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Giovanni Gabrieli
Udite, chiari e generosi figli
Signatur: 2° Ms. Mus. 57 h
Handschrift [Ort ?] um 1610
Aufgeschlagen: f. l r Voce [C II] Choro 1. Tritoni. H. ä. 16.;
f. 8 r Voce [B] Choro 1. Tritoni. h. ä. 16.; f. 15 r Cornetto muto Choro 1.
Tritoni. h. a. 16.; f. 17 r Bassog[ene]rale. Ä 16. G.[iovanni] G.jabrieli]
In der von Moritz von Hessen bewunderten Musik Giovanni Gabrielis
durchdringen sich Fortschritt und Bewahrung auf eine spezifische Weise.
Gabrieli hat das schon von seinem Vorläufer Adrian Willaert herrührende
Prinzip der cori spezzati, der Mehrchörigkeit, weiterentwickelt. Dabei ach
tete er darauf, dass jeder Chor einen in sich stimmigen Satz bilden muss
te. Bei der Auseinandersetzung mit der neuen Kompositionsform gelang
te Gabrieli zu der Erkenntnis, dass Musik nicht nur durch den Kontra
punkt, sondern auch durch die Disposition des Klanges zu realisieren ist.
Allerdings dachte Gabrieli Klang noch nicht als Gegenstand von Kom
position, sondern die Erfahrung des Klanges wurde ihm vermittelt durch
die Erfahrung des Raumes. Im Raum nämlich erlebte der Klang, wenn er
von ferner Empore herübertönte, eine Veränderung: dasselbe klang in der
Nähe anders als in der Ferne.
Die Motette „Udite chiari" ist ein Dialog zwischen Tritonen und Sirenen,
zwischen Meergöttern und jenen betörend singenden Wesen, die schon
Odysseus zu schaffen machten. Die Forscher vermuten, dass das Werk im
Rahmen einer favola marittima am Neujahrstag 1600 zur Aufführung
gelangte. Dass es nur in der Kasseler Quelle überliefert ist kann mögli
cherweise damit erklärt werden, dass Heinrich Schütz in dem Werk keine
zu vernachlässigende Gelegenheitskomposition sah. [C. G.]