Full text: Hessenland (49.1938)

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Frankreich, die im Jahre 1463 starb, war tatsächlich die 
einzige Frau Frankreichs, die sich als Besitzerin Zweier 
Hemden rühmen konnte. 
Erst der Eingang neuer Moden, die Niesenkragen und 
die Taschentücher, damals noch Faziletlein genannt, tru 
gen wesentlich zu einem erhöhten Leinenverbrauch bei. 
Die sogen. Neformationsordnungen aus dem Fahre 
1534 lassen erkennen, daß der Handel aufblühte. Zum 
ersten Mal wird ein Gesetz herausgegeben, das verlangte, 
das das auszuführende Leinen mit einem Siegel ver 
sehen sein mußte. 
Im 16. Fahrhundert dehnte Landgraf Wilhelm IV. 
die Leineweberzünfte auf das Land aus. Und es ent 
wickelten sich die sogen. Amtszünfte. Alle Leineweber auf 
dem platten Lande wurden davon erfaßt, sie standen aber 
unter Führung der Städte. Um diese Zeit wollte gern ein 
Alsselder Webermeister das Verlagssystem, wie es in 
Süddeutschland bei den Fugger herrschte einführen, aber 
Landgraf Philipp der Großmütige verbot dieses Han 
delssystem. Ihm war ja bewußt, daß sich in Oberdeutsch 
land ein derartig starkes Proletariat nur hatte bilden 
können, dank diesem Verlagssystem. 
In Fulda stand um das Fahr 1556 die Leineweberei 
in hoher Blüte. Dort zählte man 21 Meister. Die Zunft 
besaß ihre Handwerkslade und sogar eine Fahne. Aus 
den Jahren 1610—1723 ist das Protokollbuch der Ful 
daer-Leincweberzunft noch erhalten. Es wurde mit großer 
Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt geführt. Ein Schultheiß 
und vier Meister standen an der Spitze der Zunft. Sie mußten 
im Beruf außerordentlich tüchtig sein und des Schreibens 
kundig. Sie besaßen auch das Recht über die andern 
Mitglieder zu Gericht zu sitzen. Diejenigen, die zu den 
Sitzungen nicht erschienen, mußten 5y 2 , Pfennig Strafe 
zahlen- in derselben Höhe mußten auch die, die 
bei den Gerichtssitzungen Schöffen waren, zahlen, wenn 
sie unentschuldigt fehlten. Die Zunftmitglieder waren in 
zwei Klassen eingeteilt: in vollberechtigte und in Schutz 
genossen. Wie bei allen Zünften wurde streng auf ehrlich 
Abkunft gesehen, die Schäfer-, Müller-, Abdecker- und 
Henkersöhne waren als Zunftmitglieder ausgeschlossen. 
Vorgesehen waren zwei Lehrjahre. Jeder Meister durfte 
nur einen Lehrling halten und es wurde besonders be 
stimmt, daß ein Meister das „Brot nicht vor dem Lehr 
ling fortschließe, sondern ihm nach Notdurft zu essen 
gäbe". In der Zunftstube wurden die Lehrlinge „los, 
frei und ledig" gesprochen und in das Gesellenbuch ein 
getragen und ihnen der Lehrbrief überreicht. Ein Fest- 
schmaus beendete die Gesellenprüfung. Und dann begann 
die Wanderschaft. 
Im Jahre 1645 schlossen sich in Fulda die Leine 
webergesellen zu einer eigenen Zunft zusammen. Wie die 
Meister hielten sie an den Pfingsttagen ihre Hauptzu 
sammenkünfte ab. Ein Gesellenmeister zahlte 8 Pfennig 
in die Gesellade, ein Knappe und Lehrbursche dagegen 4 
Pfennig. Nach der Ablieferung des Gesellenstückes wur 
den die Gesellen dann feierlich zum Meister gesprochen. 
Die Zunft besaß auch außerordentliche Mitglieder, die 
mit Garn und Leinen Handel trieben, die aber keinen 
Webstuhl aufstellen durften. 
