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I. L. K. Grimm.
Die endliche, kaum gehoffte Rückkehr des alten Kurfürsten,
gegen Ende des Jahres 1813, war ein unbeschreiblicher Jubel
und für mich war die Freude nicht kleiner, auch die geliebte
Tante, die ich nur einmal in Gotha besucht hatte, im Ge
folge der Kursürstin wieder einziehen zu sehen. Wir liefen an
dem offnen Wagen durch die Straßen hin, die mit Blumen
gewinden behängen waren. In jenen Monaten war alles in
aufgeregter Bewegung. Ich stand doch noch gut angeschrieben
und kam in Vorschlag, als Legationssekretär den hessischen
Gesandten zu begleiten, der in's große Hauptquartier der ver
bündeten Heere abgeschickt werden sollte. Meine Ernennung
ist vom 23. Dez. 1813. Zwei meiner Brüder machten den
Feldzug in der Landwehr mit, sie waren aus München und
Hamburg, wo sie gelebt hatten, dazu in's Vaterland herbei
geeilt. Der gewählte Gesandte hieß Graf Keller, von Geburt
kein Hesse, ein schon bejahrter und gutherziger, zuweilen ei,
gensinniger, auffahrender Mann, dem der recht hessische Trieb
fehlte, aber wer hätte in jener großartigen Zeit nicht jeden An
stoß übersehen? Ich reis'te um Neujahr 1814 von Kassel ab über
Frankfurt, Darmstadt, Karlsruhe, Freiburg, Basel, Mümpcl-
gart, Vesul, Langres, Chaumont, Troyes. Von da gieng es
wieder zum Theil in eilender Flucht rückwärts bis Dijon; dann
nach vierzehntägiger Rast neuerdings vorwärts über Ehanl-
lon, Troyes, Nogent in das frisch eingenommene Paris (April
1814) . Vor zehen Jahren kein Gedanke, so bald und auf diesem
Wege nochmals dahin zu kommen. Unterwegs hatte ich nicht
versäumt alle Bibliotheken zu besuchen, und jeder freie Augen
blick in Paris wurde genutzt, um in den Handschriften zu ar
beiten. Mittlerweile war auch mein nachheriger Kollege Vol
ke! zu Paris eingetroffen, um die aus Hessen weggeschlepp
ten Antiken und Gemälde zurückzufordern; ich half die ent
führten Bücher wieder erlangen, wie ich schon erwähnt habe.
Im Sommer trat ich die Rückreise nach Kassel an, und rüstete
mich bald von neuem zu der Fahrt nach dem Wiener Kon
greß. In Wien brachte ich zu vonOkt. 1814 bis Inn. 1815,
eine Zeit, die auch für meine Privatarbeiten nicht nutzlos ver
strich, und mir Bekanntschaft mehrerer gelehrten Männer ver
schaffte. Von besonderm Vortheil für meine Studien war,
daß ich mich damals auch mit der slavischen Sprache anfieng
bekannt zu machen. Aus Kassel empfieng ich aber die Trau
erbotschaft von dem Tod der lieben Tante Zimmer (15. April
1815) , der einzigen älteren Vcrwandtin, die uns übrig ge
blieben war, und der ich so viel zu dauken habe. Kaum war
ich. zu den Geschwistern heimgekehrt, als mich, und diesmal
eine Requisition der preuß. Behörde, in das zum zweitenmal