Zum Schluß sei eines höchst volkstümlichen Vogels
gedacht, dessen Gestalt weniger durch sein selten beach
tetes Auftreten als auf dem Umweg über die hymnischen
Lobpreisungen dichterischer Naturverherrlicher Eingang
in die Vorstellungswelt des Volkes gefunden hat, der
Nachtigall.. Diese gefeierte Primadonna des be
schwingten Volkes, die an Orten, die ihr die verlangten
Lebensbedingungen bieten, wie die Auen der großen
Ströme, ein ganz gewöhnlicher Vogel ist (auf der
Nheininsel Kühkopf bei Darmstadt brüten wenigstens
50 Paare), findet in unserer Landschaft nicht die ihr
zusagenden Verhältnisse, vor allem reiches und dicht
verwachsenes Buschwerk an feuchten Orten und auch
ausgedehnte ebene Flächen, die sie vor hügeligem Ge
lände entschieden bevorzugt. Trotzdem haben sich von
Zeit zu Zeit einzelne Stücke bei Marburg gezeigt, ohne
aber hier zur Brut zu schreiten. Daß der Gesang dieses
vielgepriesenen Vogels die meisten Menschen, die ihn
zum erstenmal hören, enttäuscht, sei als eine regelmäßig
zu machende Erfahrung nur nebenher erwähnt. Der
lange verstorbene passionierte Vogelpsleger Eduard
Heppe hatte sich um die Mitte der neunziger Jahre
zur Aufgabe gemacht, Nachtigall und Spresser (ihren
östlichen Vetter) hier anzusiedeln, indem er jahrelang
Brutpaare in seinem Garten an der Lahn in Freivolie
ren hielt und nach dem Ausfliegen der Jungen freiließ.
Obwohl er diesem Zweck nicht unbedeutende Mittel
opferte, erreichte er sein Ziel nicht, offenbar weil die
oben angedeuteten Bedingungen hier nicht gegeben sind.
Die Erinnerung an dieses sympathische Unternehmen
zeigt, wie ein Mann des praktischen Lebens aus reiner
Liebe zur Natur Opfer für einen idellen Zweck brachte,
von dessen Erreichung ihm keinerlei materieller Gewinn
und keine Lorbeeren winkten. Seine Gestalt steht in
wohltuendem Gegensatz zu der manches Kulturträgers,
der jedem neuentdeckten gemalten oder gemeißelten
Schafsgesicht eines unbekannten Meisters die vorgeschrie
bene Bewunderung spendet, aber die Natur, die große
Mutter aller Kunst, keines Blickes würdigt. Doch wir
wijsen, daß auch heute bei uns noch Menschen leben,
deren Gedanken noch auf andere als festverzinsliche
Werte gerichtet sind, denen der große Gottesgarten der
Natur mehr ist, als eine Autorennbahn, und die den tie
fen Sinn des Wortes begriffen haben, das über dem
Portal unseres botanischen Instituts in den Stein ge
graben ist:
tu minimis Deus maximus.
Paul Baum und sein hessisches Vermächtnis
Zu dem Bande Carl Hitzeroth, Paul Baum ein deutscher Maler! ')
Die Stellung in der mitteldeutschen Landschaft ist Wirkens. Das geistige Bedürfnis ist stets auf Forde
eine Voraussetzung der hessischen Lebenskraft und bildet rung abgestimmt gewesen. Wenn neue Anschauungen
solange den Nerv der kulturellen Erfüllung, als man in neu Welten bezwingen wollten, wenn ein neues Ahnen
Herbstlandschaft in Wilbelmshöhe bei Kassel. Aquarell
Hessen eine Auseinandersetzung mit dem fordert, was an
dere Gebiete geschaffen haben. Nicht immer griff Hessen
ein und stellte seine Macht zur Verfügung, jedoch in seiner
Stunde findet es stets eine großartige Möglichkeit des
1) Carl Hitzeroth,PaulVaum ein deutscher Maler,Dresden 1937.
die alte Form zu sprengen drohte und der Nahmen ein
gerissen werden mußte, dann war zu Beginn jeder neuen
Epoche Hessen bereit, Grund und Recht seiner Erhebung
in großer Art zu vertreten. Es ist die Eigentümlichkeit
der hessischen Idee, daß sie aufflammt und begeistert,