OFFENBARUNG
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Vision des fertigen Kunstwerks selber sein; denn solch auch
nur innerlich Alles=miteinemmal=Überblicken ist hier nicht
möglich; nicht die nur durch ihre Naturlosigkeit noch stumme,
sonst aber schon aller Formen und Farben des schließlichen
Werks volle Vision geht voran, sondern wirklich der stumme
Teil der Kunst. Vollkommen richtig also sagt Hans v. Biilow':
»Im Anfang war der Rhythmus«. Im Rhythmus, zunächst ganz
einfach in der für das Ganze geltenden Taktart, dann aber
auch in der Ausbildung dieses nur das Gröbste vorweg
nehmenden Takts in die immer feineren Verzweigungen der
rhythmischen Phrasierung ist das ganze Musikwerk in all
seinen Teilen da, aber noch als eine stumme Musik. Wie jene
dem Werk bildender Kunst vorausgehende Vision nicht eigent
lich optische Gestalt hat, sondern eher ein Zusammenhang von
Richtungen und Gewichtsverhältnissen — Gleichgewicht,
Übergewicht, Druck, Schweben, Lasten — zu sein scheint, ein
statischer Zusammenhang also, so nimmt der Rhythmus das
Kunstwerk auch noch nicht in musikalischer Gestalt vorweg,
sondern nur in sturrnrndynamischer. Man kann ein Musik
werk »taktieren«, das heißt: man kann seine Grundlage ton
los durch eine Folge von Bewegungen darstellen. Die Be
wegung ist die einzige Möglichkeit, die Zeitfolge, die sonst
rettungslos in den Zeit=Punkt des Gegenwärtigen zusammen
sinkt, gegenständlich zu machen; und auf der Möglichkeit
dieser Vergegenständlichung beruht die Musik; nur durch
diese Möglichkeit wird die Auffassung des ganzen Werks als
einer Einheit möglich. Der einzelne Ton hat keinen Rhythmus,
wohl aber die kleinste Folge von Tönen. Es geschieht im
Rhythmus wirklich die Schöpfung des Musikwerks in seiner
ganzen Breite; aber auch hier ist die Schöpfung, obwohl sie
alles mit ihrem »im Anfang« vorweggenommen hat, doch nur
die stumme Weissagung des tönend sich offenbarenden
Wunders.
Diese Offenbarung muß auch hier wieder mit blind ver
gessener Ausschließlichkeit auf den einzelnen Augenblick des
Werks niedergehen. Sie muß ihn, und zunächst nur ihn ohne