DER STERN ODER DIE EWIGE WAHRHEIT
äh
Es gölte der Satz, den wir zuvor ablehnten: daß die Wahr
heit Gott sei. Was hat es nun mit jener Selbstverbürgung der
Wahrheit auf sich?
Zunächst: die Tatsache, daß die Gültigkeit der Wahrheit
nicht bezweifelt werden kann, ist zuzugeben. Es geht tatsäch
lich nicht an, zu sagen: es gibt keine Wahrheit; mindestens
daß es keine Wahrheit gebe, müßte dann — wahr sein. Es
geht tatsächlich nicht. Aber was ist damit mehr zugegeben
als — eine Tatsache? Und worauf gründete sich der Respekt
vor dieser Tatsache? der doch so unleugbar ist. daß die Schule
darauf, auf diese doch bloß tatsächliche Unleugbarkeit der
Wahrheit, die Gewißheit dieser Unleugbarkeit zu gründen kein
Bedenken trägt. Wäre also die Tatsächlichkeit noch ehrwür
diger als — die Wahrheit? Aber wehe dann dem »Idealis
mus«, wenn es so wäre. Denn er zog aus, um die Wahrheit
auf ihre eigenen Füße zu stellen. Und er würde also damit
enden, daß er sie verankerte in einem — Glauben an Tat
sächliches?
Aber wäre es eigentlich anders zu erwarten? Kann etwas
stehen, ohne zu haben worauf es steht? Und stände es auf
sich selbst, wäre da nicht »es selbst« dann Boden, worauf es
stünde? Denn es stünde ja alsdann nicht etwa auf seinem
eigenen Stehen, sondern auf »sich selbst«. Nur wenn es auf
seinem eigenen Stehen stünde, dann freilich wäre es ohne ein
Worauf. Aber eben ein. solches Stehen auf seinem eigenen
Stehen ist die Tatsache des unleugbaren Geltens der Wahrheit
nicht. Denn dieser Tatsache der Unleugbarkeit wird nicht
vertraut als einem Tatsächlichen überhaupt. Wäre es so,
dann allerdings stünde die Tatsache der Wahrheit auf ihrem
eigenen Stehen. Aber so ist es nicht. Denn warum würde
sonst grade dieser Tatsache vertraut? Grade dieser? und
keiner andern. Es wird ja nicht geleugnet, daß es Irrtum gibt.
Der Irrtum ist genau so unleugbar wie die Wahrheit. Indem
man die Tatsache zugibt, daß das Dasein der Wahrheit nicht
geleugnet werden kann, wird die Tatsache zugegeben, daß es
auch Unwahres gibt. Die Unleugbarkeit der Wahrheit und die