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Verkehrswesen (Reichsbahn)
1. Teil
Allgemeine Bestimmungen über Beförderung von Personen.
1) Kinder bis zum vollendeten vierten Lebensjahre, für die
kein besonderer Platz beansprucht wird, sind frei zu befördern.
Für Kinder vom vollendeten vierten bis zum vollendeten
zehnten Lebensjahre sowie für jüngere Kinder, für die ein Platz
beansprucht wird, ist eine Fahrkarte, auch Schnellzugzuschlagkarte,
zum halben Preise zu lösen. Für zwei solche Kinder kann eine
Fahrkarte zum vollen Preise gelöst werden. Jedes Kind, für dessen
Beförderung bezahlt wird, hat Anspruch ans einen ganzen Platz.
2) Ein Reisender, der keine gültige Fahrkarte vorweisen kann,
hat für die von ihm zurückgelegte Strecke, wenn aber die Zugangs
station nicht sofort unzweifelhaft nachgewiesen wird, für die ganze
vom Zuge zurückgelegte Strecke das Doppelte des Fahrpreises,
mindestens jedoch 3 Reichsmark, zu entrichten. Dieser Betrag ist auch
zu zahlen, wenn sich der Zug noch nicht in Bewegung gesetzt hat.
Wer unaufgefordert dem Schaffner oder Zugführer meldet, daß er
keine Fahrkarte habe lösen können,hat einen Zuschlag von 50 Reichs
pfennig zu dem tarifmäßigen Preise, jedoch nicht mehr als das
Doppelte dieses Preises zu zahlen.
3) Der Reisende, der die sofortige Zahlung verweigert, kann
ausgesetzt werden.
4) Ein zur Abfahrt bereitstehender Zug darf ohne gültigen
Fahrausweis nur vorübergehend von Personen betreten werden,
die den Reisenden das Handgepäck in die Wagen schaffen oder
hilfsbedürftige Reisende, Frauen oder Kinder unterbringen
wollen. Wer zu anderen Zwecken den Zug betritt oder ohne
gültigen Fahrausweis darin verweilt, hat 3 Reichsmark zu zahlen.
5) Einen Zuschlag hat nicht zu zahlen:
a) wer auf einer Anschlußstation wegen Verspätung des be
nutzten Zuges oder wegen kurzer Übergangszeit eine Fahr
karte zur Weiterfahrt nicht hat lösen können und dies dem
Schaffner sofort unaufgefordert meldet,
I») wer in demselben Zuge über die Station, bis zu der seine
Fahrkarte gilt, hinausfahren will, dort aber keine Zeit zur
Lösung einer neuen Fahrkarte hat und die Absicht der
Weiterfahrt spätestens auf der ursprünglichen Bestimmungs
station dem Schaffner meldet,
c) wer in einem auf der Bestimmungsstation seiner Fahrkarte
nicht haltenden Zug über diese hinausfahren will und dies
dem Schaffner spätestens auf der letzten Haltestation vor der
ursprünglichen Bestimmungsstation meldet,
d) wer in eine höhere Klasse übergeht und dies vorher dem
Schaffner sofort unaufgefordert meldet,
e) wer eine Zuggattung mit höheren Fahrpreisen benutzt und
dies dem Schaffner sofort unaufgefordert meldet.
6) In Frauenabtcile dürfen Männer nicht zugelassen werden,
selbst wenn es die darin fahrenden Frauen zugeben. Die Mitnahme
von Knaben bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr ist gestattet.
7) In der ersten Wagenklasse darf, soweit nicht besondere Ab
teile für Raucher und Nichtraucher eingerichtet sind, nur mit Zu
stimmung aller Reisenden desselben Abteils geraucht werden.
8) In Nichtraucher- und Frauenabteilen darf selbst mit gu-
stimmung der Mitreisenden nicht geraucht werden. Wer dem zu
widerhandelt, hat 2 Reichsmark zu entrichten.
9) Rur mit Zustimmung aller in demselben Abteile reisenden
Personen dürfen die Fenster auf beiden Seiten des Wagens gleich
zeitig geöffnet sein. Im übrigen entscheidet, wenn sich die Rei
senden über das Öffnen und Schließen der Fenster nicht verstän
digen, der Schaffner.
Mitnahme von Handgepäck in die Personenwagen.
1) Leicht tragbare Gegenstände (Handgepäck) dürfen in die
Personenwagen mitgenommen werden, wenn die Mitreisenden da
durch nicht belästigt werden, und keine Zoll-, Steuer- oder Polizei-
vorschriften entgegenstehen.
2) In der ersten und zweiten Klasse und in der dritten Klasse
Schnell- und Eilzug steht dem Reisenden nur der Raum über und
unter seinem Sitzplatze für Handgepäck zur Verfügung. Auf den
Sitzplätzen darf Handgepäck nicht untergebracht werden.
Das Gewicht des Handgepäcks eines Reisenden darf insgesamt
25 Kilogramm nicht übersteigen. Handgcpäckstücke von mehr als
25 Kilogramm Einzelgewicht werden, auch wenn mehrere Personen
zusammen reisen, nicht zugelassen.
