N° 139.
Kassel,
Donnerstag den 25. Oktober igidt
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Feuilleton
Westphälischeu
Hfl* x J
oder Supplement
Moniteurs.
Kassel.
Verdienste des Hm. Israel Jakobson,
Präsidenten des Israelitischen Konsistoriums im Kö
nigreich Westphalen, um die Beförderung der religiö
sen Kultur seiner Glaubensgenossen sind bekannt.
Seine aufgeklärte Denkungsart in dieser Hinsicht spie
gelt sich in seinen Handlungen, in seinen Reden, und
nicht ohne Interesse werden darum viele unserer Leser
die Worte vernehmen, welche er bei der neulichen
Trauung der ihm so theuern Tochter sprach :
"Wie einst Vater und Mutter tm£> Brüder ihre ge
liebte Rebeka, die Verlobte Isaaks, Poll Rührung
von sich scheiden sahen, so blicken auch wir, deine El
tern, auf deinen nahen Abschied hin, meine Tochter;
und wie sie beim Abschiede dieselbe segneten, so wer
det auch ihr, meine Kinder, von dem redlichen Va
ter gesegnet, der seine fromme Blicke für euer Wohl
zum Himmel erhebt, lind von der zärtlichen Mutter,
die ihr häusliches Glück so gern auf ihr geliebtes Kind
forterben möchte. Wenn schon der Religionelehrer,
den Beruf und Pflicht zur Mittheilung eines solchen
Segens verbinden, wenn schon die umstehenden Be
kannten, welche die Freundschaft zur Theilnahme an
einer solchen Handlung berief, sich zu den wärmsten,
herzlichsten Empfindungen erhoben fühlen: wie viel
mehr das väterliche Herz das d^ch jetzt, meine Toch
ter, seiner nähern Aufsicht entläßt, das dich mit den
gefühlvollstem Regungen auf deine Laufbahn begleitet,
d-as dir für diese Bahn gem einige Wünsche und Er
innerungen mitgeben möchte. O cs sind hohe, wich
tige Augenblicke, die gegenwärtigen, wo ihr, meine
Kinder, Hand in Hand vor mir stehet, wo ihr vor
dem Ewigen und vor diesen umstehenden Freunden,
euch auf immer verbinden, wo ihr euch durch diese
Verbindung eine Menge neuer Pflichten, die ehrwür
digsten und heiligsten Pflichten euch auflegen wollet.
Wir wollen sie nützen und festhalten, diese flüchtigen
Augenblicke, wollen an dem Anfangspunkte dieser
großen Laufbahn mikernstem feierlich-gestimnuenNach
denken verweilen, und sehen, ob wir euern Geist,
vielleicht für diese ganze Zukunft, zu einigenVorsätzen-
und Gesinnungen einweihen können, wie sie dieser
feierlichen Handlung und jener Laufbahn gebühren. !
Ich wende mich zuerst an dich, meine Tochter, als
diejen ge, die den Vater zunächst angeht. Ich darf
behaupten, daß die Pflichten, welche den Eltern ge
gen ihre Kinder obliegen, im vollsten Sinne des Worts
von mir und'dciner Mutter erfüllt sind. Mit dem ersten
Aug.'nblicke, in welchem du das Licht der Welt sahest,
haben wir dich mit einer Wachsamkeit, mit einer zärt
lichen Fürsorge erzogen, welche deinen Körper vor
Schaden, deine Gesundheit "vor zerstörenden Krank
heiten bewahret, und deiner physischen Entwickelung
keine Hindernisse in d.cu Weg gelegt hat. Aber noch
weniger vernachlässigten wir deinen Geist. Sowohl
durch Lehren, welche den Saamen der Tilgend und
Der Religiosität in dein Herz gcstreuet haben, als durch
unser eigenes Beispiel haben wir dich zur Sittlichkeit
anzuführen gesucht. Nicht bloß in den unentbehrli
chen weibischen Kenntnissen, sondern auch in denen,
welche deinem Geschlechte zur Zierde und zur Verschö
nerung des Lebens gereichen, haben wie nicht kärglich
für dich gesorgt. Auch in der Wahl deines künftigen
Gatten,.den du längere Zeit kennen zu lernen Gele
genheit hattest, haben wir deinen Wünschen entspro
chen. Was wir jetzt, an diesem wichtigen Abschnitte
deines Lebens, für diese Mühe von dir verlangen, ist
nichts, als der einzige Dank, den Kinder ihren El
tern zugeben vermögen: ein Betragen, welches der
Welt sagt, diese Eltern haben gute Kinder erzogen,
sie haben dem Staate nützliche Bürger geliefert. Nur
dieses, und zugleich die Zufriedenheit, das Glück ih
rer Kinder ist der beste Lohn für redliche Eltern. Zwar
werden sich seihst die besten Kinder in ihren frühern
Jahren nie so betragen, daß sie den Eltern nicht we
nigstens zuweilen einige Ursache zur Unzufriedenheit
gaben; aber, weit entfernt,'dir darüber Vorwurfe
zu machen, will ich vielmehr alles, was du etwa von
dieser Art gethan hast, für vergeben und vergessen er
klären. Mit ruhigem, unbelasteten Gewissem kannst
du also in deine neue Laufbahn eintreten, in diese
Laufbahn, wo Versprechen und freier Witte auf ewig
Herz an Her; knüpfen sollen; aber nicht mit rauschen
der Fröhlichkeit der gedankenlosen Jugend, nicht mit
jenem flatterhaften Leichtsinne derer, welche nur füh
len und genießen, aber nicht denken und überlegen;
sondern mit einer, von Ernst und Rührüng gemilder
ten , stillern Freude. Denn die Sache selbst ist ja des
höchsten Ernstes wohl werth. Ein Bund aufs ganze
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