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verhältnismäßig ausgeprägt- die Grenzzonen sind schmal.
Gerade bei der für uns in Frage kommenden Trennungs
zone aber, im Süden unseres Gebietes, wo die in Hessen-
Nassau allgemein verbreitete „Kirmes" von der ober
deutschen „Kirchweih" abgelöst wird, ist ein Ziemlich star
ker Einbruch der südlichen Form „Kirchweih" in den
„Kirmesbereich" zu spüren. Bis in den Vogelsberg und
an die Lahn bei Limburg ist „Kirchweih" vorgedrungen
und hat, besonders um Wiesbaden, Frankfurt und Geln
hausen, „Kirmes" stark verdrängt (s. Abb. 2). Das Tor
für das von Süden eindringende volkstümliche Gut ist
die Wetterau und vor allem das Verkehrszentrum Frank
furt. Die Einwirkung dieser Stadt auf die Volkssprache
ist bekanntlich sehr groß. Sie macht sich bis in die Ge
gend von Gießen bemerkbar. So ist auch die Erschei
nung auf der „Kirmes"-Karte zu verstehen.
Die Karte 11 zeigt die Verbreitung des Schützen-
f e st e s und seiner Abarten. Sie ist die Ergänzung zu
der vorigen Karte. Das Schützenfest lebt vor allem da,
wo die Kirmes nicht gefeiert wird: in Norddeutschland.
Daß der Brauch sich daher auch im Norden KurhessenS
findet, ist verständlich, nachdem wir gesehen haben, daß
die Volkstumsgrenze durch unser Gebiet hindurchläust
Aber die Angaben gehen nur vereinzelt bis an diese
Grenze heran. Die Kirmes ist schon in dem Grenzgebiet
heimisch geworden und hat anscheinend das nieder
deutsche Volksfest verdrängt.
Das Schützenfest tritt sehr vereinzelt in ganz Deutsch
land auf, und so findet man es auch in unserer Provinz
zwischen Eder, oberer Lahn, Ohm und Schwalm. Es
wird sich aber bei den zerstreut vorkommenden Festen
hier und da um neuere Einführungen und nicht um ein
althergebrachtes Volksfest handeln. Manche Orte feiern
das Fest auch nur alle paar Fahre, was aus der Karte
nicht hervorgeht.
Die Karte 12, die die Verbreitung der F a st n a ch t
zeigt, hat für unsere Betrachtung kaum Bedeutung. Fast
nacht wird nur um Fulda und ganz vereinzelt westlich
der Fulda bis nach Kassel hinaus gefeiert- das ganze
übrige Gebiet hat das Fest nicht. Es geht hier natürlich
nur um das wirkliche Fastnachtf eiern. Bräuche, die
mit der „Fasenacht" verbunden sind, findet man in
Hessen überall, man denke nur an die Heischeumzüge, an
das Specksammeln der Kinder, wobei sie die „Grieben"
an einem Spieß tragen, an das „Topfwerfen" der Bur
schen. Alle diese Dinge mußten auf der Karte selbstver
ständlich unberücksichtigt bleiben.
Karte 13 behandelt die Frage nach dem Kinder
fest. Sie zeigt in unserem Raum zwei geschlossene Ge
biete. Das eine in Waldeck, wo das „S ch u l f e st" Zu
Hause ist, das andere in Oberhessen, wo man das „Kin
de r f e st" feiert. In den übrigen Teilen der Landschaft
fehlen die Angaben so gut wie ganz.
