Full text: Biographien von Jacob und Wilhelm Grimm

I. L. K. Grimm. 
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Buch und dessen hinreißende Vorrede mich gespannt gemacht 
hatte. Im Sommer 1864 verließ Savigny die Universität, 
UM eine literarische Reise nach Paris anzutreten. 
Je älter man wird, desto leichter in Versuchung geräth 
man, die Zeit seiner Jugend in Vergleich mit dem später Er 
lebten zu erheben und für musterhafter zu halten. Aus den 
Jünglingsjahren sind wir uns der ersten Kraft und des rein 
sten Willens am sichersten bewußt, und eH kommt uns da auch 
von andern überall entgegen. Ich möchte nun auch den da 
mals unter den Marburger Studierenden waltenden Geist rüh 
men; es war im ganzen ein frischer, unbefangener; Wachler's 
freimüthige Vorlesungen über Geschichte und Literargeschichte 
machten auf die Mehrzahl lebendigen Eindruck, und besonders 
erfreute ein Publikum, das er im großen öffentlichen Hörsaal 
wöchentlich las, sich eines ungetheilten Beifalls. Die Ober 
gewalt des Staats hat seitdem merklich mehr in die Aussicht 
der Schulen und Universitäten eingegriffen. Sie will sich ih 
rer Angestellten fast allzu ängstlich versichern und wähnt, dies 
durch eine Menge von zwängenden Prüfungen zu erreichen. 
Mir scheint es, als ob man von der Strenge solcher Ansicht 
in Zukunft wieder nachlassen werde. Zu geschweigen, daß sie 
der Freiheit des sich aufschwingenden Menschen die Flügel 
stutzt und einem gewissen, für die übrige Zeit des Lebens wohl 
thätigen, harmlosen Sich gehen lassen können, das hernach 
doch nicht wieder kehrt, Schranken setzt; so ist es ausgemacht, 
daß, wenn auch das gewöhnliche Talent meßbar seyn mag, 
das ungewöhnliche nur schwer gemessen werden kann, das 
Genie vollends gar nicht. Es entspringt also aus den vielen 
Studienvorschriften, wenn sie durchzusetzen sind, einförmige 
Regelmäßigkeit, mit welcher der Staat in schwierigen Haupt 
fällen doch nicht berathen ist. Wahr ist es, das ganz schlechte 
wird dadurch aus Schule und Nniversität abgewehrt, aber 
vielleicht wird auch das ganz gute und ausgezeichnete dadurch 
gehemmt und zurückgehalten. Im Durchschnitt betreten jetzt 
die Schüler die Akademie mit gründlicheren Kenntnissen, als 
vormals; aber im Durchschnitt geht dennoch daraus eine ge 
wisse Mittelmäßigkeit der Studien hervor. Es ist alles zu 
viel vorausgesehn und vorausgeordnet, auch im Kopf der 
Studierenden. Die Arbeit des Semesters nimmt unbewußt 
ihre Richtung nach dem Eramen; der Student muß alle Kol 
legia hören, worüber er Zeugnisse beizubringen hat, ohne das 
würde er manche nicht gehört haben, entweder weil ihn der 
sie vortragende Professor nicht anzieht, oder weil ihn seine 
Neigung anderswohin lenkt. Dagegen bleibt ihm beinahe keine 
Zeit übrig diejenigen zu hören, die ihm nicht vorgeschrieben
	        
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