Aus späteren Zeiten erfährt man, daß im Hochstift 
Fulda um das Fahr 1794 im Winter Männer und Wei 
ber, Alt und Jung spannen und webten. Man zählte 
über 11 000 Webstühle. In einem Amt, der Name wurde 
nicht angeführt, standen allein 2600 Webstühle. 
In der Gegend von Fulda arbeitete man teils ein 
faches Leinen zu Kleidern, aber auch blau und weiß ge 
streiften Orell und viele andere Arten. Jedoch auch fei 
neres Tafeltuch sowie ganz geringe Ware wurde her 
gestellt. In Fulda und Hünfeld lagen große Bleichen. 
In der dortigen Gegend wurde der Flachs roh in 
sogenannten „Globen" verkauft. Eine Globe hielt 15 
Kanten, eine Kante war ungefähr sechs Hände voll. 
Eine Globe Flachs von der Breche kostete 3 bis 4 Gul 
den. 
Auch in der Stadt und im Amt Hünfeld wurde in 
>eder Hütte, auf jedem Hof gesponnen und gewebt. 
Neben der Landwirtschaft war es der Haupterwerbs 
zweig. Wer nicht für den Verkauf arbeitete, webte zum 
eigenen Bedarf. In Hünfeld gab es gegen Ende des 
18. Jahrhunderts 61 Leineweber in der Zunft. Alle an 
dern Zünfte waren bedeutend kleiner. 
Unter den hessischen Leineweberzünften war die 
Nothenburger sicherlich die bedeutendste. Ihre Zunft 
ordnung wurde für ganz Hessen maßgebend. Aus den 
ersten Jahrhunderten werden uns keine Zahlen genannt, 
erst um 1700 herum hört man, daß es im Amt Rothen 
burg 750 Webermeister gab, die nach 16 Jahren schon 
auf 1533 angewachsen waren. Es beschäftigten sich da 
mals allein 2250 Familien mit der Webearbeit. 
Das Amt Hersfeld stand dem nicht nach. Dort gab 
es im Fahre 1686 schon 1533 Weber, während in Mel 
sungen 680 lebten und in Spangenberg im Fahre 1724 
an 72 Leineweber gezählt wurden. Wie verbreitet in 
Hessen die Leineweberei war, wiesen die Statistiken des 
18. Jahrhunderts nach, denn es waren annähernd 13 000 
Landsleute, die in die amerikanischen Freiheitskriege 
zogen, unter ihnen waren mindestens 8 bis 9000 Leine 
weber. 
Gegen das Jahr 1619 war die hessische Leinentuch- 
und Garnausfuhr schon so gestiegen, daß man Verord 
nungen gegen den Schmuggel erlassen mußte. Und bald 
darauf erhielten auch Haspel und Leinen ihre ordnungs 
mäßige Breite und Länge. Und seit dieser Zeit ziehen sich 
wie ein roter Faden die Bestimmungen über Flachs und 
Leinen durch die Landesverordnungen. Bald betreffen 
sie die Spinner, bald die Weber, bald das Garn, bald 
das Leinen, bald die Einkäufer, bald die Verkäufer. 
Welchen Einfluß der große Krieg auf das Leinc- 
weberhandwerk ausübte, beweisen wiederum Zahlen. In 
den Jahren 1636 bis 1643 gingen die Homberger Weber 
von 90 Personen aus 12 zurück. 
Im Jahre 1645 erschienen neue Tarordnungen, die den 
Preis einer Elle flächsernes Tuch auf 2 Albus festsetzte 
und für eine Elle grobes Leinens bezahlte man 18 Hel 
ler. Oer Spinnlohn ohne Kost betrug 1 Albus 4 Heller 
in der Woche. 
Daß die Leineweber auch in der Stadt Kassel in ziem 
licher Anzahl gewesen sein müssen, lassen die Verord 
nungen erkennen. Aus dem Jahre 1654 gibt es einen 
Erlaß gegen Feld- und Gartenbeschüdigungen, die beim 
Trocknen der langen Leinenstreifen entstanden- Es heißt 
darin, daß die Hecken oft mutwillig zerstört wurden. Es 
gab Geldstrafen, Hast im Turm oder die Übeltäter soll 
ten im Schandkorb sitzen.
	        
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