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Uw 9 Uhr rief uns das feierliche Geläute zur ho- !
hen Messe. Die Bürgerschützen, Compagnie, und
dse junge Bürgerschaft war unter den Waffen. Aus
der Mttle ihrer Fahne strahlte der Namenszug um
sereö Durchlauchtigsten Kurfürsten Wilhelm 1 -
sie bildete vom Rathhause bis in die Kirche eine
Allee, in welcher sich der Herr Commisswns, Rath
und Friedensrichter Licentiar Nöffel vom Elberberg
in feiner Kurhesslfchen Uniform, der Hr. Kantons,
Maire Haas und Herr Marre-Adjunkt Schmandt,
die ganze Munizipalität und Honoratioren zu der
Kirche verfügten. Ein Theil der SchützemCompagnie
mit zwei Offizieren und der Fahne erschien rm Chore
vor dem schvngeschmückren, und von lebendigen und
wohlriechenden Blumen umgebenen hohen Altare,
der andere Theil versammelte sich vor der Kirchrhüre,
um unter der hohen Messe die gewöhnlichen Salven
durch ein regelmäßiges Peletonfeuer zu geben. Um
ftrHr.Kaplan P.plusFischer sang mir seiner angeneh,
men Stimme die hohe Messe, die wir uns nicht ohne
Anhörung des Worts Gottes denken und deren Ein,
gang aus dem Lieblingstiede bestand: „Erfreue dich
o Hessenland!" „Für unsern Kurfürst beren wir K."
welches auch zwischen der Epistel.und dem Eoange,
lium fortgesuugen worden.
Nach dem Evangelium bestieg unser Hr. Stadt,
Pfarrer in seinen feierlichsten Ornate £>ie Kanzel,
wählte sich den Zcft Malach. Z, 7. „Kehret zu mtr
zurück, und ich will zu euch zurückkehren." Aue der
buchstäblichen Erklärung dieses Teures, deren wir
uns! immer versichern können, nahm er Gelegenheit,
von der sehnlichst gewünschten und ersteheten Rückkehr
Sr. Kurfürst!. Durchlaucht zu predigen , und die
Eigenschaften zu berühren, mit welchen wir und
alle Kurhessische Unterthanen, nach einer siebenjäh,
eigen beiderseits harten Prüfung zu unserem gelied,
ten Landesvater Wilhelm zurückkehren, und un,
ftr Landesvater zu uns seinen geliebten Landee-Kin,
dern zurückkehren will. Wir erinnerten uns der von
ihmamHuldigungötageanHieronymus Napoleon ge,
halrenen Rede, in welcher wir durch seinen Mund
uns nicht scheueten, öffentlich und laut zu bekennen,
daß uns die christlichkatholische Religion verpfiich,
tet, vor der aubefohlenenHuldigung die großen Vor,
theile zu erzählen, die wir unter der weisen Regie,
ru«g unseres Kur, und Landesfürsten Wilhelm I-
genossen habe«, ihm dafür kindlichst und feierlichst
zu danken und zu der allwaltenden Fürsicht zu beten,
daß fein theures Leben vor Krankheit, und feine ge,
heiligte Person vor Mißhandlung bewahret werde,
daß er als Nachahmer der Wetßheit Gottes aus
seiner Flucht und sonstigem Schicksale alles mögliche
Gute herausziehe, und den besten Ausgang, sollte
es such am Abende seines Lebens seyn, noch schrecken,
de Drohungen im Grande seyen, die Gefühle dieser
Erkenntlichkeit und dieses Dankes in uns zu ersticken,
daß kein seinenVater verspottender Cham, und kein sei,
)
nem.fliehenden Fürsten fluchender Seme! unter «nt
sey, und daß wir als ehemalige Mainzer an Elfter,
bleligkeil und Treue gegen unfein Kur« und Landes,
Fürsten gewöhnet, es ein für alle Male mit MofeS
und Paulus hielten, welche im Namen Gottes ge,
bieten und sagen: „Dem Volks,Fürsten sollst du
Nicht fluchen."
Nach der Predigt betete unser Herr Stadt Pfar
rer im rührendsten Ton das von ihm auf
diesen Tag ausgesetzte christkatholische Volkslied:
„Erfreue dich , 0 Hessenland!" dis zum letzten Ver,
fe. Man war nicht im Slanoe, den mindesten lau
ten Athmeuzug, so voll auch die Kirche von Men,
schen war, unter oer Predigt und diesem Volksliede
wahrzunehmen. So war Alles ein Ohr- Dicke Thrä,
nen quollen leise aus unseren Augen. -
Nach der heiligen Wandelung inronirte der Priester
das lelleurn, welches übersetzt: „Herr! Gott!
dich loben wir," abwechselnd unter Pauken und
Trompeten, unter dem Geläute nur ollen Glocken,
und forldaurendem Donner aus den kleinen Kano,
nen aus voller Kehle abgesungen worden. Nach die,
sem Te Deum wurden die Danksagungs t Collecren
aus dem römische» Missale abgefangen, der vor,
mittägige Gottesdienst mir dem Oetensor noster
„O Gort! du unser Schirmer bist!" beschlossen,
und wir nach erhaltenem Weihwasser entlassen.
Nach diesem feierlichsten Gottesdienste ging der Zug
ins Rathhaus zurück, und zum Beweise des guten,
Einverständnisses zwischen der geist» und weltlicher
Obrigkeit eröffnete denselben unser dazu gebetene
Herr Stadlpfarrer mit dem Herrn Kaplan. Unter
Paraoierung der Schützenkompagnie und jungen
Mann chaft, unter dem Paucken, und Trompeten,
schalle, unter den abwechselnden Salven, und un,
ter der wehenden und schwenkenden Bürgerfahne
wurden die höchsten Gesundheiten Sr. Kurfürst!.
Durchlaucht von Hessen W i l h e l m I., Jhro König!.
Hoheit der Frau Kurfürstin, Sr. Durch!, des Hrn.
Kurprinzen, Jhro König!. Hoheit der Frau Kur,
Prinzessin und des ganzen Kurfürstlichen Hauses,
und aller Anverwandten, getrunken. Die Luft er,
tönte von dem sich rm beständigen Vivatrusen aus,
drückenden Freudenjubel der Stadt, und der her,
bei geeilten Nachbarschaft. Die ganze Ordnung
der Dinge an diesem Danksagungsfeste, und des
Grad von Bieder-, Froh, und Gemeinsinn, von
Ordnung und Wohlstand gereicht unserem Herrn
Kantons, Maire Haas, und Herrn Maire, Adjunkt
Schmandt und der ganzen Munizipalität zur beson,
dern Ehre.
Naumburg, den 29. November i 8 i 3 *
Der Tag des Einzugs unsers vielgeliebten Kurfürsten
in die Residenz Kassel, war in Melsungen ein Tag
der Freude. Alle Klagen waren vergessen, und es
ertönte beständig der Ruf: — Es lebe der Kurfürst.