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Dementan
, IARDES-
BIBLIOTHEK
KASSEL
Monatsschrift sür Landes- und Volkskunde, Kunst und Literatur Sessens
Herausgeber Or. C. H i tz er o t h, Marburg a. L., Markt 21 / 23 / 24, Fernsprecher 54 und 55.
Enthaltend zugleich die „Mitteilungen" des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde.
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Marburg, März/Avril ML
Von Goethes Ahnen.
Vortrag, am 22. März 1932 in Marburg gehalten von Dr. Carl K n e t s ch.
Johann Wolfgang Goethe, geboren am 28. 8.
4749, gestorben am 22. 3. 1832, — wer von ihm
spricht, der wird ihn, die ganz junge Generation
vielleicht abgerechnet, als einen Großen bezeichnen,
als den größten Dichter, den Deutschland je gehabt
hat, wenn auch nicht als den populärsten, was
seiner Größe keinen Abtrag tut. 2Dir kennen ihn
trotz seiner ungeheuren Vielseitigkeit in seinem
äußeren Leben wie in seinen Lebensäußerungen und
seinen TLerken genau, oder glauben wenigstens ihn
zu kennen; nach allen Seiten hin ist er von neuem
in diesen vergangenen Wochen und Monaten be
leuchtet worden, und seinem Wesen ist so nachge
spürt worden, daß man meinen könnte, eö wäre des
Guten genug oder fast zuviel getan. Und doch ist
uns allen der M e n s ch Goethe ein Begriff, der
uns immer wieder Rätsel aufgibt und in dessen Le
ben wir auf Stellen stoßen, für die uns eine Er
klärung fehlt, wenn auch noch soviel darüber ge
schrieben ist. Er selbst sagt als Sechsundzwanzig
jähriger von sich: „W as die menschliche
Natur nur von W idersprüchen sam
meln kann, hat mir die Fee Hold
oder Unhold zum Patengeschenk ge
mach i".
Nun sind derartige Patengeschenke etwas, was
sich in Märchen und Sagen sehr gut ausnimmt,
aber man kann sich doch nicht gut mit ihnen ab
finden, wenn man nach Erklärungen für Charak
tereigenschaften sucht, die einem rätselhaft er
scheinen. Da muß man schon andere Wege gehen,
trnd davon ist einer der, den uns die Genealogie und
Vererbungslehre zeigt. Ich habe nun keineswegs
die Absicht, Ihnen hier vorzurechnen, diese oder
jene Eigenschaft hat der junge Goethe oder der Herr
Geheimrat in Weimar von diesem oder jenem Vor-
fahren, aber ich will Ihnen kurz zeigen, aus was
für verschiedenen -Duellen die Tropfen geflossen sind,
die dann schließlich den Menschen haben werden
lassen, dessen Gedächtnis wir heute feiern, den gro
ßen Deutschen Goethe.
Was ein Stammbaum oder eine Stamm
tafel ist, ist den meisten Menschen bekannt, be
sonders da in der letzten Generation das Interesse
an der Familiengeschichte, an der Genealogie, in
weiteren Kreisen des Bürgertums ganz außer
ordentlich gewachsen ist. Man weiß, daß es sich
um die graphische Darstellung einer Gruppe bluts-
miteinander verbundener Menschen handelt,
ma
die denselben Namen tragen und ihre Herkunft von
einem gemeinsamen Stammvater ableiten. Davon
zu unterscheiden ist die Ahnentafel, die sich
auf einem einzigen Menschen aufbaut, dessen sämt
liche direkte Vorfahren, soweit sie feststellbar sind,
von Vater und Mutter her umfaßt, also die bei
den Eltern, die vier Großeltern, die acht Urgroß
eltern, die sechzehn Ururgroßeltern, deren Eltern
und so fort. Man wird sich vorstellen können, daß
die Aufstellung einer solchen Tafel sehr schwierig,
aber auch ungeheuer interessant und anregend ist,
denn es handelt sich eben nicht nur um e i n Ge
schlecht wie beim Stammbaum, sondern um viele
Geschlechter, deren Zahl sich von Generation zu Ge
neration nach rückwärts verdoppelt. Da kommt man
theoretisch bald in ungeheure Zahlen hinein und
meist wird wegen der mangelnden Überlieferung,
wenn die Kirchenbücher oder andere archivalische
Duellen versiegen, der Forschung eher ein Ziel ge
setzt, als dem Bearbeiter lieb ist.
Ahnentafeln von Mitgliedern fürstlicher Häuser
oder von Angehörigen adeliger Familien bis zu einer
bestimmten Grenze, etwa bis zu den Urgroßeltern