Vermutlich von der gleichen Hand und auf gleichem Papier aufgezeichnet ist 1905 dann auch ein Rollen-
verzeichnis aufgetaucht, das Ed. Becker leider arg beschädigt durch Schmutz, Nässe und Mäusefraß auf dem
Boden des alten Archivzimmers in der Walpurgiskirche entdeckte. Becker meint, daß es wohl ein Unikum
sein dürfte. Der Aufwand an Personen deutet hier darauf, daß es sich auf die Aufführung von 1517 be-
zieht, Es verrät uns, daß neben den Bürgern auch Priester und die vornehmen studierten Herren der Ver-
waltung, der Schöffe, Schultheiß und landgräfliche Gerichtsbeamte sich an der Darstellung beteiligten (vgl.
Archiv f. hess. Gesch. N. F. 7, S. 485 Hi). Über die Dirigierrolle vgl. E. Otto in den Quartalbl. d. histor. Vereins
für Hessen. N. F. 1. (1892), S. 151 B1; Edw.Schroeder in Anz. f. dt. Altertum 18 (1892), S. 299; H. Legband in
Archiv f. hess. Gesch. N. F. 3 (1904), S. 393 ff.
Über Aufführungen in Oberhessen und der Wetterau hat Zimmermann S. 12 ff. eine chronologische
Liste zusammengestellt.
Entstehung:
Da das Vorsatzblatt eine Fürbitte an den heiligen Franziskus trägt, so hielt Grein
(S. XIX) es nicht für unwahrscheinlich, daß das Spiel in seiner Entstehung nach dem Als-
feld benachbarten Friedberg weise, da es dort ein Franziskanerkloster gab. Vielleicht war
es ein aus Alsfeld gebürtiger Mönch, der es gegen Ende des 15. Jahrhunderts schrieb und
dann seiner Vaterstadt schenkte. Auch Legband stützte durchaus die Ansicht einer engeren
Verbindung des Alsfelder Spieles zu Friedberg und dem Franziskanerkloster; genauer wird
dann diese FrankfurtFriedberg-Alsfelder Interessengemeinschaft noch bei Zimmermann
beleuchtet und begründet. Einen weiteren Anhalt gewann Ed. Becker, dessen Spürsinn es
gelang, wenigstens den zweiten Schreiber, der die ersten Zusätze zum Spieltext machte,
durch Handschriftenvergleichung mit urkundlichen Schriftstücken zu ermitteln. Es ist
dies der Priester Heinrich Hültscher (Hölscher), der Kaplan an der Walpurgiskirche und
öffentlicher Notar (T 1547) war. Reste seines Grabsteins sind in der Walpurgiskirche noch
gefunden.
Geschichte und Herkunft:
Die romantische Geschichte der Rettung dieses mittelalterlichen Schauspiels hat
schon Vilmar bei seiner ersten Veröffentlichung darüber 1843 (S. 478 f.) angedeutet. Sie
wird dann ausführlich von Grein und ebenso bei Froning erzählt. Das Manuskript hat
unerkannt im Ratsarchiv zu Alsfeld bis zum Jahre 1842 geschlummert, wo bei einem Um-
bau „die unnützen Scripturen" aus dem städtischen Aktenmagazin an Juden verkauft wur-
den und das Passionsspiel zu einem jüdischen Krämer in Merzhausen bei Ziegenhain
wanderte, der offenbar wegen des unangenehmen Formates die Verarbeitung zu Düten so
lange aufschob, bis ihm der Pfarrer Gutberlet aus Breitenbach am Herzberg das mißachtete
Geschreibsel für einen Taler abkaufte. Er hat es dann im folgenden Jahre bereits dem
Prof.Vilmar überlassen, aus dessen Nachlaß es zusammen mit dem Weihnachtsspiel (vgl.
unter 7) in den Besitz der Landesbibliothek gelangte. Vilmar veröffentlichte zunächst nur
eine Probe, Ausgaben veranstalteten dann Grein (1874) und Froning (1891). 1928 wurde
das Spiel in stark gekürzter Fasung auch für die moderne Laienaufführung bearbeitet.
Literatur:
Vilmar, A. F. C., Alsfelder Passionsspiel in: Haupts Zeitschrift für dt. Altertum 3 (1843), S. 477-518, vgl.
ebenda 7 (1849), S. 549.
Alsfelder Passionsspiel mit Wörterbuch. Hrsg. von C. W. M. Grein, Cassel 1874.
Wirth, Ludwig: Die Oster- und Passionsspiele bis zum 16. Jahrh., 1889, S. 138 f., 307-325.
Das Drama des Mittelalters. Hrsg. von R. Froning, Tl.2,3 (1891). (Kürschners deutsche Nationalliteratur.
Bd. 14} und zwar Tl 2, S. 547-672, Tl. 3, S. 673-864 und Tabelle S. 998 ff.