruf zu wahren und alt an
Zähren zu werden gedenkt, anzurathcn, sich nicht allzusehr
n t dem Ankündigen zukünftiger Dinge zu befassen. Leider
kann man nicht behaupten, daß GervinuS diesem Rathe
immer gefolgt sei. Er mag^u/"mit Anderen trösten. Schon
im Jahre 1813 hatte Georg Barthold Niebuhr gemeint, mit
der deutschen Dichtkunst sei eS jetzt aus, daö Volk werde stch
nun auf bcffere Dinge verlegen. G. G. G-ivtnuS sprach
dieselbe Meinung, halb als Prophezeiung halb als Rath,
aus in der ersten Austage feiner »Geschichte der poetischen
Nationalliteratur der Deutschen*. Er fragte mit Percy
Heißsporn:
»— Ist dies 'ne Zeit
Zum Puppenspielen und mit Lippen fachten?*
und glaubte, die Poeten in Deutschland würden wohl daran
thun, ihre Leier an die Wand zu hängen und nützlicheren
Beschäftigungen nachzugehen. DaS find nun schon über
dreißig Jahre her. Wenn wir aber zurückblicken auf die
Früchte deutscher Dichtung, welche während dieses Menschen.
alterS gereift find, so müssen wir doch gestehen, daß wir die
selben ungern missen möchten, daß ste unsere national" Ent-
Wickelung durchaus nicht gehindert, sondern gehörig gefördert
haben, und daß wir auch jetzt noch, in dem Augenblicke, wo
der deutsche Staat gegründet wird, lebhaft wünschen, diese
Kunstwerke in den neuen Palast der deutschen Nation mit
htnüberzunehmen.
Dieser Prophezeihuvg von 1838 folgte 1845 eine an
dere. Wie jene auf dem Gebiete der Dichtung stch bewegte,
so diese auf dem Gebiete deS Glaubens. Eie ist enthalten
in dem Ech-istchen »Die Misston der Deutschkatholiken",
welches damals große» Aussehen erregte und viele Auflagen
erlebte. GervinuS versprach sich von dem, in Folge der Aus
stellung de» »heiligen RockeS" in Trier, in Deutschland auf
gekommenen DeutschkatholiziSmuS die wunderbarsten Leistun
gen, sowohl auf kirchlichem alS auch auf politischem Gebiete,
kann heut zu Tage dieses Prognostikon kaum lesen
ohne zu lächeln. S lbst der eifrigste Deutfchkatholik und
der aufrichtigste Verehrer von GervinuS wird nicht leugnen
können, daß der große Historiker, welcher aus die W rke von
1866 und 1870 mit solcher Geringschätzung herabsieht, alS
er damals den DcutschkatholiziSmuS verherrlichte, stch den
größten Täuschungen und Irrthümer" in Betreff der Tiefe,
der Kraft uud der Tragweite dieser Bewegung hingegeben.
Namentlich hat ste aus politische« Gebiete, »o man so viel
von ihr erwartete, kaum irgend etwaS NennenSwertheS ge
leistet.
Die dritte der großen Prophezeiungen erfolgte im
Winter 1852 auf 1853. GervinuS schrieb damals feine Ein
leitung Ui die Geschichte dcS 19. Jahrhunderts und schickte
sie alS besonderes Buch in bU Welt, als Vorläufer srncS
großen We-keS, daS, wie ich bereits bemerkte, für 1866 in
daS Stocken gerathen. In dieser Einleitung strömte er sei
nen Mißmuth über die Täuschung der paulskirchlichen Hoff
nungen in vollen Accordcn aus. Derselbe richtete stch damals
schon vorzugsweise gegen Preußen, weil cs die Kaiserkrone
auögeschlagen, die Bewegungen für die Reichsverfafsung nie
dergeworfen und schließlich auch die schwachen Fäden, welche
eS in Erfurt zusammengezogen, wieder hatte aus der Hand
gleiten lass.«, um in Gemeinschaft mit Oesterreich jenes
neue »Interim" zu gründen, von welchem man deffelbe
sagen konnte, wie von dem alten Interim deS 16. Jahr
hunderts:
»Das Interim, daS Interim
DaS hat den Schalk schon hinter ihm" (stch).
Dieser Schalk war diesmal der alte Frankfurter Bun
destag. Jedermann wird es nicht nur begreiflich, sondern
sogar vollständig gerechtfertigt finden, daß GervinuS, der Ab-
geordnete ud Ve trauenSmann von 1848, der Rathgeber
deS ReichSministeriumS Wägern, der Leiter der »Deutschen
Zeitung", damals solche Gefühle hegte, und wird ihm Beifall
cafür zollen, daß er ste mit offenem Freimuth auSsprach.
Aber sein Fehler war, drß er ein wissenschaftliches System
daraus machte; daß er aus dieser Mißstimmung heraus die
ganze deutsche Geschichte u priori philosophisch konstrutrte
und so zu dem Ergebniß aelangte, in Deutschland habe stch
nicht etwa die Klein-und Vlelstaaterei, nein »die Monarchie"
als solche unrettbar zu Grunde gerichtet und die Zukunft
gehöre nothwendig der Republik, oder etwas ihr Aehnlickem.