3) In die dritte Klasse Personenzug dürfen auch Handwerk-
zeug, Tornister, Traglasten in Körben, Säcken oder Kiepen und
ähnliche Gegenstände mitgenommen werden, wie sie ein Fußgänger
tragen kann.
Die Eisenbahn kann die Mitnahme dieser Gegenstände bei be
stimmten Zügen oder Wagen ausschließen. Das Gewicht der von
einem Reisenden mitgefühlten Gegenstände darf insgesamt 50 Kilo
gramm nicht übersteigen. Gegenstände von mehr als 50 Kilogramm
Einzelgewicht werden, auch wenn mehrere Personen zusammen
reisen, nicht zugelassen.
4) Werden Gegenstände, die nach Abs. 2 u. 3 nicht als Hand
gepäck zugelassen sind, trotzdem mitgeführt, so werden sie in den
Gepäckwagen gebracht und dort bis zur endgültigen Abfertigung
verwahrt. Für diese Gegenstände wird von der Station ab, auf der
der Reisende zugegangen ist, und wenn die Zugangsstation nicht
sofort unzweifelhaft nachgewiesen wird, von der Ausgangsstation
des Zuges ab je nach der Art des Gutes die Gepäck- oder Expreß
gutfracht mit einem Zuschlag von 10 Reichsmark, jedoch nicht mehr
als die doppelte Fracht erhoben.
5) Der Reisende hat die von ihm mitgeführten Sachen selbst
zu beaufsichtigen. Die Eisenbahn haftet dafür nur, wenn sie ein
Verschulden trifft.
a) Die in der 3. Kl. Personenzug zugelassene Traglast kann auch
aus mehreren Stücken bestehen. Gegenstände, die wegen ihres
Umfanges oder ihrer Anzahl ein einzelner Fußgänger nicht
tragen kann, oder die sich wegen ihres Umfanges zur Mit
nahme in die Personenwagen nicht eignen, werden auch dann
nicht als Traglasten zugelassen, wenn mehrere Fahrkarten
vorgezeigt werden.
b) Als Traglasten dürfen auch kleinere Tiere, ausgenommen
Ferkel, mitgenommen werden.
c) Fahrräder — gleichviel ob zerlegt oder unzerlegt — dürfen in
die Personenwagen nicht mitgenommen werden.
d) Schneeschuhe und Rodelschlitten dürfen in die Personen
wagen der Schnellzüge und in die erste und zweite Klasse der
Eil- und Personcnzüge nicht mitgenommen werden, in die
dritte Klasse der Eil- und Personenzüge nur dann,
wenn eine Belästigung der Reisenden und eine Beschmutzung
der Wagensitze ausgeschlossen ist. Die Eisenbahnverwaltung
kann auch bei einzelnen Eil- und Personenzügen die Mit
nahme in die dritte Klasse ausschließen.
Mitnahme von Tieren in die Personenzüge.
1) Lebende Tiere dürfen in die Personenwagen nicht mit
genommen werden.
2) Ausgenommen sind kleine Hunde und andere kleine Tiere,
die auf dem Schoße getragen werden, wenn ihrer Mitnahme in das
Abteil von den Mitreisenden nicht widersprochen wird. Hunde jeder
Größe dürfen mitgeführt werden, wenn ihren Besitzern ein be
sonderes Abteil zur Verfügung gestellt werden kann. In Schlaf- und
Speisewagen dürfen keine Tiere mitgenommen werden.
3) Für Hunde, die von den Reisenden mitgeführt werden, ist
die tarifmäßige Gebühr zu entrichten.
Für einen Reisenden werden höchstens 2 Hunde zugelassen.
Reisegepäck.
1) Der Reisende kann Gegenstände als Reisegepäck aufgeben,
die in Reisckoffern, Reisekörben, Reisetaschen, Reisesäcken, Ruck
säcken, Hutschachteln, handlichen Kisten oder dergl. verpackt sind.
2) Jedes Gepäckstück muß mit der genauen und dauerhaft
befestigten Anschrift des Reifenden (Name, ständiger Wohnort,
Wohnung), dem Namen der Versand- und Bestimmungsstation so
wie dem Tag der Auflieferung versehen sein. Nicht derartig ge
kennzeichnetes Gepäck kann zurückgewiesen werden. Ältere Be
zeichnungen (Eiscnbahnbeförderungszeichcn,Postbeförderungszeichen
sowie andere Zeichen, die mit Eisenbahnbeförderungszeichen ver
wechselt werden könnten), müssen von den Gepäckstücken ent
fernt sein.
3) Reisegepäck wird zu den Sätzen des Gepäcktarifs nur gegen
Vorlage von Fahrkarten angenommen, die nach der Station gültig
sind, für die die Gepäckabfertigung verlangt wird.
4) Reisepäck wird auch ohne Vorzeigung von Fahrkarten
zu den Sätzen des Expreßguttarifs nach Stationen angenommen,
nach denen Expreßgut abgefertigt wird. Das Mindestgewicht für
die Frachtberechnung bettägt 10 kg. Bei Gegenständen im Gewicht
von 11—15 kg wird die Fracht für 20 kg berechnet.