W. K. Grimm.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 269
nicht, um Gelegenheit zu haben, eine Rezension meiner Schrif
ten zu liefern, nur eine Bemerkung sey mir erlaubt, die
vielleicht als eine Entschuldigung gilt. Studien und Richtung
derselben haben wir in der Gewalt, und dabei sollen wir nach
einem bestimmten Plane verfahren; die allgemeinere und brei
tere Anlage pflegt sich in der Folge zusammen zu ziehen und
der Umkreis durch Beschränkung mehr Festigkeit und L>icher-
heit zu erlangen. Ich setze dabei voraus, daß äußere Ver
hältnisse nicht hemmend dazwischen treten und höhere Sorgen
und Pflichten nicht andere Wege vorzeichnen. Dagegen ist die
Ausarbeitung der Bücher selbst bei mir mehrmals von einem
bloßen Zufalle abhängig gewesen. Zu der Schrift über deut
sche Runen veranlaßte mich ein Fund in einem alten Grab
hügel, der an sich sehr zweifelhaft war und in dem Buche
selbst als eine geringe Nebensache erscheint. Ich bin schon
längere Zeit mit einer Ausgabe von Freidanks Sprüchen be
schäftigt; schnell können Arbeiten dieser Art nicht zu Stande
kommen, weil die Handschriften, deren Werth erst auszumit-
teln ist, nicht so schnell anlangen, als man wünscht oder
Versprechungen hoffen lassen. In der Zwischenzeit sorgte ich
für die Herausgabe des Grafen Rudolf, wovon die Frag
mente in meine Hände kamen, und als diese Arbeit beendigt
war, bemerkte ich, daß meine fortgeführte Sammlung für
die deutsche Heldensage zu stark herangewachsen war, als daß
ich sie länger ohne Ausarbeitung übersehen könnte. Ich ent
schloß mich also dazu, aber sie kostete mehr als die dafür
bestimmte Zeit, und die Untersuchung selbst führte mich wei
ter, als ich anfänglich geglaubt hatte. Zwar kehrte ich wie
der zu der früheren Ausgabe zurück, denn eine gewisse zähe
Anhänglichkeit an einen einmal gefaßten Plan ist an mir,
ich weiß nicht ob zu rühmen oder zu tadeln, aber nun kam
die neue Ausgabe des Liedes von Hildebrand dazwischen, ver
anlaßt durch den bevorstehenden Abschied von Kassel. So
lange ich den alten Koder wie oft ich wollte in die Hand
nehmen konnte, hatte ich eine Abbildung desselben, deren
Nutzen ich wohl einsah, immer aufgeschoben, jetzt gedachte ich
damit ein Stück des bisher besessenen mitzunehmen, und der
Sorgfalt, mit der ich sie fertigte, mag dieser Gedanke nicht
geschadet haben. Meinem Bruder habe ich die paar Blatter
zugeeignet, nicht als ein Zeichen der Liebe oder als eine Er
innerung der dort verlebten Jahre, weder des einen noch des
andern bedarf es, sondern weil ich sie als die einzige Arbeit
von mir betrachte, die nicht leicht durch eine bessere könnte
ersetzt werden. Ob ich jetzt ohne Störung den Freidank be
endigen kann, der doch nur von geringem Umfange ist, wird