Lukarnen mit architektonischen Metallumrahmungen belebt. Statt der von Ruhl gezeichneten Kupferbedachung
findet sich Schiefereindeckung nach deutscher Art, die wohl als die ursprüngliche anzusprechen ist. Als Bau-
material für die Fronten ist roter Sandstein verwandt, in den Architekturteilen geschliffen, in den Flächen gekrönelt.
Wesentlich einfacher im Äußeren als der Vorderbau ist der Hinterflügel ausgefallen. Seine Gliederung
beschränkt sich auf die Anordnung von Pilasterstreifen und die Aufteilung der Zwischenfelder in rechteckige
Flachnischen. Als wagerechte Gliederung ist ein schlichtes Band in Höhe des Gurtgesimses des Vorderbaues
durchgeleitet. Um den Bauteil, der in seiner Höhe etwa nur die Hälfte des Vorderhauses erreicht, mit diesen
in architektonische Beziehung zu bringen, sind an den vier Ecken pylonenartige Flankenbauten hochgeführt, die
vom Hauptgesims und Brüstungsgeländer des Vorderbaues umzogen werden. Reichere Behandlung hat nur der
Mittelteil der Hinterfront gefunden, der als Giebelbau mit Seitenpilastern ausgebildet ist und das Portal enthält,
das sich der Fensterarchitektur des Vorderbaues anschließt. Das flache Dach tritt fast ganz zurück.
ln der Benutzung des Vordergebäudes ergab sich mit der Zeit dadurch eine Änderung, daß auch das
zweite Obergeschoß für Geschäftszwecke in Anspruch genommen wurde. Hand in Hand mit dieser Ausdehnung
der Verwaltung ging eine Umgestaltung des lmpluviums, die zwar eine Verbesserung des Verkehrs bedeutete,
aber zugleich die vornehme Raumwirkung aufhob. Der intime Lichthof erhielt den Einbau einer auf dünnen
Stützen ruhenden, vom ersten zum zweiten Obergeschoß führenden Eisentreppe und den Aufbau einer Glas-
verschalung. Gleichzeitig erfolgte die Abtrennung eines windfangartigen Flures in der Halle des zweiten Ober-
geschosses. lm Erdgeschoß wurde das Aufenthaltszimmer des Kurfürsten, das nach Aufhebung des Kurstaates
zu anderweitiger Benutzung frei stand, als Sprechzimmer und das ehemalige Archiv als Schatzkasse eingerichtet.
Ein Besitzwechsel beim Hause vollzog sich 1902. Durch Vertrag vom 9. September dieses Jahres mit rück-
wirkender Kraft zum 1. April trat der Staat gegen eine Entschädigung von 150000 Mark sein Eigentumsrecht
dem Bezirksverband ab} Gleichzeitig beschloß der Kommunallandtag die Vornahme eines Um- und Erweiterungs-
baues, der durch Einrichtung einer Dienstwohnung für den Landeshauptmann und das Bedürfnis nach Beschaffung
weiterer Geschäftsräume bedingt war.
Zur Erlangung geeigneter Entwürfe wurde im Juni 1902 ein Wettbewerb unter den Architekten der
Provinz ausgeschrieben, der indessen ein befriedigendes Ergebnis nicht lieferte. Als wesentlichen Gesichtspunkt
enthielt das Programm die Bestimmung, daß „das Ständehaus als historischer Monumentalbau im Äußeren
thunlichst keine Veränderung erfahren" sollte. Umgestaltungen im Innern erschienen unvermeidbar. Auch ein
anderweitiger Ersatz des Saalbaues wurde als nötigenfalls zulässig bezeichnet. Um ein maßgebendes Urteil
über die Behandlung des Altbaues zu gewinnen, zog man ein Gutachten des Professors Fr. von Thiersch in
München ein. Thiersch kam zu dem Ergebnisse, daß das Bauwerk, das er in seiner ganzen Anlage architektonisch
hoch bewertete, besondere Schonung verdiene. „Das Ständehaus", heißt es in seinem Gutachten, „ist in seiner
jetzigen Gestalt eine künstlerisch sehr beachtenswerte Leistung. Sie verdient um so höher geschätzt zu werden,
als ihre Entstehung in die Zeit der größten architektonischen Ratlosigkeit fällt. Es dürfte kaum irgendwo in
Deutschland aus den 30 er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein bedeutenderes Werk zu nennen sein, bei dem
der Schöpfer den Mut gefunden hätte, den Palastbau der oberitalienischen Renaissance in so verständisvoller
und frischer Weise anzuwenden. Das Ständehaus ist deshalb wohl als Vorläufer für die Wiederaufnahme des
italienischen Geschmackes im vorigen Jahrhundert zu betrachten. Die vornehme Art, wie es auf dem verfüg-
baren Grund in reichlichem Abstand von den Nachbargrenzen errichtet ist, muß wohltuend ins Auge fallen.
ln anmutiger Weise hat es der Erbauer verstanden, die natürliche Steigung des Baugrundes nach rückwärts
durch eine im weiten Halbrund geschwungene Terrassenmauer mit Balustrade und Freitreppe zu überwinden.
Als Ganzes betrachtet, erscheint das jetzige Ständehaus in gewissem Sinn als eine organische Gesamtcomposition,
welche nicht geeignet ist, tiefere Eingriffe zu erleiden." Thierschs Vorschlag ging dahin, „es möge auf die
Anlage einer Dienstwohnung für den Landeshauptmann verzichtet werden und das übrige Bauprogramm in den
ebenerdig entwickelten Begleitungstracten an den Saallangseiten und ineeinem einheitlichen neuen Quertract
1 Akten betr. Ständehaus. Ständehaus Cassel.
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