Full text: Manuscripta historica

EINLEITUNG 
Jesuiten 1633 von den Hessen aus der Stadt Vertrieben wurden, geriet das Ma- 
nuskript wohl schließlich zur hessischen Beute. Auch das Kopialbuch des Ter- 
tiarinnenklosters St. Anna in Kempen (40 Ms. hist. 55) dürfte wahrscheinlich 
während der hessischen Besetzung des Paderborner Landes 1633-1636 und 
1646 in landgräflichen Besitz gekommen sein. Dietrich Von Fürstenberg hinter- 
ließ im Bestand der Manuscripta historica eine weitere Spur. Der Bischof setzte 
mit harter Hand gegen den Widerstand der evangelischen Bürgerschaft in Pa- 
derborn die Rekatholisierung durch.35 Der Jurist Wolfgang Günther (ca. 1578- 
1628)36, war als Stadtsekretär und Syndikus sowie Berater des protestantischen 
Bürgermeisters Liborius Wichart einer der führenden Köpfe der evangelischen 
Seite. Als bischöfliche Söldnertruppen 1604 die Stadt eroberten, brach ein Straf- 
gericht über die Protestanten herein. Wichart wurde hingerichtet, ein Schicksal, 
dem Günther nur entging, weil er als Abgesandter der Bürgerschaft mit einem 
Hilfeersuchen an Landgraf Moritz (1572-1632) unterwegs war. Seine Denk- 
schrift Relatio historica (20 Ms. hist. 22), die er dem Landgrafen übersandte, 
schildert diese Vorgänge." 
Paderborn sollte noch einmal, auf friedliche Weise, zum Bestand der Historica 
beitragen. Rudolf Erich Raspe (1771-1775) ist wohl der umstrittenste Kasseler 
Bibliothekar.38 Sein Bild in der Bibliotheksgeschichte wird verdunkelt Von sei- 
nem unrühmlichen Abgang aus Kassel - seiner Flucht aus Furcht vor Aufdek- 
kung begangener Unterschlagung mit anschließender steckbrieflicher Verfol- 
gung, Inhaftierung und nochmaliger Flucht ins englische Exil. Doch bis dahin 
genoß er das Wohlwollen seines Landesherrn und einen glänzenden Ruf in der 
wissenschaftlichen Welt: Friedrich II. berief ihn 1767 als Professor der Altertü- 
mer an das Collegium Carolinum und zum Aufseher des Antiquitäten- und 
Münzkabinetts mit dem Charakter eines Rats, schließlich zum 2. Bibliothekar. 
Er wird Mitglied der Societät der Wissenschaften in Göttingen und London, 
korrespondiert mit bedeutenden Gelehrten seiner Zeit - u.a. mit Herder -, 
forscht und publiziert und ist auch literarisch tätig. Im Sommer und Herbst 
1773 reist er im Auftrage des Landgrafen dreimal ins Paderbornische, um in 
den dortigen Klöstern Abschriften von Urkunden mit Relevanz für die hessische 
Geschichte zu nehmen. Von einer der Herbstreisen bringt Raspe als Geschenk 
des Abdinghofer Abtes Felix Tüllmann u. a. eines der heute wertvollsten Kasse- 
ler Historica mit: das Autograph der Vita Meinwerci (40 Ms. hist. 12)39. Über die 
35 Vgl. KOHL. 
36 NDB 7, S278i 
37 Günther, der fortan im Exil leben mußte, trat später in die Dienste des Landgrafen. Nach dessen er- 
zwungenem Rücktritt 1627 wurde er, der sich bei der alteingesessenen Ritter- und Beamtenschaft ver- 
haßt gemacht hatte, nach einem politischen Prozeß hingerichtet. 
38 BROSZINSKI IV, S. 166-169. 
39 MGH SS rer. Germ. 59 
XXXV
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.