halb der Stadt sollte die Genehmigung des Landgrafen erforderlich sein 86). Er hoffte offen-
bar, diesen den Charakter der Bibliothek grundlegend verändernden Antrag dadurch
schmackhafter zu machen, daß er zuvor einen Plan zur Beschaffung von Geldmitteln
unterbreitete. Der Antrag ist bereits in die Form einer landesherrlichen Verfügung ge-
kleidet, durch die der Landgraf die - schon wiederholt in Aussicht gestellte - Jahres-
leistung von 200 Rthlr. für Bücherbeschaffung öffentlich ankündigen und deren regelmäßig
vierteljährlich erfolgende Auszahlung anordnen sollte. Dazu sollte eine Sondersteuer
zu Gunsten der Bibliothek treten, zu der alle Beamten durch einmalige Zahlung eines
Monatsgehalts beitragen sollten, ferner alle Buchhändler, Buchdrucker und Buchbinder,
weiterhin alle Papiermüller, alle Juden, alle Studenten -_ den von ihnen einzuziehenden
Betrag stellte Schmincke dem Ermessen des Landgrafen anheim. Professoren und Ge-
lehrte sollten die Bibliothek fördern durch kostenlose Ablieferung je eines Stückes der von
ihnen verfaßten Schriften; die gleiche Auflage war den Buchdruckern zugedacht für jedes
von ihnen gedruckte Buch - dabei sollte dem Bibliothekar die Entscheidung vorbehalten
bleiben, ob er in diesem Fall das Buch selbst oder einen angemessenen Geldbetrag an-
nehmen wollte. Daß für jede im Lande abzuhaltende Bücherversteigerung eine ent-
sprechende Abgabe geleistet werden sollte, war nach der den Buchhändlern zugedachten
Verpflichtung unabweisbar, weniger zwingend die Einführung einer Abgabe bei Errichtung
eines Testaments. Und schließlich fehlte auch die Benutzungslgebühr nicht, zu der jeder
Bibliotheksbenutzer herangezogen werden sollte. Es waren dies Vorschläge von einer
Tragweite, die sich ihre Urheber, der Vater wie der Sohn, wohl nicht klargemacht haben,
und es ist wohl in erster Linie der in ihnen liegenden ungeheuerlichen Überspannung zu-
zuschreiben, daß sie auch dieses Mal schon rasch der Ablehnung verfielen: schon am
21. August erging die ebenso kurze wie deutliche Entscheidung der Regierung: „Beruhet".
Und es war ein recht dürftiges Aushilfsmittel, wenn zur Beschaffung der fehlenden Fort-
Setzungen usw. auf den hierfür schon mehrfach herangezogenen Verkauf der Doppelstücke
verwiesen wurde!
Ehe man dazu schritt, wurden die stärksten Anstrengungen gemacht, um eine Reihe
von noch bestehenden Einzelbibliotheken mit der Fürstlichen zu vereinigen. Ein im März
1777 erstatteter Bericht von Schmincke und Raspe - Rudolf Erich Raspe war am 8. Ja-
nuar 1771 zum 2. Bibliothekar ernannt worden (diese Stelle tritt hier zum zweiten Mal auf)
- führt als solche an die Hof-Bibliothek, die der Landbau-Gesellschaft, des Kunsthauses,
des Collegium Carolinum und des Hof-Bauamts; auch bei verschiedenen Kirchen, der Unter-
neustädter, der Martins- und der Hofkirche, waren Bibliotheken vorhanden, die aus
Stiftungen hervorgegangen vollkommen unzugänglich waren und, ohne die Absichten der
Stifter zu verletzen, wohl mit einer öffentlichen Bibliothek vereinigt werden konnten 87).
Der entschiedenen Weisung des Landgrafen gaben auch die Kirchenbehörden nach; die
Ablieferungen erfolgten freilich sehr allmählich, erreichten aber doch -im Laufe eines
Jahrzehnts die stattliche Zahl von rund 2500 Bänden.
Unmittelbar bevor mit dieser Sammlung begonnen wurde, war der Fürstlichen Bi-
bliothek ein namhaftes Vermächtnis aus Privatbesitz zugefallen: am 20. März 1769 über-
reichten die Jungmannschen Erben auf der Landkanzlei eine Erklärung, nach der sie die
soig. Jungmännische FideicommiB-Bibliothek der Fürstlichen Bibliothek übel-eigneten. Am
2. Mai wurde die Genehmigung zur Annahme erteilt und vier Tage später mit der Über-
führung begonnen. Es handelte sich um eine recht wertvolle Sammlung von rund 900
86) Antrag Schminckes, d. d. 13. August 1767. A, L. B. II, 3a.
87) Bericht Schminckes u. Raspes, März 1771. A. L. B. Xa, 4.