Mit Karte 14 lernen wir einen neuen Kartentypuö
kennen, die Bedeutungskarte. Wir hatten bisher
Karten, die den Bestand und die Verbreitung eines
Brauches bezw. eines Glaubens veranschaulichten, ferner
eine, die neben dem Bestand und der Verbreitung
gleichzeitig die verschiedenen Namen für diese eine
Sache (Kirmes) in ihrer geographischen Ausdehnung an
gab, und wir haben es jetzt mit einer Karte zu tun,
welche zeigt, was eine Bezeichnung alles bedeuten
kann. Unsere Karte stellt fest, was man in den verschie
denen Gegenden mit dem Worte „Korn" meint. Wir in
Hessen verstehen unter „Korn" den Roggen, und damit
ist unser Raum eingegliedert in den mitteldeutschen-süd-
deutschen Raum. Es gibt aber Gebiete, in denen „Korn"
auch für Gerste, Hafer, Dinkel oder Spelt gebraucht
wird, und es gibt ein großes Gebiet, ungefähr ganz
Norddeutschland, in dem „Korn" die Gesamtheit des
Getreides, also das, was bei uns allgemein „Frucht"
heißt, bedeutet. Dies niederdeutsche Gebiet greift im.
Norden in unseren Bezirk herein. Vis zur Eder findet
man Belege, einen sogar südlich derselben. Hier tritt
also wieder die bekannte Volkstumsgrenze hervor.
Was für ein Wesen sitzt nach der Meinung des Vol
kes im Mond? Diese Frage behandelt Karte 15. All
gemein verbreitet ist in Deutschland der Glaube, daß
ein Mann im Mond sitze. Vielfach aber sieht man darin
auch eine Frau, ein menschliches Paar, eine Gestalt aus
der Volkserzählung, eine christliche Gestalt usw. Der hes
sische Raum kennt fast ausschließlich den Mann im
Mond. Nur ganz wenige Orte geben eine Frau, ein
Tier, ein Gesicht und eine Gestalt aus der Volkserzäy-
lung an. Daneben gibt es ein paar Orte, die dem
Mondgesicht einen Personennamen beilegen- und gerade
in dieser letzten Angabe unterscheidet Hessen sich auf
fallend vom Rheinland und von Thüringen, wo die Orte
sich häufen, die dem Mondgesicht einen Namen geben.
Hessen erscheint in diesem Punkt wie die süddeutschen
Länder und wie Nordwestdeutschland. Hier tritt der
Charakter unseres Raumes als Durchgangslandschast
für den Verkehr von Süden nach Norden deutlich zutage.
Oer Zusammenhang mit den im Westen und Osten be
nachbarten Gebieten ist Zerrissen, Hessen zeigt sich als
ausgeglichenes Gebiet zwischen Süd und Nord. Die
wenigen Belege, die aus der Karte recht deutlich hervor
gehoben sind, sind Neste einer ehemals jedenfalls wohl
weiter verbreiteten Erscheinung. Derselbe Zusammen
hang mit dem Norden und dem Süden auf der einen,
und der Gegensatz zu den westlichen und östlichen Nach
barlandschaften auf der anderen Seite zeigte sich uns
schon, wenn auch weniger ausgeprägt, bei der Betrach
tung des Sonnabends und Sonntags als Glücks- oder
Unglückstage.
Auf Karte 16 ist dargestellt, was der Mann im Mond
trägt. Hier ist bei uns wie in dem größten Teile des
Reiches die Meinung verbreitet, daß die Last ein Reisig
bündel sei. Ein Ort an der Ohm gibt ein Traggerät an.
Karte 17, die die Formen der Kinderwiege in ihre'
Verbreitung zeigt, ist für uns sehr interessant und beson
ders wichtig. Hier treten Kurhessen und Waldeck als ein
Kerngebiet, und zwar als einziges in Deutschland her
vor, welches den Längsschwinger hat (s. Abb. 3). Oer
Längsschwinger ist die Wiege, bei der die Gchwingkufen
in Längsrichtung unter dem Bettkasten angebracht sind.
Das Gebiet greift nach Westen und Osten etwas über
die Grenzen der Provinz hinaus, aber das eigentliche
Kerngebiet ist die Nordhülste unseres Bezirkes. Südlich
dieses Lüngsschwingergebietes ist der Querschwinger zu
Hause, die allgemein verbreitete Wiegenform in Deutsch
land. Im Vogelsberg und weiter südlich haben einige
Orte einen noch anderen Typ, nämlich den an der Zim
merdecke aufgehängten Bettkasten. Diese Form findet