Wie fast überall in Deutschland, so wurden nach der Weltwirtschaftskrise zunehmend
auch in Gudensberg mehr Bürgerinnen und Bürger Anhänger der NSDAP (National-
sozialistische Deutsche Arbeiterpartei) und ihrer faschistischen Politik.
Bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 gaben 261 Gudensberger ihre Stimme
der NSDAP. Bald darauf, am 1. Oktober 1930, wurde die Gudensberger Ortsgruppe
gegründet. Sie bestand zunächst aus neun Mitgliedern.
Es begann eine massive Diskriminierung der Juden: Hausmädchen jüdischer Fami-
lien mußten ihren Dienst quittieren, Bauern durften nicht mehr mit Juden verhan-
deln, und es war untersagt, in jüdischen Geschäften zu kaufen. Diese Anordnungen
waren zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell verkündet, trotzdem achtete die
SA darauf, daß sie genau befolgt wurden. Vereine und Verbände (Gesangverein,
Turnverein...) wurden aus den Gaststätten getrieben.
Doch nicht nur Juden, auch politisch Andersdenkende, litten unter den Nazis. Die
hiesige SA (Sturmabteilung) warf die Sportgeräte des linksorientierten Turnvereins
von der Wenigenburg. Den traditionellen Arbeiterparteien Wurde strengstens verbo-
ten, in Gaststätten Versammlungen abzuhalten. Anläßlich eines Treffens auf der
Wenigenburg, wo der spätere hessische Ministerpräsident Georg August Zinn im
Februar 1933 eine Rede hielt, stürmten 30 bis 40 Männer der SA mit Hitler-Gruß den
Saal und umzingelten die dort Anwesenden; draußen wurden Wachen aufgestellt, die
Versammlung brutal beendet. Nach diesem Vorfall gab es in Gudensberg keine Ver-
sammlungen nichtnationalsozialistischer Gruppierungen mehr.
Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag am 24. April 1932 hatte die NSDAP in
Gudensberg bereits 615 Stimmen zu verzeichnen. Eine große Menschenmenge ver-
sammelte sich am 16. Juli des Jahres, um einer Kundgebung der NSDAP des Kreises
Fritzlar und dem Aufmarsch der Gudensberger SA beizuwohnen. Der Tag, der durch
ein Doppelkonzert der SA und der Stadtkapelle begann, endete mit einem großen
Fackelzug. Zur weiteren Verbreitung der nationalsozialistischen Idee fand am näch-
sten Tag ein Propagandamarsch der SA nach Besse statt, um die Macht der Arbeiter-
bewegung dort zu brechen. Vor der Koch'schen Wiese in der Schwänheid erfolgte die
Flaggenparade, Begrüßung und Verpflichtung der jungen SA-Mannschaften durch
den Standartenführer. Gauleiter Weinrich und Prinz August Wilhelm hielten Anspra-
chen über Großlautsprecher, die einen abegeisterten Beifallß (Gudensberger Chro-
nik) auslösten. Anschließend marschierten die SA-Männer stiefeldröhnend durch die
Stadt.