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ist der Flußuferläufer, eine der reizvollsten Er
scheinungen der Wasservogelwelt, der auch unsere hieran
so arme Gegend bewohnt. Sein Nus darf nicht mit dem
Hellen Pfiff des Eisvogels verwechselt werden, der
wie „Tih—tí—it, tit, tit" klingt, aber niemals in der
Dämmerung oder gar bei völliger Dunkelheit zu hören
ist, wie der des Flußläufers. Man kann diesen herr
lichen Vogel, den fliegenden Lapislazuli, wie ihn poetisch
veranlagte Gemüter genannt haben, besonders in der
rauhen Jahreszeit von der Bahnhofsbrücke aus auf den
über das Wasser überhängenden Weiden und Erlen meist
dicht über dem Wasser sitzen sehen, wenn man Augen
und Ohren offen hält und nicht mit der gewohnten
Stumpfheit an den Erscheinungen der Natur vorüber
geht. Leider wird die bevorstehende Regulierung von
Lahn und Ohm diesem nördlichsten Splitter einer durch
aus tropischen Familie schweren Abbruch tun, da mit
ihr die steilen Uferböschungen, in denen er seine Brut-
höhle gräbt, verschwinden werden.
Schon lange von seinem Schicksal ereilt wurde eine
andere bizarre Figur unserer deutschen Vogelwelt, der
Wiedehopf, dessen charakteristisches „Hup-Hup' in
meiner Knabenzeit vor 45 Jahren noch an Zwei Orten,
nämlich am Walde gegenüber von Cölbe und am Wei-
ßcnstein zu hören war. Was diese Art vertrieben hat,
ist schwer Zu verstehn, da sich ihre Lebensbedingungcn
sicher nicht verschlechtert haben. Es scheint sich hier um
einen in ganz Deutschland festzustellenden Rückgang zu
handeln.
Und nun noch gleich die anderen, die wir im Laufe
dieses Jahrhunderts verloren haben: An ihrer Spitze
steht — für die nähere Umgebung unserer Universitäts
stadt — das Auerhuhn, das auf den Lahnbergen
beheimatet war, wo regelmäßig ein Hahn im Forstort
Kornberg seinen Stand hatte und wo wir öfters Ketten
von 5—6 Hennen sahen. Einmal fing ich dort ein junges,
schon flugbares Auerhuhn mit der Hand, wobei die be
sorgte Mutter auf kurze Entfernung solange standhielt,
bis ich das Gefangene wieder entließ. Im Herbst des
vergangenen Jahres stand am Nordrande dieses Gebietes
ein einzelnes Auerhuhn vor mir auf, das, wie ich ver
mute, aus den ausgedehnten Waldungen des Hinter
landes hierher verstrichen war. Daß solche vereinzelten
Vorkommen zu einer Neubesiedlung führen werden,
ist leider nicht Zu erwarten.
Äußerst selten kommt auch das Haselhuhn noch
in unserer Gegend vor, das langsam aus Deutschland
zu verschwinden scheint. Sm vergangenen Herbst las ich
von der Erlegung eines Haselhuhnes in der Gegend von
Holzhausen. An die Iagdberechtigten sei die Bitte ge
richtet, mir Gelegenheit Zum Erwerb etwa geschossener
Haselhühner zu geben, sofern sie gut im Gefieder sind.
Aus der Umgebung von Marburg verschwunden sino
eine Reihe von Kleinvögeln, unter ihnen das
Schwarzkehlchen, eine südliche Art, die im flachen
Deutschland fehlt und früher bei uns die trockenen Wach
holderheiden bewohnte, mit deren Urbarmachung sie ihre
alten Wohnsitze verlor. Selbst in der Wachholderheide
des Ortenbergs konnte man noch unmittelbar vor dem
Krieg die hübschen, schwarz-weiß-rostrot gefärbten Vögel
auf den Spitzen der Wachholderstauden sitzen sehn und
ihr charakteristisches „fid-tschreck" hören. Die Art scheint
Brutröhren des Eisvogels an der Lahn bei Cölbe
übrigens aus dem ganzen oberen Lahngebiet, vielleicht
sogar aus ganz Hessen restlos abgewandert zu sein. Auch
der Steinschmätzer, der in wenigen Paaren
auf der Kupferschmiede, den Steinbrüchen bei Gisselberg
und wohl noch an anderen ähnlichen Orten wohnte, hat
unserer Gegend den Rücken gekehrt. Schwerer ist zu ver
stehen, was die Haubenlerche, diesen zutraulichen
Gast der winterlichen Landstraßen aus Marburg und
seiner Umgebung vertrieben hat, und es bleibt wohl nur
die Erklärung, daß der fortschreitende Rückgang unbe
bauter steriler Flächen, wie sie dieser aus dem Osten
eingewanderte Steppenvogel braucht, die Schuld an
seinem Dahinschwinden trägt. Ein einzelnes Stück sah
ich im Herbst 1936 noch in der Nähe des Südbahnhofes,
danach keines mehr. Leicht zu erklären ist dagegen d»e
Abwanderung der braunen Uferschwalben aus un
serer Gegend, die früher in ansehnlichen Kolonien die
Kupferschmiede, einen Sandbruch beim Hansenhaus und
selbst in unmittelbarer Nähe der Stadt den Sandbruch
an der Alten Kasseler Straße bewohnten. Es ist kaum
daran zu zweifeln, daß die lebhaftere Ausbeutung dieser
Brüche, die früher oft jahrelang still lagen, die Vögel
zum Aufgeben ihrer einstigen Wohnsitze gezwungen hat,
und es ist ebenso wahrscheinlich, daß sie sich wieder ein
finden würden, sobald ihnen geeignete Nistgelegenheiten
gegeben würden, also sandige Steilhänge, in denen sie
ihre Brutröhren graben können.
Diesen Verlusten unserer Ornis steht als Neuerwer
bung eine reizende Kleinvogelart gegenüber, der nur
sperlingögroße, schwarz-weiß-rot gezeichnete Klein-