EINLEITUNG
die nach Form und Inhalt dorthin gehört hätten, wäre Ende des 18.Jahrhunderts
bei der Verteilung der Kasseler Handschriften auf das noch heute gültige Signa-
turenschema konsequent verfahren worden. Eine Zusammenstellung dieser über
den ganzen Bestand verstreuten Stücke steht noch aus. Herausragende Beispiele
beschreibt H. BROSZINSKI in seinem Katalog „Kasseler Handschriftenschätzetfz im
Abschnitt „Literaturü: Von den dort vorgestellten zehn Handschriften und sechs
Fragmenten sind nur vier Handschriften und fünf Fragmente als Poetica signiert;
bedeutende Texte wie das Hildebrandlied und die Weltchronik des Rudolf von
Ems sind bei den theologischen Codices eingereiht (28 Ms. theol. 54 und 4).
Die als „Ms. poet. et romanf signierten 75 Handschriften und 37 Fragmente, die
dieser Katalog beschreibt, bieten, wie gesagt, ein in verschiedener Hinsicht un-
einheitliches Bild. Selbstverständlich werden verschiedene Sprachen angetroffen:
die deutschsprachigen Texte überwiegen mit 41 mittelalterlichen und 33 neueren
Handschriften; hinzu kommen neunzehn lateinische, sechs italienische, je zwei
englische und französische und drei gemischtsprachige Stücke.
Auch die Entstehungszeiten sind breit gestreut: Die Mehrzahl der Codices, näm-
lich 38 Signaturen, stammen aus dem 14./15. Jahrhundert, nur drei gehören ins
13., weitere vier sind noch älter (eine aus dem 9., drei aus dem 10. Jh.). Bei den
neuzeitlichen Handschriften liegt der Schwerpunkt im frühen 17. Jahrhundert,
der Zeit des Landgrafen Moritz und seiner dichterisch begabten Tochter Elisabeth.
Aus dem 16. Jahrhundert stammen sieben, aus dem 18. dreizehn; zwanzig gehören
unserem und dem 19. Jahrhundert an.
Bei einem Poetica-Bestand erwartet man eine beträchtliche Anzahl von Hand-
schriften mit Buchschmuck. Ein Blick in das Register lehrt, daß es eigentlich
wieder nur die eingangs zitierten Paradebände sind, die hervorgehoben werden
müssen, wobei noch das Alsfelder Passionsspiel abgezogen werden muß, das na-
türlich nicht bebildert ist. Hingewiesen sei dafür auf die schöne Celtis-Handschrift
28 Ms. poet. 7 (um 1500), die sorgfältig mit freilich üblichem Buchschmuck ver-
sehen ist. Es wirft wiederum ein Licht auf die Uneinheitlichkeit des Bestandes,
daß Miniaturenhandschriften von größter kunstgeschichtlicher Bedeutung wie der
Willehalm-Codex oder die anderen erwähnten Bände neben Typoskripten einhei-
mischer Poeten stehen. Verhältnismäßig gering ist auch die Zahl bemerkenswerter
Einbände; das liegt einmal an jener schrecklichen Bombennacht vom 8. auf den
9. September 1941, als fast der ganze Druckschriftenbestand der Landesbibliothek
verbrannte und auch einige Handschriften, vor allem die in Schaupulten ausge-
legten, verschmorten. Hierzu gehören etwa der Kasseler Totentanz, der Lucan
(20 Ms. poet.5) und die Servius-Scholien (28 Ms. poet. 6) aus Fulda, deren Ein-
bände ganz vernichtet wurden, und der Publius Papinius Statius (28 Ms. poet. 8,
12. Jh.) aus dem nahen Kloster Hasungen, dessen schöner Renaissance-Einband
bis auf geringe Reste verkohlte. Es liegt zum anderen an der recht großen Zahl
H.BROSZINSKI, Kasseler Handschriftenschätze, Kassel 1985, S.117-184.