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hessischen Raumes eine Großgliederung in nord
südlicher Richtung. Ganz gleich, von welchem
hochgelegenen Punkt der näheren Umgebung Mar-
burgs wir die sich unserem Blick darbietende Land
schaft überschauen, ob von der Höhe des Spiegelö-
lustturmes oder vom Frauenberg, ob von der
Wehrshänser Höhe oder vom Marburger Schloß
berg, immer tritt uns unmittelbar der beherrschende
Eindruck einer meridionalen Anordnung der Hohl-
nnd Vollformen entgegen. Die drei Hohlformen,
das weite, flachwellige Amöneburger Becken, das
Tal der Mättellahn zwischen Odenhausen und
Cölbe und die Ellnhänser-Michelbacher Tiefen-
zvne zeigen diese charakteristische Längöerstrecknng
in gleicher Weise wie die Verlaufsrichtung der
Vollformen, der Lohnhöhen westlich und östlich von
Marburg. Mit markanten Strichen im Land
schaftsbild gezeichnet hebt sich diese Nord-Süd-
Richtung durch den ausgeprägten Verlauf der
Stufenränder heraus, die die Vollformen gegen
die Hohlformen absetzen. Scharf und gradlinig
bricht in dieser Streichrichtung der verhältnismäßig
ebenflächige Tafelrumpf der Lahnberge gegen das
Amöneburger Becken ab, steil fallen in dem glei
chen Sinne die Tafelwände gegen die Aufschüt-
tungsebene des Lahntalbodens ein, und deutlich be
grenzt in paralleler Erstreckung die Wehrshäuser
Landstufe den Marburger Rücken im Westen.
Lassen wir von unserem Standpunkt, z. B. von
der Höhe des Frauenbergs, den Blick von Süd
nach Nord schweifen, so bleibt dieser Eindruck des
landschaftlichen Aufbaus der gleiche bis zum Lahn-
knie bei Cölbe. Hier wird die meridionale Groß
gliederung unterbrochen durch die von West nach
Ost verlaufende Hohlform der Oberlahn und der
Unterohm. Nördlich dieser Tiefenzone ist die
Landschaftsgliederung in nord-südlicher Richtung
nicht so offensichtlich ausgeprägt. Lediglich das
Tal der Wetfchaft und der gegen dieses scharf
abgesetzte ^Westrand des Burgwaldes ordnen sich
in ihrem Verlauf der Längserstreckung der For
men ein. Der Schnittpunkt der beiden vertikal
zueinander verlaufenden, die Großformen der Land
schaft um Marburg gliedernden Systeme ist deut
lich ausgeprägt im Lahnknie bei Cölbe. Hier liegt
der orographische und hydrographische Knotenpunkt
unseres Landschaftsraumes im Hinblick auf die
morphologischen Beziehungen zum weiteren Um
land.
Zwischen den Höhen der Rickshell und des
Goldbergs riegelt die tischeben erscheinende Fläche
der verschieden altrigen Lahnterrafsen von Cölbe
das Lahntal im Norden ab. Weit im Bogen,
teilweise in rückläufiger Richtung ausholend, um
fließt die heutige Lahn dieses Hindernis uno tritt
nach vorwiegend west-östlichem Verlauf durch die
Pforte zwischen Goldberg und Eubenhard mit
nunmehr südlicher Verlaufsrichtung in ihren wech
selnd breiten Talraum innerhalb der Marburger
Landschaft ein. Alte Terrafsenreste an ihren Tal-
flanken find Zeugen der etappenweisen Eintiefnng
bis zur heutigen Talsohle. Zn hydrographischer
Beziehung ist unser Gebiet ein Teil der „rheini
schen Tallandschaft", d. h.: „Hydrographische
Bande verknüpfen sie mit dem Rhein, und im Be
griff der Tallandschaft ist dann zugleich auch aus-
gesprochen, daß alle Formenelemente der Land
schaft in Beziehung stehen zur Erofionöbafis des
Rheins: von jedem Punkt der Marburger Land
schaft kann man einen Weg finden, der dauernd
abwärts führt, ohne jemals wieder anzusteigen, zur
lokalen Erofionöbafis der Lahn und dann der Lahn
entlang zum Rheine hin" 6 ).
Südlich von Giffelberg endet mit dem WA-
marer Kopf der Ntarburger Rücken. Breit dehnt
fich von hier das Lahntal nach Süden, die ein
engenden Berge treten zurück und flankieren ledig-
lich die linke Talseite. Der rechtsseitige Talhang
geht nach kurzem Anstieg in die leichtwellige
Rumpffläche des Rheinischen Gebirges über, die
in morphologischer Hinsicht schon unmittelbar süd
lich von Nonhausen auf das linke Talufer über
greift, wo fie unter die Verebnungsfläche des
Buntsandsteins untertaucht. Aber diese geologisch
morphologisch wichtige Grenze ist in diesem Teil
abschnitt für die landschaftliche Abgrenzung un
wesentlich. Erst da, wo in der Talenge von Oden
hausen die karbonischen Grauwacken des Schiefer-
gebirgsrumpfeö als trennende Barre das Tal der
Mittellahn gegen das Gießener Becken absperren,
liegt die natürliche Südgrenze der Marburger
Landschaft. Hier können wir mit einiger Be
rechtigung von einer wirklichen Landschaftsgrenze
sprechen, die auch in historischer und kultureller
Beziehung die Grenze zwischen den darmstädtischen
und kurhessischen Territorien bildete und sowohl die
Nordgrenze des wetterauischen Torbogenhauses als
auch die Südgrenze der reichen bäuerlichen Trach
ten unserer Gegend darstellt. Zn wirtschaftlicher
Hinsicht scheidet fie noch heute die Einzugsgebiete
der Städte Gießen und Marburg.
Aber diese Güdgrenze wirkt nicht nur
trennend, sondern auch verbindend. Zn diesem süd
lichen Landschaftsteil liegt der Übergang vom
Rheinischen Gebirge über die Buntsandsteinhöhen
zu den Ausläufern des basaltischen Vogelsberges,
die den Südteil des Amöneburger Beckens mn-
6 ) Maull, O. Die Landschaft um Marburg. S. 49.