Full text: Technisches Gemeindeblatt (9.1906, 13)

Die erstere Straße hat eine Fläche von 6633 qm, und es wurde 
zweimal eine zehnprozentige, einmal eine fünfprozentige Lösung von 
Westrumit in Wasser mittels der gewöhnlichen Sprengwagen auf- 
gebracht, wozu 3150 1, also für 1 qm 0,47 l Westrumit erforderlich 
waren. Die Kosten stellten sich für die dreimalige Besprengung 
auf 10,5 Pf. pro 1 qm. Bei zweimaliger Absprengung der Berliner 
Straße mit zehnprozentiger Lösung wurden 2205 l, also für je 1 qm 
0,31 1 verbraucht; die Kosten betrugen nur 6,5 Pf. pro 1 qm. Es 
war eine Bindung des Staubes unverkennbar, doch die Wirkung 
nach Verkehrs- und Witterungsverhältnissen verschieden; jedenfalls 
wird etwa alle vier Wochen die Westrumitbesprengung zu erneuern 
sein. Die Kosten der einmaligen Besprengung mit zehnprozentiger 
Lösung (3,25 Pf. pro 1 qm) stellen sich jedoch viel zu hoch, da 
selbst bei Verwendung des kostbaren Leitungswassers die Abspren- 
gung von 1 qm makadamisierter Straßenfläche bei täglich zwei- 
maliger Sprengung nur 5,15 Pf. pro Jahr kostet. 
Man hat deshalb versucht, die makadamisierte Oberfläche durch 
Teer zu befestigen und hat hierzu Teer aus der städtischen Gas- 
anstalt verwendet. Der sehr stark von schwerem Lastfuhrwerke 
befahrene Windmühlenweg erhielt auf eine Fläche von 8736 qm 
einen solchen Teeranstrich; die Kosten hierfür stellten sich auf 
17,3 Pf. pro 1 qm. Hierbei wurde der Teer bis auf 60 Grad erwärmt 
auf die von losem Sande gereinigte, neu beschotterte Fläche auf- 
gebracht und mit einem Besen breit gekehrt. Nach dem Eintrocknen 
des Teers wurde ein schwacher Uberzug von Wassersand aufgebracht 
und die Straße nach sechs Stunden dem Verkehr übergeben. Die 
Straßenfläche war glatt und machte den Eindruck einer Asphalt- 
straße, zeigte geringe Staubbildung und nicht auffälligen Geruch. 
Nach einem Zeitraume von zwei bis drei Monaten war allerdings die 
schwache Teerdecke abgenutzt und hätte sich eine Wiederholung 
erforderlich gemacht, von der man aber mit Rücksicht auf die 
hohen Kosten absah. Weit länger hielt sich der Teeranstrich in 
weniger verkehrsreichen Straßen, sodaß auch im vergangenen Jahre 
die Versuche mit diesem Mittel zur Minderung der Staubbelästigting 
fortgesetzt wurden. Pr. 
Vereins- und. Kongreßnachrichten. 
XXXI. Versammlung des Deutschen Vereins für 
öffentliche Gesundheitspflege. 
Augsburg, 12.-15. September 1906. 
Über den wissenschaftlichen Teil der Verhandlungen lassen wir 
den kurzen Mitteilungen über den äußeren Verlauf der Versammlung 
in der vorigen Nummer folgenden Bericht folgen: 
I. Die Bekämpfung der Tollwut. 
Die Leitsätze des Referenten, Prof. Dr. Frosch-Berlin lauteten: 
1. Unter dem Einflusse sanitätspolizeilicher Maßnahmen hat eine 
deutliche Abnahme der Hundswut in Deutschland stattgefunden. 
2. Zur Vervollständigung dieses Erfolges erscheint die allgemeine 
Durchführung des Maulkorbzwanges und ein scharfes Vorgehen gegen 
herrenlose Hunde geboten. 
3. Die Wirksamkeit der 'I'ollwt1tbekämpftmgsmaßnahmen ließe 
sich durch gegenseitige behördliche Mitteilung beim Auftreten der 
Wut in den Grenzorten benachbarter Länder beschleunigen und ver- 
stärken. 
4. In verseuchten oder erfahrungsgemäß häufig von Hundswut 
heimgesuchten Orten wäre die Schutzimpfung der Hunde zu versuchen. 
5. Es ist noch mehr als bisher Sorge zu tragen für Belehrung 
des Publikums über den Nutzen der Pasteurschen Behandlung und 
die Notwendigkeit ihres möglichst frühzeitigen Beginns. 
