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durchgeführt werden, deren topographische Fixie
rung in zahlreichen Fällen noch durchaus unsicher
ist.
Bei aller Vorsicht der Auswertung gestattet
dieses reiche Namenmaterial sodann für eine
ganze Reihe von Ortschaften die einwandfreie Fi
xierung als Rodesiedlungen sowie die Erkenntnis
der ältesten Wohnplätze und damit der altoffenen
Siedlungsräume. Dabei ist die Arnoldsche Chro
nologie bei allen Verbesserungsnotwendigkeiten
im Prinzip durchaus zutreffend. Durch die Zen
tralstelle des Sprachatlas für das Deutsche Reich
ist gerade Marburg der geeignete Boden für die
saubere einwandfreie Auswertung der Ortsna
men.
Dazu kommt, daß durch exakte Kleinarbeit
versucht werden muß, an Hand der Flurnamen
Gemarkung für Gemarkung die etwaigen Ro
dungsflächen zu konstruieren. Die „Zentralstelle
für die Flurnamen von Hessen-Nassau" hat
durch die Sammlung des Flurnamenmaterials
hier bereits wichtige Vorarbeit geleistet.
Auch der Verlauf der Gemarkungsgrenzen
muß in die Betrachtung mit einbezogen werden;
wo ein Dorf seinen Nährraum später in den
Wald hinein vorgetrieben hat, ist das nicht sel
ten an den scharfen Ausbuchtungen der Gemar-
knngsgrenzen zu erkennen. Auch die Dorfformen
selber können gelegentlich Hinweise geben; gehört
das Haufendorf zweifellos zu den ältesten Dorf
formen unseres Gebiets -— ohne daß man nun
etwa jedes Haufendorf als alt ansprechen dürfte —,
so ist die Anlage von Waldhufendörfern in ehe
maligen Waldgebieten erfolgt.
Ntit allen diesen Momenten sind Schlüsse
höchstens für die Zeit um 1300 möglich; sie be
sagen für sich allein so gut wie nichts, erhalten
vielmehr erst durch das Zusammentreffen der ver
schiedensten gleichlautenden Argumente ihre Be
deutung. Schließlich können die kirchen- und
territorialgeschichtlichen Verhältnisse wertvollen
Anhalt für die Rekonstruktion deö Landschafts
bildes vor allem für die Zeit um 1300 geben. Die
sorgfältige kritische Auswertung der Archive mit
ihren Akten und Urkunden, den Dorf- und Flur
büchern, den Zehntregistern, Bestchtigungsberich-
ten, Grenzbeschreibungen, aber auch den Flur-
und Dorfkarten gehört daher zu den unerläßlichen
Voraussetzungen für die zu schaffende Wald
karte. Die Konzentrierung des weitaus meisten
diesbezüglichen Materials im Staatsarchiv in
Marburg erleichtert gerade diese Arbeiten unge
mein.
Daß die genaueste Kenntnis deö Landes aus
eigener Anschauung die selbstverständliche Vor
aussetzung für jede ernsthafte Arbeit ist, soll hier
nnr nebenbei erwähnt werden.
Die Größe des zu behandelnden Raumes und
die notwendige Exaktheit der Kleinarbeit lasten es
geraten erscheinen, die Bearbeitung des Gebietes
in mehrere Hände zu geben; jedoch werden die zu
behandelnden Räume jeweils die verschiedensten
geologisch-morphologischen Zonen (altes Gebirge,
hessische Senke, Buntsandsteintafeln usw.) um
fassen müssen: Aus der vergleichenden Betrach
tung bestimmter Erscheinungen über die gleichen,
aber auch über die verschiedengeartetsten natür
lichen Landschaften ergeben sich nicht selten Auf
schlüsse, die auf anderem Wege nicht zu erreichen
gewesen wären.
Jede nicht einwandfrei feststehende Tatsache
aber muß als solche jederzeit klar aus der Karte
zu ersehen sein, die Gebiete, die trotz sorgfältigen
und alles umfassenden Vergleichs und unter Be
nutzung sämtlicher Hilsmittel in ihrem Land
schaftscharakter ungewiß bleiben, müssen unmiß
verständlich bezeichnet werden.
Als Arbeitskarte werden dabei das NO B.
(1:23000) wie auch die Karte deö Deutschen
Reiches (1:100000) zu benutzen sein. Die ge
wonnenen Ergebnisse sind auf die Höhenschichten-
und Gewässerkarte des Deutschen Reiches im
Maßstab 1:200000 zu übertragen.
Zu wissenschaftlich haltbaren Ergebnissen wer
den die Arbeiten nur führen können, wenn vom
bekannten zum unbekannten schrittweise und syste
matisch fortgeschritten wird, d. h. vom gegenwär
tigen Landschaftsbild zunächst zu dem des aus
gehenden 16. Jahrhunderts. Erst nach Abschluß
dieser Arbeiten kann versucht werden, in die Zeit
um 1300 und von hier aus weitergehend in die
um 300 n. Chr. vorzustoßen. In der Nichtbe
folgung dieses zwar langwierigen aber natür
lichen und stcheren historisch-geographischen TLeges
liegt die Schwäche aller bisherigen Bemühungen
Schlüters und GuSmannö.
Die Karten der Verbreitung des Waldes um
1300 und um 300 n. Chr. können außerdem erst
in Angriff genommen werden, wenn wenigstens
die dringlichsten Vorarbeiten dazu abgeschlossen
vorliegen werden: die Karte der vor- und frühge
schichtlichen Funde und die der Verbreitung der
Steppenheide.