nicht mehr als das Nadelöhr für die Kinder von schon auf
akademisches Berufsniveau gehobenen Herkunftsschichten
sahen. Um die begabten, aber bisher ausgeschlossenen Kin-
der zu fördern, mußte ein Lehrer etwas über die soziale Her-
kunft wissen und darüber, wie man diese Kinder anspricht
und welche Funktionen dabei gymnasiale Bildungsinhalte in
Zukunft haben sollten. Genau das sollte in Kassel in dem
sogenarmten Kernstudium erreicht werden, in das ein unge-
heures Engagement von Reformern bis in die Gegenwart
geflossen ist, die hier in Kassel ihre geistige Heimat gefun-
den haben.
U.H.: Die Gründungsphase, von der Sie beide sprechen, hat
unter ganz spezifischen Umständen Ende der sechzigerjahre
stattgefunden. Es waren Jahre, in denen man an die Nütz-
lichkeit von Planung für die angestrebte Abstimmung von
Bildungsnachfrage, Bildungsangebot und Arbeitsmarkt-
strukturen geglaubt hat.
v.F.: Man kann den Planungsglauben, der damals herrschte,
nur verstehen, wenn man vom Ende der sechziger Jahre
zurückschaut auf die Zeit, in der einer konservativen Bun-
desregierung - auch Ludwig Erhard - schon volkswirt-
schaftliche Gesamtrechnung als ein Stück Planwirtschaft
erschien. Dagegen hatte Hessen schon relativ früh mit Lan-
desplanung begonnen unter dem Gesichtspunkt, der ja im
Grundgesetz steht, daß gleiche Lebensbedingungen für alle
geschaffen werden sollen, und in mühevoller Arbeit u.a. ein
Schulprograrnm für den ländlichen Raum aufgelegt. An die
Landesraumplanung konnten wir dann unmittelbar anknüp-
fen. Das arme Land, das Hessen vorher gewesen war, wollte
Bildung und Wirtschaft gemeinsam aufzubauen versuchen.
Nun noch einmal zur Gesamthochschule: Sie entsprach
der Linie der neuen sozial-liberalen Bundesregierung, und
wir sahen die Bildungsreform an der Spitze aller Reformen.
Man bildete eine Bund-Länder-Bildungsplanungskommis-
sion, die erst möglich geworden war nach einer Grundge-
setzänderung, die schon die Große Koalition in denjahren
davor geschaffen hatte. So wurde so etwas wie Hochschul-
planung für das ganze Bundesgebiet mit finanzieller Beteili-
gung des Bundes machbar.
U.H.: Herr Oehler, würden Sie nach wie vor daran festhal-
ten, daß Bildungsplanung sinnvoll ist?