Full text: Hessenland (49.1938)

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sind die Dorfbücher Landgraf Wilhelms IV. <Jn Zuneh 
mendem Maße wird in die Erhebungen auch der nicht 
landesherrliche Besitz/ namentlich also der des Adels, 
hineingezogen und so das finanzielle und wirtschaftliche 
Bild des ganzen Landes immer vollständiger. Die Krö 
nung dieser gesamten Aufstellungen bildet der ökono 
mische Staat von 1585. 
Baute die Finanzwirtschaft bisher im wesentlichen auf 
der Grundherrschaft und auf Einnahmen aus einzelnen 
Hoheitsrechten, namentlich aus der Gerichtshoheit, aus, 
so zwangen die erhöhten Bedürfnisse des Staatshaus 
haltes, in erster Linie durch die Einrichtung der stehen 
den Heere, im 17. Jahrhundert zur Erschließung neuer 
Geldquellen, zur Einführung einer ständigen Grund 
steuer 3 ). Der Name „Kontribution" läßt den Zweck 
ihrer ursprünglichen Verwendung noch deutlich erkennen. 
Für die Steuergesetzgebung und das Steuerregisterwesen 
sind die Jahre 1625 und 1631 wichtig. Das Streben 
nach gleichmäßiger Verteilung der Lasten, die Notwen 
digkeit der Vervollständigung und Berichtigung der alten 
Verzeichnisse sowie der Einheitlichkeit des Anschlags 
führten zur Anordnung eines neuen Steuerstocks, des 
ersten gesetzlichen Katasters, mit dessen Durchführung 
eine besondere Kommission in Kassel betraut wurde. In 
diesen Aufnahmen finden wir bereits die Spezifikation 
nach Haus und Hof, Garten, Äckern und Wiesen, Triesch 
und Wald, ferner nach den verschiedenen Einkünften und 
den darauf ruhenden Lasten, nach Renten, Zinsen, Er 
trag, Nutzung, Zehnten, Geld- und Fruchtgefällen. Die 
Kriegszeit war der Durchführung des Unternehmens nicht 
günstig, sodaß das 17. Jahrhundert mit immer neuen 
Verordnungen und Ansätzen ausgefüllt ist, jedoch ohne 
befriedigendes Ergebnis. 
Den entscheidenden Wendepunkt bedeuten die Vor 
schläge des Oberkriegskommissars Christian Albert Möl 
ler von 1701. Scharfe Trennung von ständigen und 
unständigen Anschlägen, einheitliche Grundstücksver 
messung nach Ackern und Ruthen von Ort zu Ort, auf 
Grund der Ergebnisse eine Klasseneinteilung der Grund 
stücke sind die Hauptleitsätze. Nicht mehr die Aussaat, * S. 
3) Vgl. zum Folgenden Strippel, Die Währschafts- und 
Hypothekenbüwer Kurbessens, zugleich ein Beitrag zur Nechtsge- 
schichte des Katasters. Arbeiten zum Handels-, Gewerbe- und 
Landwirtschaftsrecht Hrsg, von Heymann. Bd. XXIV (1914) 
S. 173 ff. 
sondern die Messung bildet die Grundlage der Anschläge, 
ferner wird mit der Einbeziehung auch aller kontribu 
tionsfreien Grundstücke der Überblick über die ländlichen 
Besitzverhältnisse vollständig. In flotten Gang kommt 
diese Aufnahme allerdings erst unter Landgraf Fried 
rich. 1735 beginnt die wichtige „Generalrektifikations 
periode", die 1791 mit der Auflösung der Generalrek 
tifikationskommission und 1797 nach Aufarbeitung der 
Nestbestände schließt, nachdem neue Überprüfungen Zwi 
schen 1750 und 1764 eine Pause, dann aber auch wesent 
liche Verbesserungen gebracht haben. Die ungeheure 
Leistung jenes halben Jahrhunderts wird nur derjenige 
Zu würdigen wissen, der sich mit den dicken Bänden und 
den zugehörigen Flurkarten von mehreren hundert Orten 
vertraut macht. 
Was enthält nun der einzelne Band für jeden Hof? 
Zunächst wird der Besitzer genannt mit Angabe der 
H o f st ä t t e und der zugehörigen Gebäude. Kartenblatt 
und Parzellennummer sind angegeben, Größenmaße nach 
Acker und Ruthen sowie der Steuerkapitalwert. Eine 
weitere Spalte enthält alle auf dem Grundstück ruhenden 
Lasten, Abgaben an den Landesherrn, Gerichtsherrn oder 
Grundherrn wie Nauchhuhn, Fruchtabgaben, Geldbeträge, 
Zehnten, Dienste usw.- es folgt die Spalte für die neue 
Kontribution oder Grundsteuer- die letzte Spalte ist den 
Ab-und Zuschreibungen bei künftigem Besitzerwechsel vor 
behalten, um die steuerliche Erfassung auf dem Folio 
blatt des Nachfolgers übersichtlich zu gestalten. Auf die 
Hofstätte folgt der zugehörige Grundbesitz, unter 
schieden einmal nach den verschiedenen Hufen und Hufen 
teilen, aus denen er sich zusammensetzt, ferner nach den 
Kulturarten Garten, Ackerland, Wiese und Mast-, Hude 
oder Waldanteil, schließlich auch nach der rechtlichen 
Stellung in Erbland, Leihegut, Pacht- und Rodland. 
Unter jedem dieser Titel ist Parzelle für Parzelle mit 
Nennung der Flur, in der sie gelegen, und der benach 
barten Grundstücke ausgeführt. Am Schluß folgt in der 
Regel der Viehbestand. Die zugehörigen F l u r k a r t e n 
der einzelnen Dorfgemarkungen haben bereits eine hoch 
wertige Zuverlässigkeit erreicht und ermöglichen dank der 
Nummerierung von Kartenblatt und Parzellen eine ein 
wandfreie Identifizierung der Grundstücke. 
Hof für Hof durchgeführt, vermittelt dies Kataster also 
ein vollkommen klares Bild über die Verteilung von 
Grund und Boden, über seinen Wert und Ertrag, seine 
besihrechtliche Stellung und die steuerliche Belastung. 
Eine ausführliche Vorbeschreibung gibt Ausschluß 
über Zustand und sämtliche Verhältnisse der Gesamt 
gemeinde, faßt also bereits das Material des Spezial- 
katasters zusammen: beginnend mit der Ortslage, werden 
Gewässer und Fischereigerechtigkeit sowie die Straßen 
beschrieben- es folgt die Aufzählung aller im Dorfe be 
teiligten Grundherren mit dem Umfang ihrer Nechte- 
Kirchen-, Schul- und Patronatsverhältnisse werden ein 
gehend behandelt mit Aufführung der Besoldungs- und 
Vermögcnsverhältnisse- dem Gemeindebesitz, der Holz-, 
Mast- und Hudegerechtsame, der Schäferei und Brau 
gerechtigkeit sind eigene Paragraphen gewidmet- sta 
tistische Angaben über Wert und Mietszins der Häuser, 
Anzahl der Bewohner nach Männern, Frauen und Kin 
dern, nach Gesinde und Gewerbe unterschieden, folgen; 
Mühlen und Wirtschaften werden besonders behandelt-
	        

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