Full text: Hessenland (49.1938)

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wichtig sind dann die Angaben über Wert und Ertrag 
der Grundstücke (Aussaat und Ernte) sowie über die 
Rechtsstellung der Grundstücke- erwähnt sei auch die 
Grenzbeschreibung der Gemarkung- Zehntverhältnisse, 
Abgabewesen, Dienste, Leibeigenschaft, eine Darlegung 
des Gerichts-, Zoll-, Akzise- und Steuerwesens bilden 
den Abschluß. 
So bedeutet dieses Urkataster, das Lager-, Stück- 
und Steuerbuch, wie sein amtlicher Titel lautet, für den 
Zeitpunkt seiner Aufstellung einen vollständigen Quer 
schnitt aus der Geschichte eines Dorfes und seiner Be 
wohner, besonders gerade aus dem alltäglichen Leben 
und von dem allgemeinen Lebenszustand des Volkes. 
Es wird somit auch die Grundlage und die wichtigste 
Quelle für jede Dorfchronik. Hiermit ist sein Wert für 
die Geschichtsforschung aber bei weitem nicht erschöpft. 
Was uns gerade besonders interessiert, ist seine Bedeu 
tung auch für die Erkenntnis historischer Entwick 
lung vor und nach der Zeit seiner Entstehung. Wir 
werden im Folgenden weniger fertige Forschungsergeb 
nisse zu dieser Frage vorlegen, als uns auf die Andeu 
tung der Probleme beschränken müssen, für deren Be 
arbeitung eine methodische Auswertung des Katasters 
lohnenden Ertrag verspricht. 
Zunächst ist uns mit der Fortschreibung des 
Katasters die Möglichkeit gegeben, die Besitzverhältnisse 
von Hof und Feld genau zu verfolgen bis zum Anschluß 
an das junge kurhessische Kataster aus der Mitte des 
l9. Jahrhunderts und von dort bis zum jetzt noch gülti 
gen preußischen Kataster nach 1866. Jeder Besitzerwechsel 
eines Hofes ist, oft mit der Jahresangabe, vermerkt, mag 
der Sohn dem Vater gefolgt oder der Hos in fremde 
Hände übergegangen sein. In Verbindung mit dem 
Kirchenbuch ist so die Voraussetzung für die Beantwor 
tung der Frage nach dem Sitz einer bäuerlichen Familie 
auf demselben Hofe in ununterbrochener Vlutfolge ge 
geben. Zahlreiche Ehrungen hessischer Bauern sind auf 
die Eintragungen unseres Katasters gegründet. Und für 
das Studium der Bevölkerungsbewegung, von Zuzug 
und Einheirat von außen, des Verbleibs jüngerer 
Bauernsöhne, der Gründung neuer Hofstellen, der Ver 
schiebung des Verhältnisses zwischen großen Bauern 
höfen und kleinen Kotten, für die die Landwirtschaft nur 
Nebenbetrieb bedeutet, sind die Fortschreibungen eine 
reiche Fundgrube- die Neugründung eines gewerblichen 
Betriebes, etwa einer Sägemühle oder eines Eisenham 
mers, später Straßenbau und Eisenbahnbau finden sofort 
im Kataster ihren Niederschlag durch die Ansiedlung 
zuziehender Arbeitskräfte. Wie sich solche Verschiebungen 
auf Dorf- und Hofbild auswirken, dafür einige Bei 
spiele. 
Wir vergleichen die Oorflage von Cyriax 
weimar (Kreis M a r b u r g) nach einer Flurkarte von 
1717 H (Karte 1a) mit der nach einer Karte aus dem 
Jahre 1847 3 ) Karte Id). Oie ältere zeigt uns den 
Grundbestand von drei großen Höfen, dazu einen kleinen 
Kotten auf wüstem Gemeindeland. Innerhalb der 130 
4) In Besitz des Instituts für geschichtliche Landeskunde von 
Hessen und Nassau in Marburg. 
3) Staatsarchiv Marburg, Kartensammlung A 143. 
Jahre sind zwei neue Siedlungsgruppen kleiner An 
wesen von zehn bzw. fünf Haushalten dazugekommen - 
der wüste Gemeindebesitz ist inzwischen also ausgesiedelt 
worden- die andere Gruppe steht offenbar auf Nodungs 
land. Neuparzellierungen auf Kosten der alten Höfe sind 
zu beobachten- die drei Hofstätten selbst sind, zum Teil 
unter starker Veränderung des Hofgrundrisses, umge 
baut- das Wegenetz deckt sich nicht ganz. Das Kataster 
nennt außer den Ackermännern an vertretenen Berufen 
Hirte und Schäfer, Schneider, Tagelöhner und Weiß- 
binder. Das sind die Spuren einer allmählichen Wand 
lung im Dorfbild, in der Bevölkerung und sozialen 
Schichtung innerhalb von 130 Jahren, die bereits eine 
ganze Reihe von Fragen nach den wirksamen Kräften 
auswerfen. 
Oie Verzeichnung des Besitzerwechsels, nicht nur bei 
einer Hofstütte, sondern auch bei jeder einzelnen Parzelle, 
bietet die Möglichkeit, die Verteilung des Grundbesitzes 
von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis auf den heuti 
gen Tag im einzelnen festzustellen und zu vergleichen. 
Hierzu seien zwei Beispeile angeführt, die eine entgegen 
gesetzte Entwicklung zeigen. Einer der alten Höfe von 
Cyriaxweimar (Hof 1 der Karten Nr. 1) war im 
Besitz des Deutschen Ordens. Die bei Aufstellung des 
Katasters von 1747 zugehörigen Grundstücke sind im 
wesentlichen fest bei dem Hofe geblieben- der Besitzstand 
weist gegenüber dem jüngeren keine großen Veränderun 
gen auf- sein Zusammenhalt lag durchaus im Interesse 
des Deutschen Ordens. Derartige Beispiele lassen sich 
aus anderen Gemeinden häufen, sowohl aus Oberhessen 
wie aus dem z. T. niedersüchsischen Niederhessen, wo sich 
Realteilung neben Anerbcnrecht findet 6 ), und der Nach 
weis der Beständigkeit in den Besitzverhültnissen ist durch 
die Erbhossorschung immer wieder zu führen, namentlich 
bei größeren Höfen. 
Und nun ein Gegenbeispiel. Es wurde die Götzen- 
m ü h l e in der Gemeinde Lohra (Kreis Mar 
burg) näher untersucht. Der zugehörige Grundbesitz bei 
Anlage des Katasters im Jahre 1746 wurde verglichen 
mit dem Stande vor und nach der im Jahre 1930 durch- 
6) Vgl. die Karte bei Holzapfel in: Gering, die Vererbung 
des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, IV. Ober 
landesgerichtsbezirk Cassel. 1899.
	        
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