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Chile, mit der Werksnummer 22 730 übergeben
werden konnte. Eine Festschrift, die sich sehen
lassen kann in ihrer mustergültigen Aufmachung
und mit einem Text, der nach jeder Richtung
Auskunft gibt über die Geschichte des Werkes
und seiner Unterabteilungen sowie über die Ge
schichte der Familie Henschel, wurde bei dieser
Gelegenheit den Ehrengästen überreicht und liegt
nun auch, schon vergriffen, breiteren Kreisen vor.
Der Beginn des Lokomotivbaues ist anzu
setzen auf das Fahr 1846, und am 29. Funi
1846 wurde die Maschine „Drache" mit der
Werksnummer 1 der Kurfürst Friedrich-Wil-
helms-Nordbahn übergeben. Fhr folgte rasch die
Lokomotive „Löwe" für die gleiche Gesellschaft
und bald auch begann mit den Maschinen
„H a s s i a" und „'S türm" die Reihe der für
die kurhesfische Staatsbahn, die Main-Weser-
Bahn, gelieferten Lokomotiven. Ehe wir aber die
weitere Entwicklung des Lokomotivbaues über
blicken, die parallel läuft mit dem Werden des
kurhessischen Eisenbahnnetzes, wollen wir uns
einen Blick auf die ältere Geschichte der Fami
lie und des Werkes gestatten.
Die Henschels kamen aus Schlesien und wan
derten i. F. 1614 in Mainz ein, wo sie Glocken
und Kanonen zu gießen begannen und 1637 ihren
Betrieb nach Gießen verlegten, der auch wie
der dem Metallguß diente, wobei u. a. auch
ein Mitglied der Familie als Gutachter im
Glockenstreit der Hanauer Marienkirche zugezo
gen ward. 1777 kam dann Georg Christian
Karl Henschel nach Kassel und heiratete
eine Tochter des landgräflichen Stückgießerö F.
Fr. A. Storch, der im Gießhause an der Weser
straße, das 1707 durch Landgraf Carl er
richtet woröen war, arbeitete. Fm „Hessenland"
1912 S. 234 findet sich ein Aufsatz über diese
Keimzelle des Henschelwerkes, ebenso eine Abbil
dung. Reit dem Regierungswechsel von 178g
wurde dann Henschel gemeinsam mit seinem
Schwiegervater Storch mit dem Gießhause und
dem Stückgießeramte belehnt, dann 179g allei
niger Fnhaber, der wenige Fahre später das da
neben gelegene Uffelnsche Freihaus am Kloster
platz erwarb, um in dessen Hinterräumen nun
auch kleinere Maschinen und Feuerspritzen zu fer
tigen. Es war ein Glück, daß die Anlage hier
schon arbeitete, als 1810 die westphälische Regie
rung die Stückgießerei selbst in die Hand nahm
und die Henschels daraus verdrängte. Das
dauerte nicht lange, und Karl Anton Hen
schel, der zuvor in kurfürstlichen Diensten ge
standen und 1803 schon den Entwurf zu einem
Dampfstraßenwagen angefertigt hatte, trat in
die Leitung der kleinen Fabrik ein, weshalb man
das Fahr 1810 als das Gründungsjahr der Ma-
fchinenfabrik betrachtet. Man könnte ja auch zu
rückgehen um weitere 23 Fahre, als ein Henschel
zuerst Lehensinhaber des Gießhauses wurde. Ne
ben Karl Anton Henschel wurde aber auch dessen
Bruder W e r n e r , der bekannte Bildhauer und
Lehrer an der Kasseler Kunstakademie, in den Be
trieb mit aufgenommen. Als dann am 28. Sep
tember 1813 die von den Kosaken erbeuteten Ge
schütze vom Forst aus nach Kassel ihre eisernen
Grüße sandten, kam auch bald die Zeit wieder,
da die Henschels in das Gießhaus zurückstedelten,
um nun hier die Geschütze für den Freiheitskrieg
zu schaffen, für welche die Brüder Grimm die
Zuschriften verfaßten. Werner Henschel beklagte
sich damals in einem Briefe darüber, daß er ge
zwungen sei, in der Gießerei tätig zu sein, aber
später zeigte der Guß der Fuldaer BonifatinS-
Statue, daß es für ihn kein «Schade gewesen war,
so frühe mit der Gußtechnik vertraut gemacht zu
sein.
Fn jener Zeit entstand schon ein anderes
Werk ver Eisentechnik, das noch bis in unsere
Tage gedient hat und erst *931 unterging: die
Drehbrücke im Zuge der Weserstraße zu Karls
hafen über die dortige Hafeneinfahrt. Später er
baute ja die Firma auch für die Bebra-Hanauer
Eisenbahn Brücken in Eisenkonstruktion. Auch
der Bau von Feuerspritzen wurde fortgesetzt und
noch heute arbeiten in hessischen Dörfern Henschel-
Spritzen zur vollsten Zufriedenheit. Ebenso wurde
ein Gebläse für vie Eisenhütte in Beckerhagen
konstruiert, wie überhaupt die Firma auf jedem
nur denkbaren Gebiete der Metallindustrie fich
betätigte und auch den Guß von Glocken noch
nicht vernachlässigte, wie die i. F. 1818 umge
gossene „Osanna" des Kasseler Martinsdomes,
die „Große Glocke", bewies. Auch eine TCafser-
turbine, die heute in München im Deutschen
Museum gezeigt wird, entstand bei Henschel, wo
inan sich zugleich mit dem Bau von Druckpressen
befaßte, wie eine noch heute in der Druckerei von
Fr. Scheel zu Kassel arbeitende Presse erweist.
Als in den Fahren 1832 bis 1833 Berghaupt-
nrann von Eschwege jenen Versuch machte, die
Goldgewinnung ans der Edder neu zu beleben
und auf breitere Bafis zu stellen, gehörte der
Bergrat Karl Anton Henschel dem Vorstande
der Kompagnie an und noch in deren letzter Ge
neralversammlung wurde sein Vorschlag erwogen,
das Zusumpfehalten des Vvafsers in den Ver-
snchsgräben bei Bergheim mittels Pumpen zu be-