98
sind die Dorfbücher Landgraf Wilhelms IV. <Jn Zuneh
mendem Maße wird in die Erhebungen auch der nicht
landesherrliche Besitz/ namentlich also der des Adels,
hineingezogen und so das finanzielle und wirtschaftliche
Bild des ganzen Landes immer vollständiger. Die Krö
nung dieser gesamten Aufstellungen bildet der ökono
mische Staat von 1585.
Baute die Finanzwirtschaft bisher im wesentlichen auf
der Grundherrschaft und auf Einnahmen aus einzelnen
Hoheitsrechten, namentlich aus der Gerichtshoheit, aus,
so zwangen die erhöhten Bedürfnisse des Staatshaus
haltes, in erster Linie durch die Einrichtung der stehen
den Heere, im 17. Jahrhundert zur Erschließung neuer
Geldquellen, zur Einführung einer ständigen Grund
steuer 3 ). Der Name „Kontribution" läßt den Zweck
ihrer ursprünglichen Verwendung noch deutlich erkennen.
Für die Steuergesetzgebung und das Steuerregisterwesen
sind die Jahre 1625 und 1631 wichtig. Das Streben
nach gleichmäßiger Verteilung der Lasten, die Notwen
digkeit der Vervollständigung und Berichtigung der alten
Verzeichnisse sowie der Einheitlichkeit des Anschlags
führten zur Anordnung eines neuen Steuerstocks, des
ersten gesetzlichen Katasters, mit dessen Durchführung
eine besondere Kommission in Kassel betraut wurde. In
diesen Aufnahmen finden wir bereits die Spezifikation
nach Haus und Hof, Garten, Äckern und Wiesen, Triesch
und Wald, ferner nach den verschiedenen Einkünften und
den darauf ruhenden Lasten, nach Renten, Zinsen, Er
trag, Nutzung, Zehnten, Geld- und Fruchtgefällen. Die
Kriegszeit war der Durchführung des Unternehmens nicht
günstig, sodaß das 17. Jahrhundert mit immer neuen
Verordnungen und Ansätzen ausgefüllt ist, jedoch ohne
befriedigendes Ergebnis.
Den entscheidenden Wendepunkt bedeuten die Vor
schläge des Oberkriegskommissars Christian Albert Möl
ler von 1701. Scharfe Trennung von ständigen und
unständigen Anschlägen, einheitliche Grundstücksver
messung nach Ackern und Ruthen von Ort zu Ort, auf
Grund der Ergebnisse eine Klasseneinteilung der Grund
stücke sind die Hauptleitsätze. Nicht mehr die Aussaat, * S.
3) Vgl. zum Folgenden Strippel, Die Währschafts- und
Hypothekenbüwer Kurbessens, zugleich ein Beitrag zur Nechtsge-
schichte des Katasters. Arbeiten zum Handels-, Gewerbe- und
Landwirtschaftsrecht Hrsg, von Heymann. Bd. XXIV (1914)
S. 173 ff.
sondern die Messung bildet die Grundlage der Anschläge,
ferner wird mit der Einbeziehung auch aller kontribu
tionsfreien Grundstücke der Überblick über die ländlichen
Besitzverhältnisse vollständig. In flotten Gang kommt
diese Aufnahme allerdings erst unter Landgraf Fried
rich. 1735 beginnt die wichtige „Generalrektifikations
periode", die 1791 mit der Auflösung der Generalrek
tifikationskommission und 1797 nach Aufarbeitung der
Nestbestände schließt, nachdem neue Überprüfungen Zwi
schen 1750 und 1764 eine Pause, dann aber auch wesent
liche Verbesserungen gebracht haben. Die ungeheure
Leistung jenes halben Jahrhunderts wird nur derjenige
Zu würdigen wissen, der sich mit den dicken Bänden und
den zugehörigen Flurkarten von mehreren hundert Orten
vertraut macht.
Was enthält nun der einzelne Band für jeden Hof?
Zunächst wird der Besitzer genannt mit Angabe der
H o f st ä t t e und der zugehörigen Gebäude. Kartenblatt
und Parzellennummer sind angegeben, Größenmaße nach
Acker und Ruthen sowie der Steuerkapitalwert. Eine
weitere Spalte enthält alle auf dem Grundstück ruhenden
Lasten, Abgaben an den Landesherrn, Gerichtsherrn oder
Grundherrn wie Nauchhuhn, Fruchtabgaben, Geldbeträge,
Zehnten, Dienste usw.- es folgt die Spalte für die neue
Kontribution oder Grundsteuer- die letzte Spalte ist den
Ab-und Zuschreibungen bei künftigem Besitzerwechsel vor
behalten, um die steuerliche Erfassung auf dem Folio
blatt des Nachfolgers übersichtlich zu gestalten. Auf die
Hofstätte folgt der zugehörige Grundbesitz, unter
schieden einmal nach den verschiedenen Hufen und Hufen
teilen, aus denen er sich zusammensetzt, ferner nach den
Kulturarten Garten, Ackerland, Wiese und Mast-, Hude
oder Waldanteil, schließlich auch nach der rechtlichen
Stellung in Erbland, Leihegut, Pacht- und Rodland.
Unter jedem dieser Titel ist Parzelle für Parzelle mit
Nennung der Flur, in der sie gelegen, und der benach
barten Grundstücke ausgeführt. Am Schluß folgt in der
Regel der Viehbestand. Die zugehörigen F l u r k a r t e n
der einzelnen Dorfgemarkungen haben bereits eine hoch
wertige Zuverlässigkeit erreicht und ermöglichen dank der
Nummerierung von Kartenblatt und Parzellen eine ein
wandfreie Identifizierung der Grundstücke.
Hof für Hof durchgeführt, vermittelt dies Kataster also
ein vollkommen klares Bild über die Verteilung von
Grund und Boden, über seinen Wert und Ertrag, seine
besihrechtliche Stellung und die steuerliche Belastung.
Eine ausführliche Vorbeschreibung gibt Ausschluß
über Zustand und sämtliche Verhältnisse der Gesamt
gemeinde, faßt also bereits das Material des Spezial-
katasters zusammen: beginnend mit der Ortslage, werden
Gewässer und Fischereigerechtigkeit sowie die Straßen
beschrieben- es folgt die Aufzählung aller im Dorfe be
teiligten Grundherren mit dem Umfang ihrer Nechte-
Kirchen-, Schul- und Patronatsverhältnisse werden ein
gehend behandelt mit Aufführung der Besoldungs- und
Vermögcnsverhältnisse- dem Gemeindebesitz, der Holz-,
Mast- und Hudegerechtsame, der Schäferei und Brau
gerechtigkeit sind eigene Paragraphen gewidmet- sta
tistische Angaben über Wert und Mietszins der Häuser,
Anzahl der Bewohner nach Männern, Frauen und Kin
dern, nach Gesinde und Gewerbe unterschieden, folgen;
Mühlen und Wirtschaften werden besonders behandelt-