© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
XLI.
MILCH UNI) FLEISCH.
997 Ln zweiten und dritten capitel ist eine darstellung der sprach
lichen auf die nothwendigste speise des hirtenlehens bezug habenden
Verhältnisse unterblieben, damit sie ausführlicher könnte nachgeholt
werden, denn vorzugsweise scheint sie über die Urverwandtschaft der
eingewanderten Völker licht zu verbreiten geeignet. Was der hirt zur
nahrung bedarf lehren die homerischen verse Od. 4, 87
evd'a fiiiv ovre avat iitiSsvrjS ovre ri Tcoi/urjv
zvoov y,ai ygeicüv, ovSs y/.vy.t(>oXo yaXaxroe,
und noch Tacitus sagt von den Germanen: cibi simplices, agrestia
poma, recens fera aut lac concrelum.
Aulfallend stimmt bei allen Deutschen und Slavcn die benennung
der milch zusammen: goth. miluks, ahd. miluh, mhd. milch, ags.
meoloc meolc, engl, milk, fries. melok, altn. miölk, schwed. mjülk,
dän. melk, und den Lappen mag ihr melke milke aus Scandinavien
zugegangen sein, da alle übrigen finnischen sprachen andre Wörter
zeigen, altsl. mljeko, russ. moloko, poln. böhm. slov. mleko, serb.
mlijeko, wendisch mloko (den Lüneb. Wenden melauka.) durchgehende
in beiden sprachen berscht anlautendes M; nach der lautverschiebung
würde aber goth. K in miluks statt des sl. K in mljeko G begehren.
998 Dies G bestätigt sich sobald wir in die wurzel eindringen: milch
ist das gemolkne, aus dem euter gedrückte, gezogne, nach dem ahd.
milchu malch darf ein goth. milka malk vermutet werden und ihm
entsprechen sl. ml”zu inf. ml”sli, litth. melzu milszti, lat. mulgeo und
mulceo, beide mit dem praet. mulsi und der bedeutung palpo, leni
manu tracto, endlich gr. u^tlyio. mulgere scheint aber gerechter als
mulcere, wie gr. ä/niXyco und sl. Z in ml”zu, das aus G, nicht aus
K deutbar wird (s. 382), bestätigen. Miklosich s. 50 will mljeko
nicht einmal unmittelbar von ml”zu abgeleitet wissen; ich mutmasze
dasz es für mljekto steht und K durch das folgende T entsprang, wie
musz nie T gefolgt sein, weil sonst miluhts milhls entsprungen wäre.