Obgleich daS Werk, mittnbegrissen die republikanische
Weissagung, in echt wissenschaftlicher Form gehalten und
sein von jeder Aufreizung und Agitation war, zog es doch
seinem Versaffer einen Preßprozrß zu, welcher indeß bald
mit einer glänzenden Freisprechung endete. Während dieser
Preßprozeß noch schwebte, erschien die vierte Auflage der
»Geschichte der deutschen Dichtung." Cie ist ebenfalls den
Gebrüder Grimm und Dahlmann gewidmet, und die Vorrede
behandelt eben jenen Preßprozeß. ES ist intereffant, die Vorrede
vom 20. März 1853 zu vergleichen mit der vom 20. Ns-
cmber 1870. Ich will die hervorragenbstrn Stellen aus jener
hierhersetzen. GervinuS erzählt, wie feine Studien über die
deutsche Literatur dcS stcbzehnten Jahrhunderts 1837 in
Götiingen eine Unterbrechnng erlitten haben durch die Maß-
rcgelung der Sieben, deren er ja auch Einer war. „Wie
mich damals", fährt er fort, „unversehens ein Gcwaltstreich
von Göttingen forttrieb, so erlitt meine gedeihende Arbeit
(Gervivus befand stch damals in Berlin, wo er in der könig
lichen Bibliothek die Meufebach'jchen Schätze fiudirte) in
demselben Augenblicke deS noch unvollendeten Abschlusses
von Heidelberg auS eine viel unvorhergefchenere Unter
brechung, von der ich nur wünsche, daß ste blos eine
Störung meiner und nicht eine Störung a ller wissen-
schädlichen Thätigk it in Deutschland bedeuten möge. Wel
chen Namen giebt unser mythologischer Freund diesem un-
diensamen Kobold und Störgeiste, der dies so fügte? Ich
besorge, der politische Freund wird statt seiner die Antwort
gebn: cs sei der unruhige Geist deS wirkenden politisü en
L bens, der unS mehr und mehr auS den friedlichen Stätten
des Wissen-, daS auf die vergangenen Dinge gerichtet ist,
mit allen natürlichen und wunderbaren Mitteln hinwegge
scheucht. Wie seltsam erinnerte unS in Berlin, alS ich i»
Wilhelms Stube Abschied von der Familie «ahm,
dies seltsame Ereigniß de- TageS an die Göttinger
Vorgänge. Wir hatten bei dem Schlage, der uns damals
gemeinsam traf, kein beffereS moralisches Gewissen, als ich
Einzelner jetzt ein gutes wiffenfchattli^ eS Gewissen hatte.
Und dem muß ich eS zuschreiben, daß ich jetzt so wenig wie
damals meinen Gleichmuth über difen Unbilden ganz ver
lieren konnte. Ist ja doch selbst für den guten Humor so
viel krauser Stoff in diesen Dingen, daß ich manchmal nach
meinem Kopfe fasse, unsicher ob ich, oder ob die Welt verschoben
worden sei. Denn. welche sonderbare Bekehrung der Dinge!.
Ich werde in der Zeit einer sumpfigen Ruhe des Hochver
rates und der Aufreizung geaen die konstitutionelle EtaatS-
form angeklagt, der ich zur Blüthezett der hochverrätherifchen
Unternehmungen („D.Z.". 1848, 26. April) in dem badischen
Lande selbst laute Anklage erhob gegen die Zaghaftigkeit,
die dem Hochverrath nicht zu begegnen wagte, und gegen die
Herabwürdigung deS konstitutionellen Systems, die mir darin
gelegen schien. ES wird die Beschuldigung erhoben, daß ich
mit einem politischen Pamphlete Unruhe stiften wolle, und
eS ist vielmehr diese erhobene Beschuldigung selbst, die da»
Pamphlet erst macht und die Unruhr wirklich stiftet. ES
wird ein Verbrechen auS der Andeutung der Thatsache ge
macht, daß der Monarchismus stch durch feine
neuesten Thaten viele moralische Stützen entzogen
habe, und zugleich wird mit dieser kleinen allerneuesten
That eine vettere Thatsache gegeben zum Belege der Wahr
heit meiner Andeutung. Ich soll Parteihaß säen, aber die
Anklage selbst ist nichts als eine Ernte deS HaffrS einer
fanatischen Gegenpartei. Die der Verfolgung verbündete
Presse wirft mir im Tone des giftigsten Geisers verbitterten
Eifer in diese, angefochtenen Schrift vor, die in einem
wahren Geiste, ja ich darf sagen in einer wahren Arbeit
-er Selbstüberwindung geschrieben ist. Dies sind Erlebnisse,
rie auch den mildesten Sinn empören könnten. Dennoch
sollen ste mir mein inneres Gleichgewicht nicht stören; ich
habe mit dem besseren Theile in mir Partei genommen gegen
die Bewegung des Blute». Mein großer Meister lehrt mich,
daß erlittener Frevel, der in'S Herz dringt und Wunden, die
unS die Bosheit in guter Sache schlägt, den höchste« Sinn
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