SCHÖPFUNG
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Wirkliche, aus dem sich die Schatten aus der Ideale Reich am
Eingang zur Unterwelt Leben trinken konnten und so, des
eignen, längst versunknen Lebens sich wieder, solange dies
Blut der Wirklichkeit in ihnen kreiste, erinnernd, sich ihres
Restes von Leben versicherten. Mißtrauen brauchte der Idea
lismus dem Kunstwerk nicht entgegenzubringen, denn es war
Erzeugnis; und weil es trotzdem in der Bewußtlosigkeit
seines Werdens und der Fraglosigkeit seines Daseins wie ein
Stück Natur dasteht, so darf er es als die Offenbarung der
Wirklichkeit ansprechen und ehren. Denn die in der »ge
meinsamen Wurzel« nur erahnte Wirklichkeit des Alls, ab-
gesehn vom Denken, glaubte er hier in sichtbarer Gestalt zu
erblicken. So wurde dem Idealismus die Kunst zur großen
Rechtfertigung seines Vorgehens; wenn ihn Zweifel be
schlichen an der Zulässigkeit seiner Methode des »panlogistisch«
reinen Erzeugers, — er brauchte bloß das Kunstwerk, geist
erzeugt und doch naturhafte Wirklichkeit, anzusehen, um wie
der ein gutes Gewissen zu kriegen. Das Kunstwerk senkte
Wurzeln in dieselbe farblose, vorweltliche Nacht des reinen
Geistes und blühte doch auf der schönen grünen Weide des
Daseins. So schien die Kunst ein Letztes, zugleich Bestäti
gung der Methode des Denkens, »Organon« also, und — der
Schritt lag nah und war schon bei Kant im Hinweis auf die
»gemeinsame Wurzel« vorbereitet — sichtbare Erscheinung
eines »Absoluten«. Das Vertrauen, das der Idealismus dem
Wort des Menschen, das er nicht als Antwort auf das Wort
Gottes erkennen mochte, versagte, dies Vertrauen verschenkte
er an ein Werk des Menschen. Statt dem Sprechen der Seele,
dem sich Offenbaren der menschlichen Innerlichkeit, das alles
andre menschliche Sich=Äußern umschließt, trägt und vollen
det, zu glauben, warf er das ganze Gewicht seiner Ver
trauensseligkeit auf ein einzelnes, vom ganzen Leibe der
Menschheit losgerissenes Glied.
Denn ein Glied bloß ist die Kunst. Ein Glied, ohne wel
ches der Mensch freilich Krüppel wäre, aber immer noch
Mensch bliebe. Es ist ein Glied nur neben andern. Der