6. Die Paste ursche Behandlung vermag die Tollwutinfektion 
beim Menschen unschädlich zu machen. Der Erfolg ist unter sonst 
gleichen Bedingungen um so sicherer, je kürzere Zeit zwischen Biß 
und Beginn der Behandlung vergeht. 
7. Der Erreger der Hundswut ist noch unbekannt. Die von 
Negri im Gehirne tollwutkranker Tiere entdeckten eigenartigen Zell- 
einschlüsse sind zwar nur der Tollwut eigentümlich, doch ist ihre 
ursächliche Bedeutung nicht bewiesen. ' 
Referent führte zur Begründung dieser Leitsätze in längerem 1 
Vortrag etwa folgendes aus: Die Tollwut der Hunde ist eine alte 
Seuche, aber als solche wenig beachtet worden, da sie nicht zu 
sehr verbreitet ist. Es sind im 18. Jahrhundert 13, im 19. Jahr- 
hundert 20 Seuchen der Tollwut festgestellt, und es starben 1800 
bis 1810 daran in Preußen allein jährlich 200-260 Menschen, während 
1810-4819 im ganzen 1053 Tlollwuttodesfälle verzeichnet sind. Es 
ist neuerdings eine Zunahme der Todesfälle und ein Anwachsen 
trotz der Erfolge von Pasteur erkennbar; es starben z. B. in Wien 
im Jahre 1884 nach Aufhebung des Maulkorbzwanges 141 Personen 
an Hundstollwut. Für das Jahr 1905 sind die Erkrankungen und 
Todesfälle auf einer vorgelegten Karte eingetragen und ist daraus 
zu erkennen, daß im Osten Deutschlands in Ostpreußen. Westpreußen, 
Posen und Schlesien, im Westen in Niederbayern, Obcrfranken und 
in der Oberpfalz wie auch im Königreiche Sachsen (Hauptherd 
Bautzen) die Seuche besonders stark aufgetreten ist, wohl wegen 
der Nähe der russischen und österreichischen Grenze. Die Tollwut 
erstreckt sich nicht nur auf Menschen, sondern auch, außer auf 
Hunde, auf Pferde, Katzen, Rinder, Schafe sowie Wölfe, Füchse, 
selbst Hirsche und Rehe. Es sind in den letzten 20 Jahren 14723 Tiere 
und 93 Menschen infolge Tollwut gestorben, und zwar entfielen 
85010 auf Preußen, 8010 auf Sachsen, 3,6010 auf Bayern, was durch- 
aus nicht der Verhältniszahl der von 831., zu 11]; zu 1 stehenden Ein- 
wohnerzahl entspricht; 9401i) aller von Tollwut in Preußen befallenen 
Menschen waren von Hunden gebissen worden. Nach Erörterung 
der Erscheinungen der Tollwut und der Beschreibung der Erkrankungs- 
zustände bei Menschen und Tieren, wird die Einrichtung des Pasteur- 
sehen Instituts in Berlin geschildert und dabei mitgeteilt, daß ein 
Aufenthalt von etwa 15 Tagen darin notwendig sei, um die Immunität 
herzustellen, daß von 2256 seit 1898 bis heute darin behandelten Per- 
sonen aber nur elf, also 0,49 "I0 gestorben seien, während von ge- 
bissenen, aber nicht behandelten Personen etwa 8 bis 4b "In sterben 
sollen, denn die Angaben schwanken. weil die Anzeigen nie genau 
zu erlangen sind. Es steht zu hoffen, daß Deutschland bald frei 
von Hundswut werde. 
In der sich anschließenden Diskussion sprach man sich mehr- 
seitig gegen den Maulkorbzwang aus, da er kein geeignetes Schutz- 
mittel biete, für Jagd-, Wach- und Schäferhunde sich nicht durch- 
führen lasse, vielartige Modelle erfordere und sich besser ersetzen 
lasse durch strenge Sperre mit Tötung aller Hunde in einem Bezirke, 
den ein toller Hund durchlaufen hat, scharfe Kontrolle durch 
Steuermarke und sonstigen Kampf gegen herrenlose Hunde. Die 
Kosten für die Einrichtung eines Pasteurschen Instituts zur Be- 
kämpfung der Tollwut werden mit 30000 M. beziffert, die der Unter- 
haltung zu 9000 M. jährlich angenommen. Es wird als erwünscht be- 
zeichnet, neben Berlin und Breslau auch im Westen Deutschlands 
ein solches Institut zu errichten. 
Il. Die Milehversorgung der Städte, mit besonderer Berück- 
sichtigung der Siiuglingsernährung. 
