DER STERN ODER DIE EWIGE WAHRHEIT 489
sagt über die Welt wirklich — nichts. Ganz anders steht es
mit dem Satz vom Nichts, der Schopenhauer hier vorschwebte,
dem Gedanken des Buddhismus; den könnte man wohl for
mulieren: das Nichts ist Gott. Dieser Satz ist so wenig eine
Absurdität wie der Satz des Idealismus, daß die Wahrheit Gott
sei; er ist bloß wie jener — falsch. Das Nichts ist nämlich
genau wie die Wahrheit letzthin überhaupt kein selbständiges
Subjekt, es ist eine bloße Tatsache, die Erwartung eines Etwas,
ein Nochnichts. Eine Tatsache also, die ihren Boden, auf dem
sie steht, erst sucht. Wie die Wahrheit Wahrheit nur ist, weil
sie von Gott ist, so das Nichts Nichts nur weil es zu Gott ist.
Von Gott allein läßt sich sagen, daß er das Nichts ist; es wäre
eine erste, ja die erste Erkenntnis seines Wesens. Denn hier
kann Nichts Prädikat sein, eben weil Gott gar nicht in seinem
Wesen erkannt wird; die Frage »Was ist Gott?« ist unmöglich.
Eben die Unmöglichkeit dieser Frage wird vorzüglich be
zeichnet in dem wahren Satz: Gott ist das Nichts: er ist, neben
dem andern »Gott ist die Wahrheit«, die einzig zulässige Ant
wort auf jene Frage. Wie die Antwort »Gott ist die Wahrheit«
die mystische Frage nach seinem überweltlichen Wesen, diese
letzte Frage, zurückführt in die lebendige Erfahrung seiner
Taten, so führt die Antwort »er ist Nichts« die abstrahierende
Frage nach seinem vorweltlichen Wesen, diese erste Frage,
auf die gleiche Erfahrung — hin. In dieser Erfahrung sammelt
sich so von beiden Seiten alles, was wir fragen möchten. An
fang und Ende steigen aus ihrer Verborgenheit da ins Offen
bare. In dieser Mitte finden wir uns vor, und Ihn den »Ersten
und Letzten« bei uns, ganz dicht, wie ein Mann seinen Freund.
Das Verborgene wird so offenbar. Und die Tatsächlichkeit,
die Nähe, das Unmittelbare erfüllt nun, von hier aus gesehen,
alle Enden der Welt, es schläft in allen Splittern der Vorwelt,
es wohnt auf allen Sternen der Überwelt. Gottes Wesen ist,
ob es Wahrheit wäre oder Nichts, zergangen in seiner ganz
wesenlosen, ganz wirklichen, ganz nahen Tat, in seiner Liebe.
Und dieses sein ganz offenbares Lieben zieht nun in die von
der Starrheit des Wesens erlösten Räume und erfüllt alle
Ferne. Das Offenbare wird zum Verborgnen.