DIE ENTSTEHUNG DER GESAMTHOCHSCHULE KASSEL - HOCH-
SCHULPOLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Christoph Oehler
Zur Ausgangssituation in der Bundesrepublik
Der Entstehung der Gesamthochschulen liegen sehr unterschiedliche
Konzepte zugrunde, die sich auch in unterschiedlichen Organisations-
modellen niedergeschlagen haben. Sie sind nur verständlich auf dem
Hintergrund der bildungspolitischen und auch gesellschaftspolitischen
Ziele der gesellschaftlichen Gruppen, die diesen Konzepten in der Re-
formphase seit Mitte der sechziger Jahre Gewicht in der Auseinander-
setzung um den Hochschulausbau gegeben haben.
Die eine Gruppierung hat ihre Vorstellungen wohl am geschlossensten
durch die Bundesassistentenkonferenz im sogenannten Kreuznacher
Hochschulkonzept (1968) 1 und auf dem auf ihm aufbauenden Bergneu-
städter Gesamthochschulplan (1970) 2 artikuliert. Das Kreuznacher
Hochschulkonzept ist Bestandteil eines bildungspolitischen Programms,
das mehr Chancengleichheit und mehr Selbstbestimmung im Bildungs-
wesen unter anderem mit Hilfe der strukturellen Zusammenfassung der
Sekundarstufe bei gleichzeitiger innerer Differenzierung anstelle der
überkommenemeher selektiven Trennung der Bildungswege verwirkli-
chen will. Deshalb soll einem System von Gesamtschulen die Zusam-
menfassung des Hochschulbereiches in integrierte Gesamthochschulen
entsprechen. Diese umfassen zwar nur diejenigen Absolventen des
Schulsystems, die eine Hochschulreife erworben haben. Immerhin sol-
len diese aber am Hochschulort ein nicht mehr nach Zugangswegen
hierarchisch gegliedertes Angebot an wissenschaftlichen Ausbildungs-
wegen vorfinden. Außerdem sollen der Übergang von dem - integrier-
ten - allgemeinbildenden Schulwesen durch stärkere Förderung anstelle
von Selektion quantitativ verbreitert und vor allem durch ein stärker
integriertes Curriculum bis zum Abitur I die individuellen Bildungswe-
ge offener gehalten werden. Die zugrundeliegende Bildungsvorstellung
ist die der Verwissenschaftlichung immer weiterer Lebensbereiche, die
sich auch in den Lehrplänen niederschlagen und den Übergang zum Hoch-
schulbereich bruchloser gestalten müsse. Dem entsprechen einzelne
Reformmodelle für diesen Übergang, so der Zielsetzung nach der Evers-