Referent: Stadtbezirksarzt Dr. Poetter (Chemnitz): 
Der Verein hat sich im Jahre 1908 mit der Frage der Milch- 
versorgung beschäftigt. auch im gleichen Jahre gelegentlich der Ham- 
burger Ausstellung für hygienische Milchversorgung ein Preisaus- 
schreiben für das beste Verfahren zur Versorgung der ärmeren Be- 
völkerung mit einwandfreier Milch erlassen, das noch unerledigt ist. 
Auch landwirtschaftliche Kreise und Handelsverbände beschäftigen sich 
mit dieser Frage. Der Wert der Milch als Nahrungsmittel, besonders 
auch für „delikate Magenwerkzeuge", ist längst anerkannt. Von den 
im Jahre 1904 in Sachsen lebend geborenen Kindern wurden 27,4 0].) 
nicht, 12,6 "ß weniger als sechs Wochen und 60 010 über sechs Wochen 
an der Mutterbrust ernährt. Es mögen jährlich in Deutschland etwa 
1200000 unter einem Jahre alte Kinder auf Kuhmilch als ausschließ- 
liche Nahrung angewiesen sein, hierzu kommen etwa 4112 Millionen 
Kinder im Alter von 2-4 Jahren, Kranke, Alte usw., die auf Milch 
als Hauptnahrungsmittel angewiesen sind. 
Die Milch unterliegt vielfachen Gefahren durch schädliche Bei- 
mengungen und Zersetzungen vom Kuheuter an bis zur Verwendung. 
Wesentlich von Einfluß sind das Futter der Milchkühe, ihr Ge- 
sundheitszustand und ihre Pflege, da man, dadurch veranlaßt, in der 
Rohmilch einen wesentlich verschiedenen Bestand an Bazillen ge- 
funden hat. Die Verunreinigungen der gemol-kenen Milch können 
von Krankheiten der Menschen herstammen, durch Verunreinigung 
der Gefäße veranlaßt worden sein und in Krankheitserregern sowie 
Schmutzteilchen bestehen. In Chemnitz mußten 1905 von 5336 unter- 
suchten Milchproben 2489, also 47 "[0 wegen Unsauberkeit beanstandet 
werden. Das konsumierende Publikum zeigt sich dagegen viel weniger 
empfindlich als z. B. gegen Verunreinigungen des Bieres. Wirk- 
same Mittel zur Beseitigung der der Milch drohenden Gefahren sind 
Auswahl gesunder Milchtiere, ihre sachgemäße Überwachung, Durch- 
führung einer vernünftigen Stallhygiene, Beobachtung peinlichster 
Sauberkeit. bei allen Manipulationen mit der Milch, Schutz der Milch 
in jedem Stadium vor Berührung mit kranken oder krankheits- 
verdächtigen Menschen, Dadurch wird im bakteriologischen Sinne 
gute, nahezu keimarme Milch erhalten werden können, die auf 
längere Zeit hinaus einer Zersetzung Widerstand bieten wird. Es 
sind verschiedene Arten von saprophytischen Keimen nach Flügges 
Untersuchungen in der Milch zu unterscheiden, die entweder 
zur Bildung des Kasefns beitragen oder die Buttersäuregärung ver- 
ursachen oder die fäulnisartige Zersetzung des Milcheiweiß her- 
beiführen; nach v. Behring hat man infolgedessen eine harmlose 
saure Gärung von einer gefährlichen alkalischen Gärung oder 
Fäulnis zu unterscheiden. Durch ein Sterilisieren in Form von Auf- 
kochen lassen sich die schädlichen Keime nicht abtöten, doch wird die 
Milch dadurch zerstört, und man kann deshalb nur das Pasteurisieren, 
Erhitzen bis etwa 700 C. empfehlen; natürlich kann durch beide 
Verfahren bereits zersetzte Milch nicht wieder genießbar gemacht 
werden. Besondere Gefahr erwächst der Milch noch im Hause der 
Konsumenten durch Unsauberkeit der Gefäße und ihrer Umgebung, 
Aufbewahrung in warmen, den Insekten zugänglichen Stuben oder 
Küchen. Dringend ratsam ist die Tiefkühlung, die Anwendung 
von Kälte sofort nach dem Melken, bei Aufbewahrung, im Gehöfte, 
auf dem Transport, im Milchladen und Haushalt. Die von Dunbar 
vor drei Jahren in der Dresdner Versammlung geschilderten Miß- 
stände beim Transporte der Milch nach den Großstädten bestehen 
noch heute; die polizeiliche Kontrolle beschränkt sich auf Unter-
	        
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