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DRITTER TEIL: DRITTES BUCH
können. Aber es ist ein Gefühl in ihm, als sei beides, jenes
Haben wie jenes Warten aufs innerlichste miteinander ver
bunden. Und das ist eben das Gefühl des »Rests«, der die
Offenbarung hat und auf das Heil harrt. Die seltsamen Fragen,
die nach der Überlieferung dem jüdischen Menschen von dem
göttlichen Richter dereinst vorgelegt werden, bezeichnen diese
beiden Seiten des Gefühls. Die eine, »Hast du gefolgert Satz
aus Satz«, meint: war in dir das Bewußtsein lebendig, daß dir
alles, was dir begegnen mag, irgendwie schon, ehe du ge
boren, gegeben war in der Gabe der Offenbarung? Und die
andre, »Hast du des Heils geharrt«, meint jene Richtung auf
das zukünftige Kommen des Reichs, die in unser Blut von
Geburt an hineingelegt ist. In diesem zweieinigen Gefühl also
hat sich der Mensch ganz zum jüdischen Menschen verengt.
Das Heidentum, das die auseinander- und endlich wieder zu
sammenführenden Wege der Christenheit umgriffen, liegt wie
derum draußen im Dunkel. Der jüdische Mensch ist ganz bei
sich. Die Zukunft, die sonst gewaltig auf seiner Seele lastet,
hier ist sie stille geworden. Im Gefühl, der Rest zu sein, ist
sein Herz ganz eins in sich selber. Da ist der Jude Nurjude.
Die Offenbarung, die ihm ward, die Erlösung, zu der er be
rufen ist, sie sind beide ganz hineingeflossen in den engen
Raum zwischen ihm und seinem Volk.
Und wie Gott und Mensch, so wird auch die Welt dem
jüdischen Gefühl ganz heimisch=eng, sobald es sich aus dem
unruhigen Flackern seiner Flamme hin und her zwischen dieser
und der künftigen Welt in die Einheit eines weltlichen Daseins
retten möchte. Daß die Welt, diese Welt, geschaffen ist und
dennoch der künftigen Erlösung bedarf, die Unruhe dieses
Doppelgedankens stillt sich in der Einheit des Gesetzes. Das
Gesetz — denn als Welt angesehen ist es Gesetz und nicht
was es als Inhalt der Offenbarung und Forderung an den Ein
zelnen ist: Gebot —, das Gesetz also in seiner alles ordnenden,
das ganze »äußere«, nämlich alles diesseitige Leben, alles, was
nur irgend ein weltliches Recht erfassen mag, erfassenden
Vielseitigkeit und Kraft macht diese Welt und die künftige un