DRITTER TEIL: EINLEITUNG
erst in der Beziehung der Liebestat auf jenes wechselnde
Leben der Welt, nirgend sonst vorher, steckt die Möglichkeit,
Gott zu versuchen. Und diese Beziehung wird hergesteilt
durch das Gebet, das Gebet schon des einsamen Herzens aus
der Not des einsamen Augenblicks. Denn die Tat der Liebe
selber ist noch blind, sie weiß nicht, was sie tut, und sie soll
es nicht wissen; sie ist rascher als das Wissen; sie tut das
Nächste, und was sie tut, dünkt sie das Nächste. Aber das
Gebet ist nicht blind, es stellt den Augenblick und in ihm die
soeben getane Tat und den grade entschlossenen Willen,
Nächst=Vergangenes also und Nächst=Zukünftiges dieses einen
einsamen Augenblicks, in das Licht des göttlichen Antlitzes.
Es ist Bitte um Erleuchtung. Erleuchte meine Augen — sie sind
blind solange die Hände schaffen; den Nächsten und das
Nächste macht nicht das suchende Auge ausfindig, sondern die
tastende Hand entdeckt ihn, wie er grade vor ihr steht. Die
Liebe handelt so, als ob es im Grunde nicht bloß keinen Gott,
sondern sogar keine Welt gäbe. Der Nächste vertritt der
Liebe alle Welt und verstellt so dem Auge die Aussicht. Aber
das Gebet, indem es um Erleuchtung bittet, sieht — zwar nicht
am Nächsten vorbei, aber über das Nächste hinweg und sieht,
soweit sie ihm erleuchtet wird, die ganze Welt. So befreit es
die Liebe von der Gebundenheit an den Tastsinn der Hand und
lehrt sie, ihr Nächstes mit den Augen zu suchen. Was ihr bis
her unausweichlich als das Nächste schien, wird ihr nun viel
leicht ferngerückt, und ganz Ungekanntes erscheint plötzlich
nah. Das Gebet stiftet die menschliche Weltordnung.
Die menschliche Weltordnung — aber auch die göttliche?
Offenbar hat ja Gott selbst, indem er zwar nur eine Welt
schuf, aber sich vielen Menschen schenkt, den Grund dazu ge
legt, daß beide Ordnungen nicht ohne weiteres eine sein
können. Gegenüber der einen Ordnung des wachsenden
Lebens gibt es viele Ordnungen, jeweils vom Hier=stehedch der
einzelnen gotterweckten Seele aus. Schon weil es viele Ord
nungen sind, können sie nicht ohfie weiteres eins sein mit der
einen göttlichen. Um es zu sein, müßten sie ja erst unter