Gebäude.
Aus dem Jahre 1782 rührt ein größerer Entwurf her, der nicht nur eine erhebliche Erweiterung des
Schlosses und eine Modernisierung seiner Fronten, sondern auch einen großartigen Ausbau seiner Umgebung
vorsah. Dieser Entwurf, dessen sauber ausgeführte Urzeichnungen mit dem Text in einem besonderen Bande
zusammengestellt sind 1 und zwei Lösungen der bedeutenden Aufgabe bringen, interessiert deshalb, weil er in
den Grundrissen den Zustand des Schlosses zu Ausgang des 18. Jahrhunderts wiedergibt. lm Erdgeschoß fällt
am meisten auf, daß der Südwestflügel zu einer großen, säulengeteilten und mit Kreuzgewölben überdeckten
Eingangshalle umgewandelt ist. lm Obergeschosse nimmt der Goldene Saal wie früher sieben Fensterachsen des
Nordwestflügels ein. Die in der Ostecke gelegene Kirche, neben der sich noch die besondere katholische Ka-
pelle findet, geht durch zwei Stockwerke hindurch. Die sonstige Bezeichnung der Räume ist für die Kennt-
nis des bestehenden Zustandes nicht immer zuverlässig, da sie, offenbar neue Vorschläge, stellenweise wechselt.
Der größere von den beiden Entwürfen sieht einen um einen Hof gruppierten Dreiflügelanbau an den Längs-
seiten des Schlosses vor; der kleinere, aber ansprechendere, bringt Vorbauten an den Schmalseiten. Der Ent-
wurf war wohl in zu großem Maßstabe gehalten, als daß seine Ausführung möglich war. Man beschränkte
sich darauf, die Säle, wie sie waren, auch weiterhin künstlerisch zu vervollständigen und zu modernisieren.
1782 hatte der lnspektor Tischbein auf die Kamintüren in Serenissimi Appartements sechs Bilder zu malen
und erhielt für das Stück 12 Taler. Für zwei Gemälde auf einer Kamintüre im Blauen Kabinett wurden ihm
20 Taler ausgezahlt! Dieses Blaue Kabinett erfuhr im folgenden Jahr eine weitere Bereicherung dadurch,
daß vier Kronleuchter von Cronoulu mit Kristallgehängen aus Straßburg beschafft wurdenß
Den letzten Einbau in das Schloß unternahm Wilhelm l. kurz nach seiner Ernennung zum Kurfürsten.
Die neue Würde ließ ihm die Entfaltung größeren Glanzes an seinem Hofe geboten erscheinen, weshalb der
Oberbaudirektor Jussow den Auftrag erhielt, einen neuen Querflügel im inneren Schloßhof aufzuführen. 1804
war das „schwere Unternehmen, ein gothisches Gebäude mit der schönen und reinen Architektur künstlich zu
vereinigen, und eine Reihe von Pracht-Zimmern einzurichten" glücklich zu Ende geführt. Ein Zeitgenosse,
wohl niemand anders als der Hofbildhauer Ruhl, gibt eine Beschreibung des Erweiterungsbauesß der „aus
massiven Steinen aufgeführt worden, und darin eine pomphafte Treppe zu den Zimmern des Kurfürsten" führte.
„Zuerst tritt man in den sogenannten Schweizer-Saal. Links an diesem ist der in seiner Art einzige, aus ver-
flossenen Jahrhunderten herstammende sogenannte goldene Saal, mit gothischen Ornamenten, der den Beschauer
in eine ganz eigene Stimmung versetzt. Aus dem Schweizer-Saal kommt man in den Garde du Corps-Saal,
und aus diesem in den nunmehrigen Marmor-Saal. Neben diesem ist ein Speise-Zimmer, dessen Wände mit
schönen Arabesken von Range verziert sind. Hierauf folgt das erste Vorzimmer, mit gelb und weißem Tamast
tapeziert. Aus diesem tritt man in das zweite Vorzimmer, welches mit Orange-Blumen-Tapeten geziert, und
einer blau-brochirten Bordure garniert ist. Die Meubels sind weiß, mit vergoldeter Bildhauer-Arbeit, die Decke
ist von Range gemalt, und die Süpports oder Frieße sind von Böttner's Hand. Vorzüglich aber zeichnet sich
durch Pracht der Audienz-Saal aus. lhn ziert eine geschmackvolle Decke mit Stukkatur-Arbeit, zum Teil ver-
goldet. Die Wände sind von rotem Tamast, mit einer 8 Zoll breiten Bordüre. Die Durchsicht bei'm Eintritt
geht durch vier vergoldete ionische Säulen nach dem Throne hin, welcher von rotem Sammet mit goldenen
Frangen behangen ist; der Thron-Sessel, so wie alle hier befindliche, mit Bildhauer-Arbeiten reich verzierte
und vergoldete Meubels sind von dem Hof-Bildhauer Ruhl. Die treffliche Garnierung rührt von dem bereits
durch seine Arbeiten auf der Wilhelmshöhe rühmlich bekannten Hof-Tapezierer Wenderoth, und die schöne
Vergoldung von Mensing her. ln sämtlichen Zimmern sind die Tapeten von Lyoner Stoff. Das ganze Ameub-
lement ist unter der Direktion des Herrn Hofmarschalls, Grafen von Bohlen, dessen die Maler-Akademie sich
gegenwärtig als ihren Präsidenten zu erfreuen hat, nach Ruhl's Zeichnungen, verfertigt worden."
l Description des nouveaux proiets de restauration du palais de S. A. S. Monseigneur le Landgrave regnant de Hesse F're'deric ll.
Compose G: presente par de Wailly . . . 1782. Handzeichnungen. Landesbibliothek Cassel.
' Chatoulrechnung 1782. Staatsarchiv Marburg.
' Chatoulrechnung 1788. Staatsarchiv Marburg.
f Justi, Denkwürdigkeiten IV 1 S. 493 f, wo der Verfasser sich nur mit seinem Anfangsbuchstaben R aufführt.
a Cassel.
Tafel 189