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Don der Abteilung für Volkskunst im Museum der Universität zu Marburg
Ein Bericht über Neuerwerbungen und Neuaufstellung
von Albrecht Kippenberger
Die Kunstsammlungen des Museums im Iubiläums-
bau zu Marburg spiegeln noch heute die Eigenart und
die Vielseitigkeit ihres eigentlichen Begründers, des
Konservators Dr. Ludwig Bickell (1838--1901). Dieser
hatte sich aus manchen Gebieten zum besten Kenner
durchgearbeitet, war aus anderen überhaupt bahnbrechend.
Es sei nur erinnert an seine Studien zur Geschichte des
Orgelbaues, an seine Veröffentlichung über Buchein
bände, an seine Forschungen über den frühen künstleri
schen Eisenguß in Hessen und vor allem an seine Arbei
ten über Fachwerkbau. Von allen diesen Arten des
Kunsthandwerks kann das Museum hervorragende Stücke
oder ganze Sammlungen aufweisen.
Die Nachfolger Bickells in der Betreuung der alten
Sammlung des Hessischen Geschichtsvereins, alle unter
dem Eindruck der seltenen Persönlichkeit Bickells stehend,
waren bei der Vermehrung der Sammlung von dem
gleichen Geiste beseelt, und auch die Museumsleitung,
die die Sammlung 1925 übernahm, um sie 1927 in das
neue Gebäude der Universität, den Iubiläumsbau, zu
überbringen, kannte, von den bisherigen Pflegern der
Sammlung r ) in die Tradition eingeführt, kein anderes
Ziel, als deren Eigenart zu wahren und zu vertiefen. Die
neuen großen lichten Räume gaben nun ganz andere
Möglichkeiten, durch sinnvolle Aufstellung die einzelnen
Stücke zur Geltung zu bringen und überhaupt den Plan
Bickells eines großen hessischen Heimatmuseums der Er
füllung wesentlich zu nähern. Auch die Gelehrten, Künst
ler und Freunde der Heimat, die teils als Forscher die
geistigen Voraussetzungen geschaffen batten, teils als Hel
fer und Sammler auf ihren Sondergebietcn mitarbei
teten, wiesen diesen Weg 5 ).
Alle Gebiete wurden durch Neuerwerbungen bereichert.
Eine Hauptaufgabe war die Gründung einer Galerie
hessischer Gemälde, insbesondere der Willingshäuser
Schule. Daneben galt aber aller Eifer dem Ausbau der
Abteilung für Volks- und Bauernkunst. Hierauf lag
auch schon der Nachdruck der alten Bickell'schen Samm
lung. Von allen Seiten her hatte Vickell Teile von Fach
werkbauten, die zum Abbruch kamen, hereingeholt, wie
z. B. die prächtigen, noch gotischen Balkenkopfkonsolen
des ehemaligen Fischer schen Hauses in Marburg (1859
abgetragen), die gotischen Verschalungsbretter des 1511
bis 1514 errichteten Heidwolff'schen Hauses, wichtigste
Aufbauteile mit den höchst bemerkenswerten Hänge-
zapsen des „ältesten deutschen Holzhauses" von der Neu
stadt in Marburg, dessen Entstehungszeit Karl Schäfer 1 2
1) Neben Staatsarchivdirektor Küch und dem Konservator
der Sammlung Maler Giebel muß hier vor allen Dingen
Staatsarchivdirektor Knetsch genannt werden, der die Tradi
tion der Sammlung wahrte und aufs engste mit ihr vertraut
und verbunden war.
2) Es seien nur folgende Namen hervorgehoben: Küch, von
Orach, Nosenfeld, Iusti, Knetsch, Kürschner, Gutbier, Ubbe-
lohde, Vantzer, Giebel, Heer, Oauber, Schimpf, Rumpf, von
Vaumbach, Wessel, Lenz, Meher-Barkhausen.
auf Anfang des 14. Jahrhundert ansetzt, geschnitzte Eck
pfosten von dem 1889 abgebrannten Haus „Zum grünen
Baum" in Lichtenau, Schwellenverschalungen mit ge
schnitzten Delphinen und Masken von einem Hause des
16. Jahrhundert in Orb, Gebälk mit Halbrädern von dem
Schott'schen Hause Ecke Markt und Nikolaistraße in Mar
burg von 1558 usw. Geschnitzte Bauernhaustüren rettete
Bickcll vor dem Untergang. Die Sammlungen von bäuer
lichen Stickereien und Töpfereien sind durch die Veröf
fentlichungen von K. Rumpf bekannt geworden- Bauern
möbel aller Art, vor allem auch Betten, gelangen zur
Zeit gerade zur Ausstellung — ungehoben dagegen sind
bisher noch die in vielen Jahrzehnten aufgespeicherten
Schätze an Trachten.
Die 10. Wiederkehr der Gründung des Universitäts-Mu
seums im vergangenen Sommer gibt nun Veranlassung, die
hauptsächlichen Neuerwerbungen von Arbeiten des Kunst
handwerks auf dem Lande einmal zu zeigen. Welch hohes
künstlerisches Bedürfnis ist bei dem Bauer vorauszusetzen,
der die Türe, die wir unter Nr. 1 abbilden, anfertigen ließ,
die im vergangenen Fahre aus Ernsthausen bei Rauschen-
berg übernommen wurde! Bei einem Umbau des Hauses
Abbildung 1. Türe aus Ernsthausen von 1692
Aufn.: Kunstgesch. Seminar, Marburg